Kapitel 33: Keine Guten-Morgen-Geschichten

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Hermine schüttelte lächelnd den Kopf, musterte sein Gesicht und strich mit den Fingerspitzen sanft über seine Wangen und seinen Hals.
„Ich würde gerne wissen was dich so verändert hat...", sie sah ihn an als wäre er aus einer fernen Galaxie, als wären seine Augen mit sternenstaub geschmückt und sein Lächeln eine aufgehende Sonne im ansonsten dunklen Universum.
„Vielleicht wirst du es irgendwann herausfinden", flüsterte er, steckte ihr eine Strähne hinter das Ohr.
„Immer noch ein Geheimniskrämer...", sie schmunzelte, er legte seine Arme um sie, zog sie nach hinten und zog sie mit sich auf das Sofa, sie lag zwischen seinen Beinen, ihre Hände lagen auf seinem Bauch, sie stützte ihren Kopf darauf und musterte jeden Zug seiner Mimik.
„Das ist einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt", er suchte ihre Hände und verhakte sie mit seinen.
„Ich warte", versicherte sie ihm, legte ihren Kopf auf seinen Bauch und genoss das Gefühl, dass sie wirklich sehr vermisst hatte.
Seine Ausstrahlung, sein Geruch, seine Wärme, all das waren für Hermine ihr eigentlicher Zufluchtsort.
Nicht dieses Haus hier, das würde ihr just in diesem Moment klar, nicht ihre eigenen vier Wände; es waren die Arme dieses Mannes. Hermine wusste nicht genau, ob ihr diese Tatsache Angst machte, machen sollte oder sie sich einfach nur freute.
Vermutlich war es eine Mischung aus allem, für jetzt würde sie es genießen und auskosten.

In dieser Position schliefen sie schließlich ein, beide recht glücklich und zufrieden, als hätten sie etwas Wichtiges wiedergefunden und würden es auch nicht so schnell wieder hergeben.
Mitten in der Nacht wachte Severus auf, sie lag auf seinem Bauch, nahm tiefe ruhige Atemzüge, er schob seine Hände unter sie, nahm sie auf seine Arme, trug sie nach oben in ihr Schlafzimmer und legte sie sanft auf ihr Bett ab.
Einen Zauberstabschwenker später hatte er sie ausgezogen und ihr einen Pyjama angezogen, befreite sich selbst von seiner Kleidung, bis auf die Boxershorts und sein T-Shirt und legte sich ebenfalls zu ihr ins Bett.
Er lächelte als er sie musterte, strich über ihre Wange und ihren Hals, deckte sie zu schloss die Augen und schlief ebenfalls wieder schnell ein.
Einige Stunden später wurde er von sanften Berührungen an seiner Hand geweckt, er öffnete langsam seine Augen, musste sich kurz an die Helligkeit gewöhnen und sah zu seiner Hand.

Filigrane weiche Finger strichen über sie, drehten sie, zogen Linien nach, verhakten sich mit seinen Fingern.
„Was machst du da?", fragte er verschlafen, sah sie an, sie hatte einen verträumten Gesichtsausdruck, kam aber wieder zurück, als er sie ansprach.
„Oh tut mir leid, ich war so in Gedanken.. ich wollte dich nicht wecken.", sagte sie schuldbewusst.
„Du musst dich nicht entschuldigen", er schloss die Augen, verschränkte einen Arm hinter seinem Kopf, „woran hast du gedacht?"
„An die Zukunft", sie richtete den Blick von seiner Hand an die Decke.
„Macht dir die Zukunft Angst?", fragte interessiert.
Sie überlegte kurz, nickte dann langsam, „ja."
„Warum?", er öffnete den Augen, sah sie an und wartete.
„Ich weiß nicht was ich machen soll... soll ich studieren oder arbeiten? Bekomme ich irgendwann Kinder, werde ich heiraten? Ich war noch nie so planlos in meinem Leben, wir hatten immer ein Ziel vor Augen. Eigentlich war mein oberstes Ziel immer den Abschluss in Hogwarts zu machen."
„Du bist noch so jung, du wirst deinen Weg finden.", er strahlte so eine Überzeugung aus, dass Hermine ihm aufs Wort hätte glauben können.
„Wie kannst du das sagen? Du wusstest bestimmt sofort was du machen willst...", sie schüttelte leicht den Kopf.
„Weil ich dich kenne... du hast immer alles geschafft, was du dir in den Kopf gesetzt hast. Du hast im zweiten Schuljahr einen perfekten Vielsafttrank gebraut... in der Mädchentoilette... was mich angeht... ich hab einige Jahre verschwendet... vor allem, um mit Lucius Schrecken zu verbreiten. Wir haben unser Todesser-Leben in vollen Zügen genossen... und viele schlimme Dinge getan. Ich bin zurück nach Hogwarts gegangen nachdem ich Trelawneys-Prophezeiung an Voldemort verraten hab... ich habe studiert, relativ schnell und erfolgreich. Dumbledore hat mir die Stelle freigehalten, nachdem Slughorn sich in die Rente verabschiedet hatte...", er schmunzelte am Ende, Slughorn war ein ganz eigene Art von Professor.
Die Abende des Slugclubs, bei denen Lily jedes Mal teilnahm, ebenso wie Severus, aber nur einmal, die Teilnehmer, mit Ausnahme von Lily, waren nicht wirklich sein Geschmack, seine Vorliebe für Butterbier und Met, für Süßigkeiten und besondere Talente in den Reihen der Schüler. Er war ein guter, sehr fähiger Professor, aber Severus hatte ihn all die Jahre belächelt für seine liebevolle freundliche Art.
„Was hast du mit Lucius gemacht?", fragte sie vorsichtig, wandte den Blick zu ihm.

„Das willst du nicht wissen.", er lächelte schief.
„Doch, ich möchte es wissen...", sagte sie fest, er atmete tief durch, sein Blick verfinsterte sich, als er an seine Vergangenheit dachte, es waren zu viele schlimme Dinge gewesen, die er getan hatte.
„Ich glaube, wenn ich dir das erzähle, dann siehst du mich mit anderen Augen.", sagte er leise, löste seinen Blick und sah auf seine Decke.
„Ich werde dich umso mehr schätzen... wenn du so schlimm warst, wie du sagst, dann ist der Sprung zu diesem Severus in meinem Bett ein noch größerer... du verdienst nur Respekt.", versuchte sie ihn zu überreden.
„Hermine...", er schüttelte den Kopf, „Lucius und ich waren grausame Anhänger und wir haben es geliebt... wir haben gefoltert, misshandelt und... vergewaltigt... das sind keine Guten-Morgen-Geschichten.", gab er schuldbewusst zu, „Die Menschen haben angefangen zu zittern wenn sie nur unseren Namen gehört haben... wir dachten, wir beherrschen die Welt, dass uns alles gehören würde, dass wir das einzig Richtige tun. Im Sinne vom Dunklen Lord...", er schnaubte auf, „so vieles, was ich nie wieder gut machen kann. Ich habe mich an dem Tag vom Dunklen Lord distanziert als er die Potters getötet hat... ich hab gebeten und gebettelt, er möge Lily verschonen... wenigstens Lily... als ich von ihrem Tod erfahren hab, ist mir bewusst geworden, dass er ein grausames, seelenloses Monster ist, das keine Gnade kennt..", sagte er rau.
„Glaubst du Lily hätte dieses Leben führen wollen? Mit dem Wissen, dass ihr Sohn und ihr Mann tot sind und du dafür verantwortlich bist?", fragte Hermine traurig.

Ihre einfache Frage versetzte ihm einen Stich ins Herz, daran hatte er nie wirklich gedacht, aber vermutlich hatte sie recht, „sie hätte mich getötet", sagte er bitter, strich sich durch das Gesicht und atmete durch.
Hermine setzte sich auf, musterte ihn, sah ihn traurig an, „du hast wirklich jemanden vergewaltigt?", fragte sie nach einer Weile, sie konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass er dazu im Stande war.
Er nickte langsam und schluckte, traute sich nicht sie anzusehen.
„Wer war sie?", wollte sie wissen.
„Irgendein Mädchen", sagte er kurz und knapp, sie merkte deutlich, dass er nicht mit ihr darüber reden wollte.
„Tut mir leid, dass ich dich danach gefragt hab", sie nahm seine Hand und hielt sie fest.
„Das ist dein gutes Recht mehr über mich wissen zu wollen... es sind nur.. schlimme Erinnerungen, die ich nicht gerne nochmal erlebe.", erklärte er, er schämte sich in Grund und Boden für das, was er getan hatte und er wusste, dass er es nie wieder gut machen könnte.
Sie rutschte zu ihm, legte sich langsam hin, streichelte seine Wange, er sah sie perplex an, er hatte ihr gerade gesagt, dass er ein Mädchen vergewaltigt hatte zusammen mit Lucius und sie akzeptierte es, legte sich sogar noch zu ihm.
„Ekelst du dich nicht?", fragte er verwirrt, suchte ihren Blick.
„Vor dir?", fragte sie ebenso verwirrt, er nickte, „Warum sollte ich?", wollte sie laut wissen, noch bevor er antworten konnte fiel sie ihm ins Wort, „Das ist Vergangenheit, du hast dich so sehr verändert, du siehst deine Fehler, du bereust sie. Was kann man von einem Menschen mehr erwarten? Wie viel Veränderung kann ein Mensch durchleben?"

Diese Perspektive hatte er noch nie gesehen, er hatte immer nur das Schlechte an sich gesehen, hatte das Gute und die Veränderungen in ihm immer als nebensächlich abgestempelt.
Sie zeigte ihm eine neue Sichtweise, verstärkte seine Veränderung, schätzte sie, zeigte ihm nichts als Verständnis und Akzeptanz.
Er sah nach oben, atmete laut aus, legte seinen Arm um sie und drückte sie zu sich.
„Hab ich etwas falsches gesagt?", fragte sie unsicher.
„Du hast noch nie etwas falsches gesagt...", gab ihr einen Kuss auf den Kopf, schloss die Augen, genoss die unschuldige Kuschelei.

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