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Als ich die Tür zur Kanzlei aufstoße, werde ich mit Applaus begrüßt. Mein Chef, Herr Weidner, klopft mir auf die Schulter und unsere Sekretärin fällt mir freudestrahlend um den Hals. "Gut gemacht, Frau Voss, ich wusste, dass ich auf Sie zählen kann. Lassen Sie uns ein Treffen mit allen Seniorpartnern vereinbaren, um zu besprechen, wie es mit Ihnen weitergeht." Endlich spricht Herr Weidner offiziell aus, was ich mir schon lange wünsche. Durch den Flurfunk ist zwar schon einiges bei mir angekommen, es aber aus seinem Mund zu hören macht mich noch stolzer. Strahlend bejahe ich dies und gehe in Gedanken meinen Terminplan durch.

Für mich ist es fast unglaublich, dass ich diesen Prozess gewonnen habe. Das war mit Abstand der anstrengendste Mandant, den ich je getroffen habe. Der Typ gönnt seiner Ex-Frau nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln und es viel mir oft sehr schwer, ihn nicht einfach im hohen Bogen vor die Tür zu setzen, wenn er wieder einmal eine seiner Hassreden gegen seine Ex hielt. Aber ich habe die Zähne zusammen gebissen und gewonnen. Mein Gewissen stelle ich für den Moment hinten an und genieße den herzlichem Empfang in der Kanzlei.

Mark, einer der Juniorpartner, drückt mir ein Glas Champagner in die Hand. "Na dann darf ich dich wohl bald in unserer Etage begrüßen. Um ehrlich zu sein hatte ich mich anfangs gewundert, warum Weidner dir den Fall überlässt und nicht einen von den Partnern, aber scheinbar war es wohl wirklich ein letzter Test, bevor er dir die Partnerschaft anbietet." "Danke", murmle ich. Mark klopft mir auf die Schulter. "Und heute Abend wird gefeiert! Wir gehen nach der Arbeit alle ins Cult. Komm mit, das muss einfach begossen werden!" Strahlend lächelt er mich an. Lust habe ich eigentlich wenig, aber warum nicht. "Okay", willige ich ein. "Ich fahre nur vorher kurz nach Hause, mache mich frisch und bring meinen Wagen schon mal in die Garage. Dann komm ich gern nach." "Klasse!", Mark klatscht in die Hände und verschwindet in die obere Etage.

Agnes, unsere Sekretärin, kommt zu mir herüber geschlendert. Auch sie hält ein Glas Champagner in der Hand. "Großer Sieg, hm? Weidner lässt mich einen Termin raussuchen, an dem du dich mit den Seniorpartnern triffst. Glückwunsch, ich wusste das du es schaffst!" Agnes war wirklich die gute Seele der Kanzlei. Ohne ihre aufbauenden Worte wäre wir mir vieles nicht so gelungen und ich wäre noch immer nicht an dem Punkt, eine Partnerschaft bekommen zu können. "Danke, Agnes, wirklich, für alles." Ich drücke sie kurz an mich und verschwinde dann in mein Büro.

Als ich meinen Laptop aufklappe, checke ich als erstes meine E-Mails. Nichts spannendes dabei. Also drehe ich mich um, um mir den ersten Ordner mit meinen Mandaten rauszuholen und eventuelle Terminierungen zu checken. Puh, das ist doch deutlich mehr, als ich dachte. Der Fall hat mich echt in Anspruch genommen. Ich gehe die Akten kurz durch und bearbeite die dringenden Fälle sofort, den Rest verschiebe ich auf morgen.

Als ich auf die Uhr schaue, erschrecke ich fast. Der Rest des Tages ist im Nu verflogen und ich muss jetzt wirklich langsam nach Hause, um mich für heute Abend noch etwas frisch zu machen. Also schnappe ich mir meine Tasche, werfe meinen Mantel über und verlasse das Büro. Beim Rausgehen gucke ich Agnes fragend an: "Bis gleich?" "Klar, Schätzchen, ich lasse doch keine Party aus!" Ich muss etwas schmunzeln, Agnes war wirklich eine richtige Partymaus und wahrscheinlich der einzige Mensch auf dieser Welt, der am nächsten morgen trotzdem atemberaubend aussah. Ich winke ihr zu und verlasse das Gebäude. 

Als ich auf die Straße trete frage ich mich, wo der schöne Herbsttag nur hin ist. Mittlerweile dämmert es und die Luft ist feucht und kalt. Ich schlinge meinen Mantel fest um mich und laufe schnellen Schrittes zu meinem Auto. Standheizung, Jackpot! Schnell schlüpfe ich in das warme Auto und mache mich auf den Weg nach Hause. Langsam kommt etwas Vorfreude auf und ich fahre ein weniger zügiger wie gewohnt.

Lass mich raus!Where stories live. Discover now