Smaragdgrüne Augen

19 1 2
                                    

Meine Mutter hat mir immer gesagt „Verlieb dich in die Augen eines Menschen, denn Schönheit verfliegt, doch die Augen bleiben immer gleich". Als ich 10 war hab ich das noch geglaubt. Geglaubt, dass man sich nur in Augen verlieben kann. Mit 15 Jahren habe ich aufgehört daran zu glauben. Doch mit 17 ist es passiert.

Ein neuer Schüler kam in meine Klasse – Kyle Harper. Er musterte die Schüler mit einem missbilligenden Blick, so dass alle Schülerinnen, die in eben noch angehimmelt hatten, schnell den Blick auf ihre Hände und Tische sinken ließen. Nur ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Er war so mysteriös mit seinen smaragdgrünen Augen, die sich in meine braunen bohrten. Es schien, als würde eine düstere Aura von dem Neuen ausgehen, und ich wollte wissen wer er ist. Seine Haare waren pechschwarz und an den Seiten kurz geschnitten, wodurch sein kantiges Gesicht gut betont wurde. Zu spät bemerkte ich, dass er auf mich zu kam. Allerdings lief er an mir vorbei, nur um sich hinter mir auf einen Stuhl fallen zu lassen. Wahrscheinlich war ich total rot geworden, weshalb ich schnell meinen Kopf senkte und meine hellbraunen Haare wie ein Vorhang vor mein Gesicht fielen. Zu meinem Glück fing kurz darauf der Unterricht an und ich musste nicht mehr an den schwarzhaarigen Gott denken.

In den darauffolgenden Wochen sah ich Kyle nur ab und zu im Unterricht, hörte ihn aber nie auch nur ein Wort sagen. Es war, als könnte er gar nicht reden, aber er bewies das Gegenteil an dem ersten Tag nach den Herbstferien. Ich hatte zu meinem Geburtstag ein T-Shirt von meinem Lieblingssänger geschenkt bekommen, welches ich an diesem Tag anzog. Als ich dann den Schulhof betrat, konnte ich sehen, wie Adam und seine Freunde, die alle in meiner Klasse waren, auf mich zeigten und laut lachten. Ich versuchte die Kommentare der Jungs zu ignorieren und einfach ins Schulgebäude zu gehen, aber Adam höchstpersönlich stellte sich mir in den Weg. „Na, Black, schickes T-Shirt." Selbstgefällig grinste er mich an. Zugegeben, das T-Shirt hatte einen sehr bunten Aufdruck, aber das war kein Grund es nicht mit 18 Jahren zu tragen. „Kümmere dich um deinen eigenen Kram, Hall." Ich wollte an ihm vorbei, doch er hielt mich am Oberarm fest. „Wir sind noch nicht fertig!", er klang schon fast bedrohlich während er mich mit seinem Blick erdolchte. „Oh, doch das sind wir!", erwiderte ich mit fester Stimme, was mich verwunderte, denn normalerweise war ich eher ruhig und hielt mich im Hintergrund. Halls Griff um meinen Arm wurde fester, so dass es anfing wehzutun. Ich war mir sicher, dass ein blauer Fleck zurückbleiben würde. Doch bevor die Situation ausarten konnte, mischte sich jemand ein.

„Lass sie los. Du tust ihr weh." Die Stimme kannte ich nicht. Sie war tief, irgendwie geheimnisvoll, aber beruhigend. Als ich mich umdrehte, um zu sehen, wer das gesagt hatte, erblickte ich smaragdgrüne Augen. Kyle Harper hatte gesprochen. Und zwar um mich zu verteidigen. Der gesamte Schulhof starrte zu uns - wohl eher zu Kyle. Vor Schock lockerte Adam seinen Griff, woraufhin ich meinen Arm befreite und ins Schulgebäude stürmte. Bloß weg von Kyle und Adam.

Nach dem Vorfall versuchte ich Kyle so gut es ging zu ignorieren, was sich als ziemlich einfach herausstellte, da er mich sowieso nicht beachtete.

Auch in den nächsten Wochen und Monaten war ich Luft für ihn. Ich hörte nie wieder etwas von ihm.

Das Gute daran war, dass ich mich auf meinen Schulabschluss konzentrieren konnte. Ich wollte einen möglichst guten Abschluss, um studieren zu können. Schließlich wollte ich Forensikerin werden.

Und diesen ziemlich guten Abschluss erhielt ich auch, zwar nicht als Stufenbeste, aber es reichte für das Studium. Allerdings trat ich dieses nie an.

Kurz nach meinem Abschluss hatten meine Eltern einen Autounfall. Ein unaufmerksamer Fahrer hatte eine rote Ampel übersehen und fuhr in das Auto meiner Eltern. Zum Glück wurde niemand ernsthaft verletzt, aber wir hatten das Problem, dass meine Eltern erst mal nicht in der Lage waren zu arbeiten, weshalb ich Geld verdienen musste. Die einfachste Lösung dafür war, das Café meiner Mutter weiter zu führen. Es war zwar nicht mein Traumjob, aber es war besser als nichts.

Je länger ich in dem Café arbeitete, desto mehr gefiel es mir dort. Die Stammkunden hatten sich schnell daran gewöhnt, dass ich die Leitung übernahm und meine Mutter sich erst mal im Hintergrund aufhielt. Doch sobald sie wieder einsatzfähig war, half sie mir.

Mittlerweile leitete ich das Café schon seit vier Jahren. Wir hatten in den Jahren einiges geändert. Die Einrichtung haben wir komplett erneuert und auch die Wände wurden neu gestrichen. Aus türkis wurde weiß mit vertikalen Streifen in verschiedenen Brauntönen. Die weißen Stühle wichen dunkelbraunen Sitzmöglichkeiten mit hellbraunen Polstern und Schnörkeln an der Lehne. Auch die Dekoration erweiterten wir. Jetzt hatten wir verschiedene künstliche Torten im Café verteilt und die Theke schmückten mehrere Schilder mit Sprüchen. Alles in allem sah es sehr gemütlich aus, was durch unsere Kundschaft bestätigt wurde, da sie uns fast täglich für unseren guten Geschmack lobte.

Die meisten Kunden kannte ich mittlerweile persönlich, doch ständig kamen neue hinzu. So auch heute. Der junge Mann mit breiten Schultern setzte sich an einen Tisch am Fenster und während er die Karte durchblätterte, machte ich mich schon mal bereit die Bestellung aufzunehmen, da unsere Aushilfe Lara gerade an einem anderen Tisch beschäftigt war. Da der Mann die Karte soeben zugeschlagen hat, machte ich mich auf den Weg zu ihm und blieb vor ihm stehen. „Was kann ich Ihnen bringen?", fragte ich höflich. Dann schaute ich auf und mir stockte der Atem. Die selbe düstere Aura, die selben schwarzen Haare - nur etwas länger - und die selben smaragdgrünen Augen.

„Hi."

Smaragdgrüne AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt