Er war allein zu Hause. Es war das erste mal, dass er allein zu Haus war. In dieser neuen Wohnung, die ihm ganz und gar nicht gefiel. Sie war viel kleiner als die, in der sie vorher gewohnt hatten. Auch sein Kinderzimmer war um einiges kleiner als sein altes. Er wollte wieder zurrück. Zurrück zu seinem alten zu Hause, zurrück zu der warmen Geborgenheit, zu dem vertrauten, zurrück zu seinem Vater.
Seine Mutter war nun nur noch selten daheim. Aber dies war das erste mal, dass sie Nachts nicht da war. Sie war gerade eben gegangen, mit diesem fremden Mann, den er nicht leiden konnte und auch nicht Verstand warum seine Mutter ihn so gern hatte. Aber er musste sich wohl mit ihm abfinden.
Er war gerade dabei zu Abend zu essen. Ein Komisches Gefühl, so ganz alleine dazusitzen und zu essen. Ohne seine Mutter, die beim Abend Brot immer mit ihm redete und sie dieses Spiel spielten bei dem sie sich gegenseitig Cornflakes in den Mund warfen. Sie hatten immer sehr viel gelacht. Doch jetzt war alles anders. Keine Mutter, keine Spiele, kein lachen. Nur diese unvertraute Wohnung, die ihm trotz heller Erleuchtung dunkel und unbehaglich erschien und er wie er in dieser erdrückenden Stille in seinen Cornflakes rumstocherte. ,,Irgendwie haben die keinen Geschmack", dachte er sich und rutschte aus seinem hölzernen Kinderstuhl, nahm die Schüssel mit den inzwischen fast in der Milch aufgelösten Cornflakes, schlurfte zur Spüle und schüttete sein restliches Essen in den Ausguss. Dann stand er noch eine Weile gedankenverloren vor dem Becken und sah den paar cornflakes zu die noch in der Spüle schwammen.
Er hatte keine Ahnung was er nun machen sollte. Sonst hatte er mit seiner Mutter nach dem Abendessen noch ein Brettspiel gespielt oder einen Film angeschaut. Ihm war nach weinen zu Mute, er wünschte sich seine Mutter zurrück. Er konnte nicht glauben, dass sie mit diesem Mann mehr Spaß hat als mit ihm. Sie lachte doch immer so viel mit ihm. Mit glasigen Augen und bebender Unterlippe setzte er sich auf den Sessel, den sie aus ihrer alten Wohnung mitgenommen hatten. Er war das einzige, was ihn hier an zu Hause erinnerte. Mit dem Gesicht an die Decke gerichtet saß er nun da und bemerkte, dass, wenn er mit seinen tränenunterlaufenden Augen in das Licht der Deckenlampe schaute, er die Lichtstrahlen sehen konnte und sie intensiver werden wenn er die Augen zusammen kniff. Sein Blick viel nun auf den Ventilator, der dort an der Decke über der Tür zum Wohnzimmer hing und sah im zu wie er sich kontinuierlich um die eigene Achse drehte. Da fiel ihm die Fernbedienung für den Ventilator ein, die neben ihm auf dem Tischchen lag und griff nach ihr. An dem Rädchen konnte er die Stärke des Ventilators einstellen. Er drehte es langsam auf und sah ihm ein wenig fasziniert zu wie er immer stärker drehte und drehte ihn nach und nach auf Maximum auf und erschrack als der Ventilator ein hohes, fast schon bösartiges Fiepen von sich gab. Hektisch drehte er an dem Rädchen um ihn wieder runterzufahren und erstarrte vor Schreck als er aus dem Augenwinkel die dunkle Gestalt sah, die dort ganz deutlich in der Tür unter dem Ventliator in seine Richtung gewandt stand. Er sah es nur sehr kurz denn als er hinschaute war sie schon wieder weg. Kreidebleich und regungslos saß er gespannt wie ein Bogen in dem Sessel und starrte in die offene Tür doch konnte in der Düsternis dahinter nichts erkennen. Ihm fiel auf dass es der einzige Raum war in dem er das Licht nicht angemacht hatte und war sich sicher dass es noch da war, in der Dunkelheit und lauerte bis er hinging um nachzusehen. Oder war es nur Einbildung?
Für einen Moment, der ihm wie eine Ewigkeit vorkam, fühlte er sich komplett außerstande sich zu bewegen. Die Angst hatte seinen Körper eingefroren und er hätte nicht mal schreien können. »Mama wo bist du ?«, dachte er in seiner panischen Verzweiflung. »Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt um nach Mama zu schreien«, sagte er sich und widersetzte sich seiner Angst und seinem Verstand, der ihm sagte, dass "Es", was immer es war noch da im Wohnzimmer in der Dunkelheit war und stand auf. Den Blick stets auf die Tür und der dahinter liegenden Schwärze gerichtet, ging er zur Anrichte der Küche und nahm sich das große Brotmesser. Es war sehr Scharf, dass wusste er aus eigener Erfahrung. Er nahm es so fest in die Hand, dass der Griff ihm in der Handfläche wehtat und ging ängstlich aber bedacht zu der Tür mit dieser unheilverkündenden teuflischen schwärze. Es kam ihm vor als würde er freiwillig in den Schlund eines riesigen Ungeheures gehen und er fragte sich ob er wirklich dort hinein wollte oder gleich seine Mutter anrufen sollte. Aber die wäre nur genervt, wenn er sie wegen eines falschen Alarms herbestellen würde. Er musste der Sache erst selbst auf den Grund gehen. Es war wie in diesen Gruselfilmen, die er sich manchmal heimlich ansah, die anderen glaubtem dem der das Monster oder das Gespenst als erstes sah nie. Also nahm er all seinen Mut und ging mit unsicheren Schritten weiter, das Messer vor sich gehalten.
Er stand nun an der Türschwelle, direkt vor der Dunkelheit. »Der Lichtschalter!, Wo war der Lichtschalter ?!« Ängstlich griff er in die Dunkelheit hinein und tastete an der Wand herum. »Wo bist du blödes Ding ?!« Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen...,während er hier in der Tür stand und immer weiter in den dunklen Raum rein ging um nach dem Lichtschalter zu tasten, stand die dunkle Gestalt mitten im Raum, sah ihn an und lief züging in stocksteifem Gang auf ihn zu. Es war wie eine grausame Gewissheit, die plötzlich ihn wie ein stromschlag durchfuhr. Er schrie auf und rieb nun panisch beide Hände über die Wand, vergebens, er fand ihn einfach nicht und die Gestalt war schon fast bei ihm, er konnte es Spüren, wie es hinter ihm stand und sank verzweifelnd mit einer Mischung aus schreien und schluchzen an der Wand zusammen, wobei er den offenbar niedriger als gedacht angebrachten Lichtschalter striff und der Raum erleuchtet wurde. Langsam drehte er seinen Kopf und schaute über seine Schulter zu der Gestalt. Doch da war keine. Er hätte schwören können sie gespürt zu haben, doch das Wohnzimmer war leer und aufgeräumt. Der Ruhe und Ordentlichkeit des Raumes misstrauend, stand er auf und sah sich im Wohnzimmer um, doch ihm fiel rein gar nichts auf. Es war einfach ihr Wohnzimmer. Er bückte sich um nach dem Brotmesser zu greifen und brachte es zurrück auf die Anrichte in der Küche. Unsicher ging er in der Wohnung auf und ab. Es war alles wie sonst, weit und breit keine mysteriöse Gestalt zu sehen. Die Atmosphäre der Wohnung war dadurch, dass in jedem Raum Licht an wahr scheinbar hell doch irgendwas war da noch. Er konnte nur nicht feststellen, was. Er sah zu der großen Küchenuhr hinauf sah, dass es schon spät war und wunderte sich, dass die Zeit so schnell vergangen war. Er beschloss einfach zu Bett zu gehen. Schnell putzte er sich die Zähne, zog seinen Schlafanzug an und ging in sein Zimmer, wo er seine Tür abschloss und die Rollladen zuzog. Nun schlüpfte er in sein Bett, machte das Licht aus, zog die Decke bis zum Kinn und lag angespannt im Bett. Von unter dem Bett tönte plötzlich ein leises aber deutliches Brummen, dass ihn in eine Angst versetzte, die er so noch nie zuvor erlebt hatte. Er sprang aus dem Bett, heftete sich an die Wand und lauschte. Doch das brummen war verschwunden. Misstrauisch und mit kreidebleichem Gesicht sah er zu seinem Bett herüber und ging darauf zu. Warum, wusste er auch nicht, es war gegen jede Vernunft aber er ging hin bückte sich vor das Bett und zog das laken weg um darunter zu schauen. Doch das einzige was er fand war sein altes Nokia Handy und er atmete heftig auf. Ihm fiel auf, dass er die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Er griff nach dem Handy und klappte es auf. »Eine neue Nachricht«, von seiner Mutter. Darin stand, dass sie bald zurrück sein wird. Ihm fiel ein riesen Stein vom Herzen, kurz nachdem ihm selbiges in die Hose gerutscht war. Erleichtert kroch er wieder in sein Bett zurrück. Er stand noch kurz auf um die Tür wieder aufzuschliessen als ihm bewusst wurde, dass seine Mutter komisch reagieren würde, wenn sie sah, dass er sich eingesperrt hatte. Er schloss seine Zimmer Tür auf und ging nun endgültig zu Bett und kuschelte sich mit dem warmen Gedanken, dass seine Mutter gleich da sein wird in seine Decke und schlief ruhig ein. Das war ungefähr zehn Minuten bevor er starb.