𝕋𝕨𝕖𝕟𝕥𝕪-ℕ𝕚𝕟𝕖

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Minho war den restlichen Mittag über bei mir geblieben und hatte mich getröstet. Er hatte mir versichert, dass Beziehungen manchmal auch schwere Zeiten durchmachen mussten und dass ich nicht aufgeben durfte. Jeongin brauchte mich und gerade in diesen Zeiten war es wichtig, dass ich für ihn da war und sie mit ihm gemeinsam überstand. Das würde unsere Beziehung stärken und uns noch enger zusammenbringen, da war sich Minho sicher. Allerdings konnte auch er mir nicht sagen, wie lange diese Situation zwischen uns noch anhalten musste. Und das war der Grund, wieso ich meine Hoffnung immer mehr verlor.

Schließlich war Minho wieder nachhause gegangen und hatte Jisung eine kleine Nachricht hinterlassen, dass er sich doch bitte bei ihm melden sollte. Ich hatte ihm versprochen, dafür zu sorgen, dass mein kleiner Bruder diesen Zettel erhalten würde und blieb weiterhin auf dem Sofa sitzen, um auf einen der beiden zu warten. Normalerweise kam Jisung nämlich zu den Essenszeiten herunter und holten den beiden etwas, und da ich meine Hausaufgaben schon erledigt hatte, wartete ich mithilfe eines Films auf das nächste Mal, dass er herunter kam.

Und das geschah schneller, als ich erwartet hatte.

"Chan-Hyung? Ich muss mit dir reden. Über Jeongin", sprach mich mein kleiner Bruder an. Überrascht sah ich zu ihm und nickte leicht, ehe ich auf dem Sofa zur Seite rutschte und ihm einen Platz neben mir anbot. Kurz zögerte der Jüngere noch, aber dann setzte er sich neben mich und senkte sofort seinen Blick auf seine Hände. Er spielte mit seinen Fingern und wusste offensichtlich nicht, wie er anfangen sollte, weshalb ich ein mulmiges Gefühl verspürte. Das konnte doch niemals etwas Gutes bedeuten, oder?

"Was ist los?", fragte ich und forderte ihn somit dazu auf, endlich mit mir zu sprechen. Jisung biss sich leicht auf die Unterlippe und wandte seinen Blick ab, bis er endlich zu mir sah und mich entschuldigend abblickte. Dadurch wurde das schlechte Gefühl in mir nur stärker und ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich wirklich wissen wollte, was er mir zu berichten hatte.

"Ich habe in den letzten Tagen viel mit Jeongin gesprochen und ihn darum gebeten, dir zu sagen, was los ist... aber er hat mich jedes Mal angeschrien, dass du dich von ihm abwenden würdest, wenn du davon erfährst. Erst vorhin habe ich es geschafft, ihn davon zu überzeugen, dass zumindest ich es dir erklären darf, wenn er es schon nicht kann... und... deswegen möchte ich nun mit dir reden." Jisung hob langsam wieder seinen Kopf und sah mich an, doch ich antwortete auf seine Worte nicht. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

"Weißt du... Jeongin hat sein ganzes Leben lang schon Minderwertigkeitskomplexe. Das hast bereits früh bei ihm angefangen, immer wurden andere bevorzugt, er wurde von anderen fertig gemacht und die einzige Person, die ihn stets an erste Stelle gesetzt hat, war seine Mutter. Auch ich habe es nicht immer getan, weil ich nun einmal auch andere Freunde habe und so hat sich Jeongin immer mehr in sich zusammengekehrt. Er hat angefangen, eine Mauer aufzubauen und sich zu verstecken, er hat sich förmlich unsichtbar gemacht und er ist in einem tiefen Selbsthass versunken...

Und all die Zeit über habe ich es nicht bemerkt.

Mir ist nie aufgefallen, wie unzufrieden Jeongin mit sich ist. Er hasst sich selbst, er hasst seinen Körper und seinen Charakter. Seiner Meinung nach ist er nicht gut, für niemanden und er schadet den Leuten viel mehr, als dass er ihnen irgendwie hilft. Dadurch hat er auch Angst, sich dir gegenüber vollends zu öffnen... er glaubt, dass du dich von ihm abwenden wirst, weil er dir nicht genug ist. Weil er dich nicht so glücklich machen kann, wie du es tust. All die Zeit über kümmerst du dich so aufopferungsvoll um ihn und er kann nichts davon zurückgeben...

Das macht ihn fertig. Und das ist auch der Grund, weshalb sich Jeongin immer mehr vor dir verschließt", erklärte mir Jisung. Unsicher kratzte er sich am Hinterkopf, wohingegen ich nur schweigend auf meinen Schoß starrte. Warum hatte ich das nicht bemerkt? Warum war mir nie aufgefallen, wie sehr Jeongin damit zu kämpfen hatte, mit sich selbst zufrieden zu sein? Hätte ich das nicht als sein fester Freund früher bemerken müssen? Und ihm irgendwie helfen?

"Alles, was sich Jeongin stets gewünscht hat, ist, dir zurückgeben zu können, was du für ihn getan hast. Doch das kann er nicht, auch, weil du ihm nie eine Chance dazu gelassen hast. Darum... überlegt er, Schluss zu machen, was ich ihm sofort wieder ausgeredet habe. Er hat diesen Gedanken nicht, weil er dich nicht mehr liebt, sondern nur deswegen, weil er das Gefühl hat, dich nicht glücklich machen zu können. Egal, was du sagst. Er hat Angst vor deinen Blicken, fürchtet sich vor der Trauer in deinen Augen. Er weiß genau, wie schlecht du dich fühlst... aber er kann daran nichts ändern. Dafür braucht er unsere Hilfe. Unsere Liebe. Er muss anfangen, sich selbst zu lieben...

Und das geht erst dann, wenn wir lernen, ihn zu verstehen", fuhr Jisung fort und legte eine Hand auf meine Schulter. Wie benommen nickte ich, fragte mich, wie zur Hölle ich das schaffen sollte. Wie sollte ich Jeongin helfen, sich selbst zu lieben, wenn er mir nichts anvertraute? Das war doch unmöglich...

"Wir können das schaffen, Hyung. Wir brauchen nur beide Geduld, ja? Ich helfe dir dabei... aber am wichtigsten ist, dass du ihn mit jeder Faser deines Körpers liebst. Und dass du ihm das auch zeigst. Du darfst dich nicht von seinen negativen Gedanken abschrecken lassen, hörst du?", redete mein Bruder eindringlich auf mich ein. Wieder nickte ich, aber noch immer bezweifelte ich, dass ich das schaffen konnte. Dafür war meine Kraft zu sehr gewichen...

"Warum hat Hyunjin das getan...?", wechselte ich darum nun das Thema und hob langsam meinen Kopf. Wie ich Jeongin helfen wollte, wusste ich noch nicht, jedoch wollte ich damit anfangen, Hyunjin zur Rede zu stellen. Er musste sich unverzüglich bei meinem Freund entschuldigen. Das war bereits viel zu lange überfällig. Und wer weiß, vielleicht kannte Jisung mittlerweile den Grund für diese herzlose Tat.

Und scheinbar schien ich Glück zu haben, denn Jisung fuhr sich unruhig durch die Haare und wandte seinen Blick von mir ab. Er kannte den Grund ganz genau. Das wusste ich.

"Er... ist eifersüchtig auf Jeongin. In seinen Augen geht es Jeongin viel zu gut, er kann den Gedanken nicht abhaben, dass ausgerechnet er eine Beziehung führt. Weißt du, egal, mit wie vielen Mädchen sich Hyunjin anfreundet, von ihnen allen wird er gekorbt... er hasst Jeongin nicht wirklich, das ist alles nur wegen seiner Eifersucht. Nur deshalb hat er mich dazu gebracht, Jeongins Sexualität zu verraten."

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Colorless Rainbow ★ JeongchanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt