92 ✔️

844 59 40
                                    

Carla.

Prüfungen. Arbeit. Familie.


Das sind drei Dinge in meinem Leben, auf die ich mich jedes Mal konzentriere und versuche alles perfekt zu machen. Es jedem Recht zu machen. Aber nicht jeder denkt wie ich. Nicht jeder versucht so zu handeln wie ich.

So ist es gerade auch mit Dardan. Seit unserem kurzen Wochenendtrip zum Europapark, sehen wir uns gefühlt einmal in der Woche und das auch nicht lange. Denn jedes Mal sobald wir draußen sind, bekommt er nach einer halben Stunde einen Anruf oder eine Nachricht. Dann fahre ich ihn zum Studio und lasse ihn da raus. Mittlerweile habe ich es satt. Ich bin seine Freundin und nicht seine Chauffeurin. Deswegen komme ich auch zum heutigen Treffen mit dem Bus.

Dardan ist vor mir da, weil mein Bus sich verspätet hat. Bis jetzt weiß er auch nicht, dass ich ohne Auto da bin und sein Gesichtsausdruck ist filmreif.

„Hey cuore mio", begrüße ich ihn mit einem Kuss auf seine Wange.

„Hey baby", sagt er lächelnd und greift direkt nach meiner Hand. „Wieso bist du mit dem Bus gekommen?"

Ich wusste es, deshalb habe ich mir auch schon etwas zusammen gereimt. „Rosa braucht den Wagen heute und mein Vater ist mit dem anderen Auto unterwegs, um die Familie zu besuchen."

,,Also hast du Sturmfrei?", will er wissen und läuft langsam los.

Ich rolle leicht mit den Augen. „Nein, meine Mutter ist noch da." Wieso müssen Typen direkt an so etwas denken. Warum sind alle Typen gleich gestrickt?

„Hast du Hunger?", fragt er dann wieder und nimmt sein Handy heraus. Ich antworte ihm nicht und sehe ihn einfach nur an. Auch wenn ich weiß, dass er momentan viel zu tun hat, hat er immer gesagt, dass er auch mich nicht hängen lassen wird. Einige Minuten des Schweigens später merkt er dann auch endlich, dass ich ihm immer noch keine Antwort auf seine Frage gegeben habe, weshalb er auch zu mir schaut. „Hallo?"

„Hmm?", gebe ich nur zurück und schaue noch immer zu ihm.

„Sag mal, was ist dein Problem, Carla?", fragt er mich mit einem genervten Ton und bleibt stehen, sodass ich es ihm nach machen muss. „Beim Telefonieren bist du komisch, du schreibst komisch mit mir und jetzt redest du nicht mal vernünftig mit mir." Er macht eine kurze Pause und mustert mich in dieser. „Ist da ein anderer? Wenn ja, dann sag es mir jetzt, damit ich-"

„Damit du was?", unterbreche ich ihn sofort und nehme meine Hand aus seiner. „Du denkst echt, nur weil ich mich anders verhalte, habe ich hinter deinem Rücken jemand anderen? Ist das dein Ernst, Dardan?" Ich gehe einen Schritt von ihm zurück und schüttle mit dem Kopf. „Bin ich eigentlich noch deine Freundin?"

„Was?", sagt er verwirrt und schaut mich auch so an. „Was labberst du da?"

„Dir fällt es ja nicht mal auf. Aber trotzdem mir irgendetwas in die Schuhe schieben." Kopfschüttelnd laufe ich einfach weiter und versuche mich zu beruhigen, doch es fällt mir einfach zu schwer.

„Vale, warte jetzt mal", ruft er mir nach. „Amina koyim, prit!"

Ich hasse es, wenn er albanisch mit mir spricht. Nicht, weil ich nichts verstehe. Das meiste verstehe ich wirklich. Keine Ahnung, ob er es weiß, aber ich finde es so verdammt sexy, wenn er es tut.

„Carla!", ruft er ein letztes Mal, ehe ich herumgewirbelt werde und gegen seine Brust pralle. „Verdammte Scheisse. Du sollst warten, wenn ich dich dazu auffordere."

„Wieso? Bin ich jetzt auch noch deine Hündin?", zische ich ihn an und reiße mich von ihm los. „Reicht ja schon, dass ich dich überall herum kutschiere. Aber deine Hündin bin ich ganz sicher nicht, Mushkolaj."

Erstaunt und nun wissend sieht mich der Albaner an. „Darum geht es dir also. Um das Fahr-"

„Nein, Dardan", schreie ich laut auf. „Darum geht es eben nicht." Er sieht mich fragend an, weshalb ich aufseufze. „Wo ist die Zeit hin, als wir uns stundenlang gesehen haben? Als kein Anruf der Welt uns stören konnte? Als du mir die Aufmerksamkeit gegeben hast, die ich gebraucht und geschätzt habe?"

Sein Blick wird für einen Moment sanfter. Doch es ändert sich schlagartig. Er strahlt kälte aus. In seinen sonst so schönen, gefühlvollen braunen Augen, sehe ich nichts als Kälte. Von der einen auf die anderen Sekunde.

„Du wusstes, worauf du dich einlässt, Carla", meint er nur und sieht für einen Augenblick an mir vorbei. „Du wusstes nach einer Zeit, wer ich bin und was ich mache. Du wusstest, wie das ablaufen wird, wenn es zwischen uns ernster wird. Vor allem als Freundin eines Rappers. Du hättest jeder Zeit sagen können, dass du es nicht mehr willst. Du hättest die Notbremse ziehen können und jetzt kommst du erst damit an und konfrontierst mich damit?"

Geschockt sehe ich ihn an. Geschockt von seinen Worten, die so ehrlich aus seinem Mund kommen. Sofort bannen sich Tränen durch und laufen über meine Wange. Ich dachte immer, dass wir alles schaffen. Dass wir immer gemeinsam kämpfen werden. Dass wir uns gegen unsere Probleme stellen. Dass es wir gegen die Probleme sind und nicht er gegen ich in dieser Beziehung. Aber er lehrt mich gerade eines Besseren.

„Dann ist es besser, wenn ich jetzt gehe", nuschle ich und wische mir die Tränen weg, ehe ich meinen Kopf wieder anhebe und ihm in die Augen sehe. „Ich hoffe du machst das, was dir dein Herz sagst und folgst der Stimme deines Herzen, damit du an deine Ziele kommst."

Mit diesen Worten drehe ich mich um und gehe zurück zur Bushaltestelle.

𝖸𝖫𝖫𝖨 𝖨𝖬. | 𝘿𝘼𝙍𝘿𝘼𝙉.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt