Flucht

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Nach Luft dringend lehnte sich Altovan an einen Baum. Vorsichtig zog er den blutgetränkten, aufgeschlitzten Teil seiner Kutte zu Seite um die Wunde zu inspizieren der Zwerg im beigebracht hatte. Die Verletzung befand sich etwa auf Höhe der rechten Hüfte und schmerzte stark.
Es war ein brennender, posieren der Schmerz der sich auszubreiten schien. Aus Erfahrung wusste der Magier der Elfen, dass ein einfacher Schnitt nicht so Schmerzen konnte. Vermutlich hatte der Zwergklinge seines Dolches mit irgendwelchen heimtückischen Zaubern versehen.
Noch während er den Stoff beiseite zog verfluchte sich Altovan bereits innerlich. Er hatte sich übertölpeln lassen. Körperlich war er seinem Gegner klar überlegen gewesen aber er war sich seiner Sache zu sicher gewesen. Warum hatte er keine Schutzwälle um sich gelegt? Warum hatte er sich überhaupt auf ein Gespräch mit diesem fanatischen Magier der Knurlan eingelassen?
Er wusste schließlich, dass die Zwerge ein tapferes und kämpferisches Volk waren. Die einzige Erklärung für seine Versäumnisse war, dass ihn die Taten des Zwerges einfach zutiefst angeekelt hatten. Er hatte Brava hart arbeitende Männer ermordet und das alles nur aus einem verblendeten Aberglauben heraus. Gründliche Vorbereitungen auf den Kampf ein gewisses Maß an Anerkennung von seiner Seite erfordert. Es war befriedigender gewesen sich dieser mörderischen Kreatur in jeder Hinsicht überlegen zu fühlen.
Eine Erklärung mochte das zwar seim aber ganz gewiss keine Entschuldigung. Vor so vielen Sommern hatten seine Lehrer dem Schwertkampf und in der Magie wirklich besseres beigebracht. Niemals durfte man seinen Gegner unterschätzt!
Gerade diesen Fehler hatte er begangen und zahlte nun dafür den Preis.
Altovan erschrak etwas als er nun endlich die Wunde erblickte. Seine Befürchtungen bestätigten sich. Eindeutig war die Klinge des Zwerges erfüllt gewesen von verdorbener Magie und nun entfaltete sie ihre Wirkung. Die Wunde war wesentlich breiter als sie hätte sein dürfen und die Ränder der Verletzung verloren bereits die Farbe des Lebens und der sich schwarz. Das Fleisch um die Wunde löste sich auf und verrottete mit unglaublicher Geschwindigkeit. Vorsichtig zog Altovan die Wundränder auseinander und ein scharfer Schmerz zuckte wie der Blitz eines Gewitters durch seinen Körper. Tapfer konzentrierte sich der Elf auf seine Verletzung und stellte fest, dass die Verrottung seines Körpers sich nicht nur auf die Wundränder begrenzte sondern sich auch in die Tiefe fortsetzte. Wenn er nicht schnell etwas unternahm würde die schwarze Hexerei des Zwerges mit Sicherheit lebenswichtige Organe beschädigen. Altovan sammelte seine Kräfte und wirkte einen Heilzauber. Zunächst sorgte er dafür, dass das abgestorbene Gewebe sich von seinem Körper löste und das gesunde Fleisch anschließend wieder zusammenwuchs. Schweißperlen traten auf die Stirn des Elfen. Die Wunde hatte ihn bereits einen beträchtlichen Teil seiner Körperkraft ausgesaugt und der Zauber forderte ebenfalls seinen Tribut. Um sich von seinen Schmerzen abzulenken konzentrierte sich der Elf darauf den Erfolg seiner Bemühungen zu beobachten. Leider stellte sich dieser nur wesentlich langsamer ein als Altovan es gewohnt war.
"Sehr geschickt Herr Zwerg." murmelte der verletzte Magier. Normalerweise war Altovan niemand der Selbstgespräche führte aber ihm war jede Ablenkung herzlich willkommen. Leider musste er den Magier der Zwerge in gewissem Sinne Respekt zollen. So verwerflich die Magie des Zwerges auch war es war ein sehr geschickter und heimtückischer Zauber. Zwar schloss sich die Wunde aber nur für einige Sekunden blieb die neue gewachsene Haut unversehrt. Schnell wurde sie dunkel, begann zu verfaulen und die Wunde öffnete sich erneut. Altovan war im gleichen Maße beeindruckt abgestoßen. Er hätte nicht erwartet, dass in einem Zwergenkörper genug Kraft wohnte um einen so komplexen Fluch auszusprechen. Offensichtlich hatte der Zwerg die Klinge seines Dolches mit einem magischen Bann belegt, der sobald die Klinge durch Fleisch fuhr auf das Opfer überging. Immer wieder öffnete der Fluch die Wunde und war bemüht sein zerstörerisches Werk fortzusetzen.
Altovan gönnte sich einige tiefe Atemzüge. Er bemühte sich abzuschätzen wie viel Kraftentzug er seinem Geschwächtenkörper noch zumuten konnte. Er kam zu dem Schluss dass es nicht riskieren konnte den Versuch zu unternehmen dem Fluch komplett zu brechen. Er überlegte, wählte die richtigen Worte und formulierte seinen Zauber so, dass er den Fluch schwächte und Altovan selbst wählen konnte wie viel Energie er den Gegenzauber zuführen wollte. Unwillkürlich fühlte sich der Elfenmagier an seine Jugend erinnert als er von einem Lehrmeister seines Volkes in der Anwendung der Magie unterwiesen wurde. Ein Drachenreiter besuchte an einem Sommertag vor und endlich vielen Jahren die Städte des Elfenvolkes und es war Brauch, dass die Schüler bedeutender Lehrmeister bei einer solchen Gelegenheit gebeten wurden den ehrenwerten Shurtugal ihr Können zu beweisen. Auch Altovan war von seinem Lehrer dazu aufgefordert worden als der Reiter ihre Unterrichtsstätte gemeinsam mit seinem Drachen besuchte. An diesem Tag war Altovan zum ersten Mal den Drachenreiter Oromis und seinem Wegbegleiter Glaedr begegnet. Sie befanden sich gerade auf der Rückreise nach Vroengard und besuchten auf der Reise alte Freunde in Ellesméra. Zu eben diesem Freuden zählte auch der Lehrmeister von Altovan. Aus ihren Gesprächen hatte der damals noch junge Elf entnommen, dass Oromis und sein Drache nach Vroengard zurückgerufen worden waren und in den Stand von Lehrmeister des Ordens erhoben zu werden. Die beiden sahen sich also einer neuen Herausforderung gegenüber. Als Altovan seine Fähigkeiten demonstrierte nutzte Oromis die Gelegenheit um etwas Erfahrung im Umgang mit Schülern zu sammeln. Er riet dem damals noch jungen Elfenmagier davon ab zu lassen Zauber als Extreme zu formulieren. Er erklärte, dass es immer gefährlich sei einen Zauberspruch so zu formulieren, dass es nur zwei Möglichkeiten gab Erfolg oder Tod. Inzwischen blickte Altovan selbst auf jahrelanger Erfahrung zurück und dieser Ratschlag des Drachenreiters hatte sich unzählige Male als nützlich erwiesen.
Mit den Zauber den er nun gewirkt hatte gelang es ihm die Wunde zu schließen und geschlossen zu halten. Jedoch spürte er deutlich wie die beiden magischen Beschwörungen gegeneinander ankämpften. Er musste seinem Gegenzauber ständig etwas Energie spenden um nicht noch weiteren Blutverlust zu riskieren. Auf lange Sicht würde er das kaum durchhalten können. Außerdem schwächte der ständige Energieverlust ihm und der Zwerg hatte bewiesen, dass er ein Magier war den man nicht unterschätzen durfte.
Das knacken von spröden Holz erregte schließlich die Aufmerksamkeit des Elfenmagiers. Er war sich sicher, dass es der Zwerg war. Bestimmt hatte sich der feindliche Magier an die Verfolgung gemacht und weit hatte sich Altovan nicht von der ehemaligen Reiterstadt entfernt. Zu groß waren seine Schmerzen gewesen als dass er sich tief in die umliegenden Wälder zurückziehen können.
Vorsichtig festigte er den Griff um sein Schwert und späte um den Stamm des Baumes herum hinter dem er sich versteckte. Tatsächlich erblickte er den hinterlistigen Knurlan unweit auf einer kleinen Anhöhe. In der einen Hand hielt der Zwerg seinen Stab in der anderen den türkischen Dolch. Der Zwergemagier warf seinen Kopf herum wie ein Raubtier das nach seiner Beute späte. Offenbar hatte er sein Ziel noch nicht ausgemacht.
"Wo seid Ihr Herr Elf!" rief Altovan zu Feind schließlich in die Stille des Waldes hinein. "Ich mache euch ein Angebot. Inzwischen dürfte dir bemerkt haben, dass mein Dolch keine gewöhnliche Waffe ist. Ich vermag dem Fluch von euch zunehmen. Gib mir was meinem Volk gehört und ich verschont euer Leben. Was kümmern euch die abergläubischem, religiösen Schriften des Zwergenvolkes? Für euch sind sie wertlos! Übergebt sie mir und wir trennen uns in Frieden."
In der folgenden Stille dachte Altovan über das Wasser gerade gehört hatte nach. Es war nicht zu leugnen, dass er für kurze Zeit in der Versuchung war den Forderungen des Zwergs nachzugeben. Doch sofort rief er sich zur Ordnung. Er hatte diese Schriften nicht zufällig gefunden! Nein sie waren ihm von Vrael, dem letzten Oberhaupt des alten Ordens, anvertraut worden. In zwei gehörte zu den wenigen, die von der Existenz der Hüter wussten. Um die Schriftstücke möglichst sicher verwahrt zu wissen hatte der damalige Arget Un die Siedlung der Hüter aufgesucht und ihnen diese dunklen Dokumente übergeben. Widerwillig hatte Altovan zugestimmt sie in seiner Obhut zu nehmen. Bedeutung maß er ihnen nur bei, weil sie im Zentrum einer diplomatischen Krise standen. Daher auch seine Versuchung sie jetzt zu übergeben. Die Krise existierte nicht mehr und was Gruppe der Zwerg schon mit diesem Abergläubischem Geschwätz anfangen?
Doch drei Gründe anlassen Altovan dazu sich gegen das Angebot des Zwergs zu entscheiden. Zum einen war es für den Elfenmagier eine Sache der Ehre. Man hatte ihm diese Unterlagen anvertraut und er würde sie nicht einem Mörder übergeben um seine eigene Haut zu. Zum zweiten hatte das geistige Duell mit dem Zwerg gezeigt welcher Macht glauben in sich trug wenn er mit Fanatismus gepaart war. Möglicherweise würden die Dokumente die der Zwerg begehrte ihm Einfluss und Macht unter seinen Glaubensbrüdern geben. Das durfte Altovan nicht riskieren! Außerdem, letzten Endes vertraute er nicht darauf, dass der Zwerg sein Wort halten würde. Ein Wesen das so türkische Zauber gegen seine Gegner verwendete würde sicherlich wortbrüchig werden. Leise zog sich Altovan tiefer und tiefer in den Wald zurück. Er kam zu dem Schluss, dass er sich nicht auf einen Kampf mit dem heimtückischen Zwerg einlassen durfte. Seine einzige Hoffnung bestand darin die Drachenreiter zu kontaktieren und sie zu bitten umgehend Vroengard aufzusuchen. Sie waren die einzigen die die Insel schnell genug erreichen konnten.

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt