Kapitel 25 - Ein gefährliches Großväterchen

28 2 2
                                    

Er hatte tolle Hände. Warm und ein bisschen rau vom vielen Fechten.

So schwebten wir im Takt zur Musik durch den Saal und ich konnte nicht anders als zu lächeln. In weiten Kreisen tanzten wir um die anderen Paare herum, tauschten die Partner und trafen uns dann in der Saalmitte wieder. Dabei ließ er mich kein einziges Mal aus den Augen. Jedenfalls fühlte es sich so an. 

Oh Gott, solche Augen gehörten verboten! Mein Atem ging viel schneller als sonst (Es war aber auch stickig hier!) und meine Kehle war staubtrocken. 

Dann, viel zu schnell, war es vorbei und wir nahmen wieder unsere Ausgangsposition ein. Ich sah schüchtern zu Lord Salverton auf. Er hatte seinen Mund geöffnet, als wolle er etwas sagen, doch dann fixierten seine Augen einen Punkt hinter mir und seine Miene wurde finster. »Guten Abend, Mylady.« 

 Die Stimme war tief und samtig. Eigentlich sehr angenehm, aber irgendwie löste sie ein unwohles Gefühl in mir aus, durch das sich die Härchen auf meinem Unterarm aufstellten. Ich drehte mich um und entdeckte einen hochgewachsenen Mann mit tief liegenden Augen und pechschwarzen Augenbrauen. Er musste um die siebzig sein, vielleicht auch älter, und hatte die Lippen über dem üppigen Doppelkinn zu einem schmalen Lächeln verzogen. »Guten Abend, Mylord«, sagte ich zögernd. »Ich glaube wir sind einander noch nicht vorgestellt worden.«

 »O Verzeihung«, sagte er. »Wie manierlos von mir. Lord Salverton, wärt Ihr so freundlich?« Überrascht runzelte ich die Stirn. »Ihr kennt euch?« Der Lord hatte sich neben mir merklich versteift. »Kann man so sagen. Darf ich vorstellen: Der Graf von Huntington.« Sein Tonfall war unergründlich, aber auf jeden Fall nicht erfreut. Woher die beiden sich auch immer kannten, befreundet waren sie nicht. 

»Euren Namen kenne ich natürlich, Mylady.« Er lächelte leicht. Dabei sah er mich so durchdringend an, dass ich mich am liebsten weggedreht hätte. »Auch wenn ich euch mir anders vorgestellt hatte«, fügte er hinzu. »Anders? In wieweit?« 

Er zuckte leicht mit den Schultern. »Anders eben. Aber der gute Ikarus war schon immer für eine Überraschung gut. Nicht wahr?« Wer war Ikarus? »Was wollt Ihr hier?« 

Ich war ein bisschen erschrocken über die Kälte in Lord Salvertons Stimme. Die beiden schienen wirklich ein großes Problem miteinander zu haben. Jedenfalls er mit dem Grafen. Umgekehrt war ich mir da nicht so sicher. Der alte Mann klang regelrecht amüsiert. »Ich wurde eingeladen« erklärte er schlicht und wandte sich dann an mich. 

»Eure Mutter ist wirklich ganz reizend. Sehr zuvorkommend und eine ausgezeichnete Gastgeberin.« Bevor ich etwas darauf erwidern konnte hatte der Lord schon wieder das Wort ergriffen. Darüber war ich ganz froh. Ich hätte ohnehin nicht gewusst was ich hätte sagen sollen. »Seid Ihr allein hier?«, blaffte er und sah sich im großen Saal um. Ich tat es ihm gleich, obwohl ich keine Ahnung hatte wonach wir Ausschau hielten. Huntington seufzte tief. »So gut wie. Mein Assistent begleitet mich, allerdings sieht es so aus, als wäre er gerade abgelenkt.« Er nickte angewidert zu einer der Nischen, wo sich gerade ein dünner Mann mit hübschem Milch-Buben-Gesicht mit einer Frau unterhielt, die verzückt kicherte und ihn mit großen Augen anschmachtete. Was konnten ein Greis und ein höchstens zwanzigjähriger Junge bloß getan haben, dass Lord Salverton auf diese Weise reagierte? 

Ich beugte mich neugierig zu ihm und raunte mit gesenkter Stimmte: »Könntet Ihr mir bitte erklären, was hier vor sich geht?« Lord Salverton sah mich nicht an. Stattdessen ließ er seinen Blick auf Huntington ruhen. »Der Graf ist der aktuelle Anführer des Gallagher-Clans.« Huntington deutete eine Verbeugung an. »Zu ihren Diensten.« 

»Wollt Ihr damit sagen, er ist ein...Vampir?« Das letzte Wort flüsterte ich fast. Huntingtons belustigter Miene nach zu urteilen, musste ich dabei äußerst verängstigt ausgesehen haben. Er beugte sich verschwörerisch zu mir und raunte: »Keine Sorge, Mylady, ich habe bereits gegessen.« Ich bekam eine Gänsehaut. »Wie kommt es dann, dass Ihr einander kennt?«, fragte ich mit bemüht fester Stimme. Sonst schienen die Nachtwächter immer so großen Wert darauf zu legen, ihre Identitäten geheim zu halten, aber Huntington kannte Lord Salverton sogar bei seinem richtigen Namen. »Vor zwei Jahren haben sich abgesandte der Vampire mit einigen Nachtwächtern getroffen«, begann der Graf. »Wir wollten über eine friedliche Lösung des Konflikts diskutieren. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass wir zu keinem Ergebnis kamen. Euer Collier ist wahrlich exzellent, meine Liebe. Was wollt ihr dafür haben?« 

Wie bitte? Ich runzelte die Stirn. »Für mein Collier?« Er nickte langsam und betrachtete fasziniert meinen Ausschnitt. »Ganz recht. Ich sammle schöne Dinge, müsst ihr wissen.« Der alte Mann sandte wirklich widersprüchliche Signale aus. Einerseits gruselte es mich allein bei seinem Anblick, andererseits konnte ein Schmuck-liebendes Großväterchen wohl kaum die Art Mordmaschine sein, für die ich Vampire normalerweise hielt. »Ich fürchte das ist nicht verkäuflich.« Er stieß einen bedauernden Laut aus. »Wie überaus schade. Wirklich ein Jammer. Aber die Welt ist eben ungerecht, nicht wahr?«

Lord Salverton verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum seid Ihr wirklich hier?« Er knurrte beinahe, aber davon ließ sich der Graf nicht einschüchtern. Er nahm sich seelenruhig ein Glas Wein von einem Tablett und lächelte. »Ich möchte Euch zum Dinner einladen. Euch beide versteht sich.« 

»Warum?« 

»Warum nicht? Ich würde eure Verlobte gerne besser kennenlernen, ist das so verwerflich? Schließlich seid Ihr mein Lieblingsnachtwächter.« Fast hätte ich ein bisschen gelacht, aber Lord Salvertons scharfe Stimme ließ mich zusammen zucken. »Hört mit der Heuchelei auf! Ihr wollt die Nachtwächter ausspionieren, wie immer.« Das spöttische Lächeln war aus dem faltigen Gesicht verschwunden und hatte einer ernsten Miene Platz gemacht. Er senkte die Stimme und erinnerte mich in diesem Augenblick sehr an einen Wolf. »Mein lieber Lord Salverton«, sagte er. »Wir beide wissen, dass wir uns nicht so unähnlich sind, wie es den Anschein haben mag. Jeder von uns würde alles nötige für das tun, was uns richtig erscheint.« Einen Moment lang ließ er seinen Blick noch auf ihm ruhen, dann entspannte sich sein Gesicht wieder und er hob zum Abschied das Glas. »Wenn Ihr eure Meinung ändert, wisst Ihr ja wo Ihr mich findet. Einen angenehmen Abend noch.« 

Dann wandte er sich vor uns ab und sah nach seinem Assistenten, der mittlerweile von nicht weniger als drei Frauen gleichzeitig umringt war. »Adam!« rief er ungeduldig und murmelte dann mehr zu sich selber: »Die Unfähigkeit in Person.«



Die sterbliche BaroninWo Geschichten leben. Entdecke jetzt