~ Kapitel 20: Gefühle ~

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~ Ophelia ~

„Na, bist du endlich wach?"

Langsam öffne ich meine Augen und suche nach der rauen Stimme, die eben zu mir gesprochen hat. Ich befinde mich in einer kleinen Kammer, nicht größer als zwei Meter in alle Richtungen. An den Wänden stehen Regale, die allerdings leer zu sein scheinen.

„W-wo bin ich? Und... wer seid Ihr?"

Kaum habe ich die Frage gestellt, erkenne ich es selbst: Irina höchstselbst sitzt mir gegenüber auf einem umgedrehten Holzeimer.
Sie lacht kurz.

„Oh je, dir hat es ja ziemlich den Verstand vernebelt. Obwohl ich kaum erwartet hätte, dass du wieder zu dir finden würdest."

Verwirrt blicke ich sie an. Dann aber fällt mir das Symbol auf meiner rechten Handfläche ein - das Wappen der Draken!
Schnell blicke ich es an, dann zu Irina, die mich mit verschränkten Armen ansieht. Ein zartes Lächeln umspielt ihre Lippen.

„Ihr... ich... aber... wieso...?"

Sie seufzt und reicht mir einen Lederbeutel, in dem sich scheinbar Wasser befindet.

„Trink erstmal, du kannst es gebrauchen."

Ich nehme das Angebot an und leere den Beutel in Windeseile.

„Um es kurz zu fassen: Du bist eine der Draken. So wie die anderen Menschen wurdest du mit dieser Pest verseucht. Ich vermute, dass du mit deren Blut in Berührung gekommen bist, was?"

Ich erinnere mich an den ersten Kampf mit einem solchen Dämon. So oft, wie ich auf ihn eingestochen habe... es kann gar nicht anders sein.

„Weißt du... normalerweise verändern sich Menschen sehr schnell durch diese Magie. Sie werden zu Bestien. Und ich habe sie bisher sofort getötet, sobald ich dieses Emblem gesehen habe. Doch du bist anders."

„Anders?"

Ich mache große Augen. Was soll an mir schon anders sein?

„Du bist noch du. Noch dazu strahlst du eine andere Aura aus. Zwar spüre ich einen Hauch von Magie, doch nicht wie bei deinen Freunden. Vielleicht besteht ja Hoffnung, dass du dich nicht veränderst, wer weiß?"

Ihr Tonfall sagt mir alles: Sobald ich nur den kleinsten Fehltritt mache, bin ich tot.

„Außerdem... möchte ich nur ungern meine eigene Familie töten, wenn es nicht sein muss."

Sie steht auf und verstaut den Lederbeutel.

„Was... redet Ihr denn da?"

Irina lächelt.

„Ach, wusstest du das nicht? Ich bin deine große Schwester. Zwei Jahre vor Somin kam ich zur Welt, doch aus irgendeinem Grund verstieß mich unsere Mutter."

Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen.

„Das glaubt Ihr doch selbst nicht!"

Wieder lächelt sie. Doch es sah nicht amüsiert aus. Eher... bitterlich.

„Das ist auch der Grund, warum Vater mich im Schwertkampf unterrichtete. Er wollte es wieder gutmachen und für seine erste Tochter da sein."

Hastig schüttele ich mit dem Kopf.

„Niemals! Dann hätte er es mir doch ebenso lehren können!"

Sie spielt mit einer ihrer blonden Haarsträhnen.

„Eben nicht. Nachdem er gesehen hat, was aus mir geworden ist, nicht. Sicher hat er es bereut, als ich ihm das Schwert zwischen seine Augen stach."

Drachenblut - Der erste TropfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt