Teil 40 und 41

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Ich ertrug es nicht, auch nur eine Sekunde länger in diesem Haus zu sein. Ich schnappte mir meine Jacke von der Garderobe und lief dabei an dem bodentiefen Spiegel vorbei und konnte nicht vermeiden, dass ich mich darin sah. Ich sah fürchterlich aus. Wie ein Zombie. Schnell ging ich weiter, öffnete wie in Trance die Haustür und zog sie von außen hinter mir zu. Dann setzte ich mich auf die kleine Holzbank, die vor dem Haus stand und wartete auf Riku.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich endlich, wie ein Auto den kleinen Waldweg entlang gefahren kam. Riku hielt direkt vor mir, sprang aus dem Auto heraus und hockte sich mit besorgter Miene vor mich. „Danke, dass du gekommen bist“, krächzte ich mit belegter Stimme. „Du kommst mit zu uns“, entschied er und schnappte sich meinen Koffer. Er öffnete mir die Beifahrertür, verstaute den Koffer auf dem Rücksitz des Autos und lief herum, um wieder einzusteigen. Er startete den Motor und fuhr los. Eine ganze Weile sagte er nichts und schaute immer wieder besorgt zu mir rüber. Dann fing er doch an zu fragen: „Hey, magst du mir erzählen, was zwischen Samu und dir vorgefallen ist?"

Ich überlegte, was ich sagen sollte. So gut kannte ich ihn ja noch nicht. Ich mochte Riku, keine Frage, er war ein herzlicher, lieber und symphatischer Kerl, aber wir hatten uns noch nicht so oft gesehen. Allerdings war er Samu’s bester Freund, er würde ja früher oder später sowieso alles erfahren, also entschied ich mich, ihm alles zu erzählen und ließ kein Detail aus. „Äh Anna, ich glaube, so ein oder zwei Dinge hast du da bestimmt missverstanden“, sagte er, nachdem ich meine Erzählung beendet hatte. „Was gibt es das falsch zu verstehen, Riku, er fühlt sich schuldig, weil mein Mann mich nach unserer gemeinsamen Nacht ins Krankenhaus geprügelt hat, er lädt mich zu sich ein, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen und damit ich angeblich“, dabei malte ich mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft, “abschalten kann und Abstand von allem Gewinne. Weil gerade ein Weibchen in seinem Haus ist, die emotional angeschlagen ist, nutzt er die Situation aus und hüpft mit mir ins Bett. Ist doch praktisch. Aber nun merkt er, dass ihm das doch alles zuviel wird und ist froh, wenn ich nach Hause fliege und er sein Rockstar Leben weiter leben kann“, fasste ich die ganze Situation zusammen. „Du tust ihm wirklich unrecht“, warf Riku energisch ein, „so ist Samu nicht, ich kenne ihn schon so lange und auf Tour leben wir quasi wochenlang zusammen. Aber das müsst ihr unter euch klären, da kann und mag ich mich nicht einmischen. Ich werde mich auf keine Seite stellen, Anna, das solltest du wissen.

Du bist in meinem Haus herzlich willkommen und du kannst solange bleiben, wie du magst. Trotzdem solltest du mit Samu reden, damit ihr die Dinge zwischen euch klärt. OK?“ „Was soll ich da noch klären, Riku, in ein paar Tagen fliege ich nach Hause und dann bin ich aus seinem Leben verschwunden“, erklärte ich resigniert. Riku seufzte nur und zuckte mit den Schultern. "Schade."

Nach ca. 20 Minuten kamen wir bei Riku zuhause an. Wir hielten vor einem sehr schicken, aber nicht allzu großen weißen Haus mit einer kleinen Hofauffahrt. Links und rechts der Auffahrt waren zwei große Rasenflächen. Sobald wir anhielten, kam eine blonde und zierliche Frau aus dem Haus auf das Auto zugelaufen. „Hey Darling“, begrüßte sie Riku, der gerade aus dem Auto gestiegen war und drückte ihm freudestrahlend einen Kuss auf den Mund. Dann kam sie zu mir und reichte mir die Hand und drückte mich an sich. „Du musst Anna sein, ich bin Helen, tervetuloa.“ Sie strahlte mich an und ihre herzliche Begrüßung ließ mich ein bisschen besser fühlen. Riku holte meinen Koffer vom Rücksitz und begleitete mich und Helen ins Haus. Auch hier war alles schick und schnuckelig eingerichtet. Ich fühlte mich sofort wohl. Man merkte, dass hier eine Frau im Haus war. Anders als bei Samu im Haus gab es hier auch viel Deko, Blumen und teilweise Gardinen an den Fenstern. „Du kannst es dir im Gästezimmer gemütlich machen“, sagte Helen und führte mich in einen schönen hellen Raum mit einem großen Bett, das auch locker für zwei gereicht hätte. „Bitte fühl dich wie zuhause. Nebenan ist auch ein Bad. Ich habe dir bereits frische Handtücher hingelegt. Wenn du etwas brauchst, sag mir Bescheid.“ Sie lächelte mich an und schien sich ehrlich über meinen Besuch zu freuen. Ich mochte sie sofort und musste an die Nacht des Konzerts denken, die Ria bei Riku im Zimmer verbracht hatte. Ich biss mir auf die Lippe. Das ging mich nichts an, deshalb beschloss ich, nichts zu sagen und es für mich zu behalten. Vielleicht ahnte sie ja auch, was Riku so machte, wenn er auf Tour mit den Jungs war.

„Danke, ich glaub, ich brauche nichts weiter. Wenn es ok ist, würde ich einfach gern ein bisschen allein sein“, sagte ich unsicher. „Aber klar, gar kein Problem. Komm Riku.“ Die beiden verschwanden in Richtung Flur und ich setzte mich aufs Bett. Ich fühlte mich leer und traurig, es war, als hätte jemand mein Herz in die Hand genommen und würde es langsam und qualvoll zusammenquetschen. Ich hoffte einfach, dass die nächsten Tage schnell vorbeigehen würden, bis mein Flug zurück nach Deutschland ging. Ich legte mich hin und rollte mich wie ein Baby zusammen. Voller Erschöpfung schlief ich ein.

...save me once again... (Anna & Samu Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt