7 | How to run from the mess you made.

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Meine Finger legten sich um die kühle Türklinke und drückten diese nach unten, sodass sich sie durch den Druck öffnen und einen Blick in das Innere des Zimmers werfen konnte.

Wo während des Aufschlagens der Tür Stille geherrscht hatte, schlugen mir nun allerlei Stimmen entgegen. Scheinbar hatte man sich davon überzeugt, dass es sich bei mir nicht um eine Lehrkraft, sondern eine weitere Schülerin handelte.

Ich steuerte auf die hinterste Ecke des Raums zu, um mich an dem Tisch niederzulassen, der auch im letzten Schuljahr mein Platz gewesen war.

Zum ersten Mal seit dem Betreten des Schulgeländes spürte ich nicht die belustigten oder mitleidigen Blicke der Anderen auf mir.

Für sie hatte in dem Moment meiner Ankunft nur gezählt, ob mit mir der Unterricht losgehen und ihre Ferien offiziell beendet sein würde, oder ob ich für sie belanglos war. Die Ereignisse vom Wochenende schienen dabei keine Bedeutung zu tragen.

Das Schweigen flickte mein Herz Stück für Stück wieder zusammen und gab meinen Lungen Raum, sich entfalten zu können.

Schweigend nahm ich mein Journal aus meinem Rücksack und legte es gemeinsam mit meinem Mäppchen und einem Block auf den Tisch vor mir.

Gerade wollte ich auch mein Handy hervorholen, als ich aus dem Augenwinkel bemerkte, wie sich eine Person neben mir auf dem Platz niederließ und sich in meine Richtung drehte.

Herber Duft benebelte meine Sinne und machte mir unmissverständlich klar, dass es sich bei meinem Sitznachbarn nicht um Alaia handeln konnte.

„Hast du kurz Zeit, Cartia?" Seine Stimme war viel zu sanft für das, was er mir angetan hatte. Für die Schuld, die er auf seine Schultern geladen hatte und derer er sich vermutlich nicht einmal bewusst war.

„Ich habe Unterricht", presste ich auf seine Frage hervor. Meine Worte kamen gehetzt und angestrengt.

Meine Antwort war noch nicht verklungen, als unsere Lehrerin, Miss Bricks, den Raum betrat. In ihrem Schlepptau meine Freundin, die sich an den Tischen vorbeihuschte wie eine elegantes Tier.

Wärme durchflutete meinen Körper, nicht nur bei dem Anblick der Person, der ich neben meiner Familie am meisten vertraute, sondern besonders bei dem Anblick unserer Lehrerin, die sich daran machte, ihre schwere Tasche auf das Pult zu hieven.

Ich konnte zum ersten Mal in meinem Leben behaupten, dass ich glücklich darüber war, mit dem Unterricht beginnen zu können. Ich wollte die betretene Stille, die versteckte Langeweile und vor allem den Abstand zu Keane.

Während sich auf meine Lippen ein Lächeln stahl, presste Keane seine noch weiter zusammen, sorgte für eine weiße Färbung dieser.

Alaia kam hinter ihm zum Stehen, tippte mit dem Finger auf seine Schulter und sah ungeduldig zwischen ihm und dem Stuhl auf dem er saß hin und her. Das Zeitfenster, das man ihm gegeben hatte, um mit mir zu sprechen, wurde dadurch immer enger.

„Dann würde ich gerne nach der Stunde kurz mit dir sprechen, Cartia. Es ist wirklich wichtig." Er stemmte die Hände auf den Tisch und drückte sich nach oben, als würde er mehrere hundert Kilo wiegen.

Seine Augen fixierten mich und ich wusste, dass er nicht gehen würde, ehe er eine Antwort von mir erhalten hatte.

Bisher hatte ich seinen Blick gemieden. Hatte alles daran gelegt, mich nicht von dem Schimmern seiner Augen fangen zu lassen. Deswegen fiel mir auch erst in diesem Moment auf, dass sich dunkle Farben um seine Nase legten und kleine rote Punkte auf einen Bluterguss hinwiesen.

Es sah wirklich schlimm aus und ich fragte mich, ob er noch immer Schmerzen verspürte und ob Lennox ihm sie tatsächlich gebrochen hatte. Zu wünschen wäre es ihm.

„Das aus deinem Mund keine wichtigen und vor allem ehrlichen Worte kommen, hast du bereits eindrucksvoll bewiesen. Vielleicht solltest du deswegen darauf achten, welche Versprechen du gibst", murmelte Alaia genervt und zog mit diesem Spruch unsere Blicke auf sich.

Paralyzed | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt