Als Thyndiel mich kritisch anschaute, wusste ich, dass sich etwas geändert hatte. Es war ganz plötzlich gekommen, ohne Vorwarnung.
"Ich habe einen Namen", sagte der zuvor namenlose Elf, unsicher, ob das der Wahrheit entsprach. Das tat es. Ich wusste, dass die Kreatur mit den hellblonden Haaren nun Thyndiel hieß. Es war kein Name, den man einem kleinen Baby geben könnte, ohne dieses für sein Leben zu strafen, es war ein Name, wie er nur aus den Köpfen verrückter Fantasy-Leser kommen konnte. Ich selbst hatte dazu wohl auch einen Teil beigesteuert.
"Thyndiel." Der Elf lies sich den Namen nachdenklich auf der Zunge zergehen und als er kurz nickte und grinste, wusste ich, dass er den Namen nicht nur annahm, sondern ihn auch passend und angenehm fand. Ich war froh, schließlich es war der erste Kritikpunkt, den mir bereits zwei Wesen vorgeworfen hatten, dass ich mir keine Namen für sie ausgedacht hatte.
Doch Zalmion, wie der alte Mann nun hieß, machte ein ernstes Gesicht. "Die Anzeichen, für die Machtübernahme der Idee mehren sich", gab er seine Gedanken preis.
Auch meine Stimmung kippte sofort. Wie hatte ich den Wandel meines Lebens nur so schnell verdrängen können. Ich war umgeben von Fantasie-Wesen und hinter mir stand ein Haus, das an die Vorstellungen der allgemeinen Leserschaft, einer Fantasiewelt, angepasst worden war. Ich bekam Angstzustände. Ich wollte fliehen, wohin auch immer, denn es gab keine Hintertür, die aus dieser Geschichte hinaus führte. Zalmion hatte Recht, ich war der Fremde in der neuen Welt, alle anderen Menschen waren manipuliert worden, sie hatten die alte, richtige Welt vergessen.
Mir wurde alles zuviel und ich bahnte mir einen Weg durch die Menge, abermals spürte ich die Blicke in meinem Rücken. Viele von ihnen waren auf eine unheimliche Art mit mir verbunden. Ich war ihr Erschaffer, ihre Eltern hatten einen kleineren Beitrag zu ihrer Existenz beigetragen, als ich. Ich sollte mit diesen Erscheinungen nicht auf dem selben Planet leben, das sollten physikalische, logische Gesetze verbieten, doch die waren in diesem Buch, in das ich mich geschrieben hatte, stark abgewandelt worden.
Als ich dann vor der Tür stand, die mein mutiertes Haus mit dunklem Holz zierte, hatte ich keine Lust mehr, die alte Bude zu betreten. Das würde mich nur melancholisch machen. Ich brauchte etwas vertrautes, an das ich mich in diesem neuen Dasein klammern konnte.
Ich blieb stehen. Einatmen. Ausatmen. Konzentrieren. Die Welt ist nicht untergegangen, sie hat sich nur verändert, aber das tut sie sowieso schon immer. Schon immer haben Ideen diese Erde geformt, war es nicht das, was ich im ersten Teil angekündigt habe? Ich hatte immer gewusst, dass etwas umgeschrieben werden würde, dass ich seit Beginn dieses Buches dabei war, den Code der Physik neu zu programmieren.
Ich kletterte auf mein Fahrrad, das zu meinem Erstaunen noch Bestand hatte und fuhr los. Was mit meinem Auto in der Garage, die nun eine Holzhütte war, passiert war, wollte ich gar nicht wissen. Ich hatte eine Idee, was mir hier immer noch vertraut sein sollte. Unser Ort grenzt an ein kleines Waldstück und Wald gab es schließlich in jeder vernünftigen Fantasy Geschichte.
Meine Knöcheln wurden weiß, weil ich mich verzweifelt an den Lenker des Fortbewegungsmittels fest hielt. Es war ein warmer Sommermorgen, doch mir war kalt. Vorbeilaufende Mitbürger beäugten mein Fahrrad misstrauisch. Ich fragte mich, ob es wohl irgendwie der Macht der Fantasie entkommen war und Hoffnung keimte in mir auf. Vielleicht konnte diese Idee ja nicht alles überblicken und so ließ sie manche Dinge, wie sie waren. Ich könnte dann möglicherweise einen Ort finden, der nicht von diesem Schädling angegriffen worden war.
Als ich an meinem Ziel angekommen war, wusste ich zunächst einmal nicht, was ich nun als nächstes tun sollte. Ich stieg ab. Ich lief los. Ich wartete. Doch nichts passierte. Kein Monster kaum aus dem dunklen Dickicht des Waldes gesprungen und auch sonst störte mich niemand bei meinem Spaziergang.
Doch dann hörte ich Hufen auf dem Waldboden aufschlagen. Ein Reiter auf einem Pferd, das ganz und gar grau war, sah ich hinter mir herreiten. Als er näher kam, erkannte ich den alten Mentor des Elfen auf dem Pferd, der inzwischen Zalmion hieß. Er kam alleine und als er mich erreicht hatte, hielt er sein Pferd an. Entgegen aller Vernunft hatte ich gehofft, er würde an mir vorbeireiten. Ich seufzte und schaute in das faltige, weise Gesicht.
"Die Flucht hat noch selten zum Sieg verholfen", lies mich Zalmion wissen.
"Auf welcher Seite stehst du überhaupt?", fragte ich ernsthaft interessiert.
Zalmion lachte. "Die Menschen sind ganz besessen von ihrem Zwei-Seiten-Krieg. Eine Seite bekämpft die andere, das kommt schon in so vielen Büchern vor. Meine eigene Geschichte, die du dir ausgedacht hast, ist davon geprägt. Immer sind beide Seiten eingebildet genug, zu denken, sie würden den Krieg gewinnen und immer hat eine Seite unrecht. Ihr Menschen dachtet sogar, dass ihr gegen die Natur eine Chance habt. Wann werdet ihr einsehen, dass es in jedem Krieg eine stärkere Macht gibt. Um zu siegen, darf man also nicht die gegnerische Seite bekämpfen, man muss sich eine möglichst vorteilhafte Postion bei den Siegern verschaffen. Man muss sich an die neue Situation anpassen, die entstehen wird, wenn alle Uneinsichtigen, die auf der Verliererseite gekämpft haben, besiegt sind."
"Ich soll aufgeben?", fragte ich ungläubig.
Zalmion schnaubte. "Diese Frage beweist nur, dass du das, was ich dir gerade gesagt habe nicht kapiert hast. Wenn du dich nicht sehr dumm anstellst, wirst du zu einer der wichtigsten Personen in diesem Spiel, doch die Idee wirst du zunächst einmal nicht aufhalten können, auch wenn mir das um einiges lieber gewesen wäre."
Wieder brachte er mich aus dem Konzept. "Was kann ich denn überhaupt machen, was bleiben mir für Möglichkeiten?"
Der Alte schien auf diese Frage gewartet zu haben, ein Lächeln zeigte sich auf seinen blassen Lippen und mir wurde klar, dass er es einwandfrei verstand, ein Gespräch in die Richtung zu lenken, die er will, so habe ich ihn mir ausgedacht.
"Morgen ist die große Sitzung, in der einige Dinge über diese Welt bestimmt werden. Man wird beschließen welche magischen Gesetze hier gelten, welche Landschaftsänderungen an der Erde vorgenommen werden und sonstige wichtige Dinge", sagte Zalmion, als wäre es das normalste auf der Welt. Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke und musste einige Male husten, was sich verdächtig nach einem hysterischem Lachanfall anhörte.
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Der Preis der Fantasie
FantasyIch begehe einen schwerwiegenden Fehler: Ich schreibe dieses Buch. Ein Buch, in dem es um das Buch und seinen Autor geht, der sich einer Idee hingibt, die vorsieht, die Welt zu verändern. Einer Idee, die sich selbst in Buchform sehen will, um dadurc...