3. Kapitel

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„Wir haben ja schon genug miteinander geweint und geredet, aber ich habe das Gefühl, dass ich eine Sache noch nie richtig sagen konnte: Danke!
Danke für die letzten Jahre. Danke, dass ich dich kennenlernen durfte. Danke, dass wir zusammen waren, das waren die schönsten Jahre meines Lebens. Sie haben mich verändert und sie haben mich zu dem gemacht, der ich jetzt bin. [...]
Viel wichtiger ist, bleib du, wie du bist. Ändere dich nicht wegen der Trauer oder weil irgendwer es von dir erwartet. Bleib so, wie ich dich immer geliebt habe. Bleib so lebendig, so wild, so mitten im Leben, so du."

Karin Vollmer, „Der Lehrer", Staffel 7, Folge 10, „... nimm dein Schwert mit!"

Geräuschlos öffnete Stefan die rote Holztür zu Fridas Kindergartengruppe. Ein kurzer Blick genügte, um ihm zu zeigen, dass ein Großteil der Kindergartenfreunde seiner Tochter noch schliefen. Am Maltisch saßen lediglich drei Kinder, wobei Frida mit ihren beiden geflochtenen Zöpfen, die vom Schlaf noch leicht zerzaust waren, auf dem Schoß von Amelie saß und er nur ihren Rücken sah. Seine Tochter kuschelte sich in die Arme der blonden Erzieherin und ihre Beinchen in ihrer rosa Leggings schwangen langsam hin und her. Ihre rosa Hausschuhe, auf denen ihr Name gestickt war, lagen noch auf dem Fußboden, weshalb er wusste, dass sie wohl gerade erst aufgewacht war.
„Schau mal, Frida. Dein Papa ist schon da, um dich abzuholen", flüsterte sie dem kleinen Mädchen zu. „Du bist aber früh, Stefan", wandte Amelie ihm ihre Aufmerksamkeit zu und begrüßte ihn.
„Frida und ich haben heute Nachmittag noch etwas sehr Wichtiges vor", erklärte Stefan, während er auf die beiden zukam.
Verschlafen drehte Frida sich zu ihm um und auf ihr müdes Gesicht zog sich ein zartes Lächeln: „Papi."
„Hallo, meine Maus", begrüßte er sie, hob seine Tochter mit Fridolin direkt in seine Arme und die beiden begrüßten sich mit einem Küsschen. Mit ihren Fäustchen rieb Frida sich schläfrig die Äuglein.
„Hast du gut geschlafen?"
Ein leichtes Nicken folgte und um ihre Aussage zu verstärken, gähnte das kleine Mädchen herzhaft und verbarg ihr Mündlein hinter ihrem Händchen. Danach klammerte sie sich mit ihren Ärmchen müde an seinen Hals, ihre Beinchen schlangen sich um seine Hüften und sie schmiegte sich an ihren Papa. Er schob sie vorsichtig auf seine Seite, sodass sie bequem mit ihrem Po auf seinem Unterarm saß.
Amelie stand auf, reichte Stefan die Hausschuhe und erkundigte sich bei Frida: „Was habt ihr denn heute noch vor?"
„Meine Mami hat heute Geburtstag."
In Amelies Hals bildete sich ein dicker Kloß, denn sie hatte Frida kennengelernt, als sie noch kein Jahr alt war und somit auch Karin. Die blonde, lebensfrohe Konrektorin war ihr direkt auf den ersten Blick sympathisch gewesen und trotz der nur kurzen Bekanntheit war ihr das Schicksal sehr nah gegangen. Sie erinnerte sich gerne daran, die Vertrautheit von Fridas Eltern beim gemeinsamen Bringen und Abholen zu sehen und wie Stefan seine Frau neckte, als er erzählte, dass Karin für die Auswahl des Kindergartens eine drei Seiten lange Liste mit Vor- und Nachteilen geschrieben hatte.
Während der Erkrankung ihrer Mama war Frida zu Hause geblieben und erst ein paar Wochen nach Karins Tod wieder zurückgekommen. Die zweite Eingewöhnung kostete Amelie und Stefan unglaublich viel Kraft, da sich Frida nach dem Verlust ihrer Mama nur sehr schwer von ihm trennen konnte. Die erste Zeit hatte sie beim Versuch einer Separation die komplette Gruppe zusammengeschrien, sodass Stefan in dieser besonderen Situation ein paar Stunden pro Tag mit seiner Tochter im Kindergarten verbrachte. Eine Trennung der beiden schien in dieser Zeit undenkbar und sie klammerte sich meistens Schutz suchend an seinen Hals, während die anderen Kinder ihn neugierig belagerten und zum Spielen aufforderten. Frida verfolgte dies ruhig von ihrem sicheren Ort auf seinem Arm und legte allmählich ihre Unsicherheit ab, sodass sie mit der Zeit die räumliche Trennung von Stefan langsam zeitlich steigern konnten, auch wenn der Abschied voneinander lange sehr nervenaufreibend und kräftezehrend war. Irgendwann ließ Fridas Zurückhaltung nach, sie fühlte sich auch ohne Papa wohl und fand ihren Platz und ihre Freunde innerhalb der Gruppe. Teilweise erstaunte sie jeden Tag ihre Betreuer mit ihren kessen Sprüchen, die sie eindeutig von Stefan hatte, wie Amelie mit der Zeit herausfand.
„Bis morgen, ihr zwei", verabschiedete sich die Erzieherin, was beide lächelnd erwiderten und sich von ihr abwandten.

Ohne dich neben mir ist die Welt ganz schön leiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt