26. März 2013
Ich saß im Unterricht und kritzelte in meinem Block herum. Schon seit Monaten wusste ich nicht, was im Unterricht vorging, weshalb ich auch keinen Sinn darin sah, anzufangen den Stoff nachzuholen. Nach diesem Jahr würde ich sowieso von der Schule gehen.
Ohne darüber nachzudenken, zeichnete ich irgendwas auf meinen Block und dachte darüber nach, wie ich aus Ashton die Wahrheit locken konnte. Vielleicht musste ich einfach in gefährlichere Situationen geraten. Denn er rettete mich immer, was mich immer wieder irritierte, trotzdem war es meine Chance.
„Tay, hast du heute Zeit?“, flüstere Bastian zu mir. Nickend sah ich zu ihm auf und blickte in seine braunen Augen. Mir war klar, was er wollte.
„Ja. Direkt nach der Schule?“
„Einverstanden“, grinste er und ich widmete mich wieder meinem Block. Auf einmal wurde mir klar, was ich zeichnete. Es war das Gesicht meiner Mutter. Ich schluckte und sah auf das heutige Datum.
„Drei Jahre“, formte ich stumm mit den Lippen und musste meine Tränen unterdrücken. Nun wurde mir klar, was ich heute tun musste, damit Ashton nicht gelangweilt wurde.
Haargenau betrachte ich die Zeichnung und war erstaunt, wie gut ich sie nach all den Jahren zeichnen konnte. Ihre großen Augen und die dichten langen Wimpern, die diese umrahmten. Dann ihre vollen Lippen und diese kleine Nase. Die Falten unter ihren Augen und um ihre Lippen, sobald sie lächelte. Ich dachte daran, wie es war mit ihr. Die Tage, an denen wir im Garten saßen und ich ihr alles über meine Jungsprobleme erzählt hatte. Sie hatte mir zugehört und eine Schüssel Eiscreme gegeben.
„Es wird schon alles“, hatte sie gesagt. Wie gerne ich sie jetzt hier gehabt hätte. Ich hätte ihr alles über Ashton erzählen können und wie er mich verwirrte. Vielleicht hätte sie eine bessere Idee gehabt, als dass ich immer wieder mich von irgendwem vergewaltigen lassen wollte oder etwas anderes anstellte.
Ich schluchzte laut auf und wischte mir die Tränen weg. Alle aus dem Kurs sahen mich an, doch dafür interessierte ich mich nicht. Einzig und allein meine Mum sollte hier sein. Weitere Tränen rollten meine Wangen hinunter.
„Tay, komm mit“, flüsterte Bastian in mein Ohr. Zögern stand ich auf und verließ mit ihm den Raum. Im Flur brach ich zusammen und weinte weiter auf dem Boden sitzend.
„Tsch“, hauchte er in mein Ohr und streichelte meinen Rücken. „Was ist los.“
„Drei Jahre“, schluchzte ich und heulte weiter.
„Taylor, was ist mit drei Jahren?“, hakte er mit beruhigendem Ton nach.
„Tod … Meine Mutter“, stotterte ich und sah Bastian an. Er nickte und hielt mich fest in seinen Armen. Weiter weinte ich. So sehr brauchte ich sie, doch sie war nicht mehr hier. Ich war auf mich allein gestellt.
„Lass uns an die frische Luft gehen“, schlug er vor. Ich nickte einfach nur und stand auf. Bastian stützte mich, während wir aus dem Schulgebäude gingen und mich die Kälte packte. Ich sah mich um. Irgendwie hoffte ich, dass Ashton hier sein würde, doch er war es nicht.
Zuhause hätte sie mich in die Arme genommen. Wenn ich über Ashton dachte, dachte ich, was sie wohl gesagt hätte, doch ich hatte keine Ahnung darauf. Sie hätte mir einen weisen Rat gegeben und ich hätte den befolgt. Vielleicht wären Ashton und ich dann jetzt Freunde. Ich hätte nie Haleigh kennen gelernt. Mein Dad hätte nie nochmal geheiratet.
„Tay, es wird schon alles wieder“, flüsterte Bastian, aber ich schüttelte den Kopf.
„Du hast selber gehört, wie es Haleigh und mein Dad treiben! Du weißt, wie sie mich behandelt! Nichts wird gut!“, schrie ich und wollte abhauen. „Wie lange geht die Stunde noch?“