Neue Bekannte

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Bemüht unauffällig lief ich in den kleinen Laden, der circa 2 Straßen von meinem Versteck entfernt war. Ich trug eine schwarze Regenjacke, die ich in der Wohnung gefunden hatte. Scheinbar hatte ich sie bei meinem letzten Aufenthalt, der schon ziemlich lange her war, vergessen. Die Kapuze hatte ich mir über den Kopf gezogen, in der Hoffung, dass mich niemand erkannte. Meine Haare hingen mir ins Gesicht, was mir vielleicht zusätzlich Erkennungsschutz brachte. Sie waren immernoch dunkelbraun. Das würde auch noch eine Weile halten, da die Färbung sehr teuer war... vielleicht mindestens ein Jahr, bis das naturrot wieder durchkommen würde. Das wäre dann noch praktischer, da die charismatische junge Isabella Wayne, die ich solange vorgab zu sein, mit ihren braunen Haaren bekannt war. Andererseits konnte der Joker mich, falls wir uns zufällig begegnen sollten, mit roten Haaren besser identifizieren. Nicht, dass ich das innerlich nicht wollte... aber es ging nicht. Eilig ging ich auf das Regal zu und schnappte mir eine Packung Cornflakes, dazu haltbare Milch. Ein paar Dosen Fertigessen und Chips durften nicht fehlen. Zum Schluss noch eine Schokoladentafel... durfte auch nicht fehlen, denn ich liebte Schokolade schon immer. Damit konnte man mich bestechen.
Der Verkäufer an der Kasse schaute mich misstrauisch an, doch als ich ihm zum Schluss noch 20 Euro drauflegte, schien ihn nicht mehr zu interessieren, wer bei ihm einkaufte.

Als ich wieder in der Wohung war, die mir als Versteck diente, überkam mich ein nur all zu bekanntes Gefühl. War es Resignation ? Hoffungslosigkeit ? Ich war mir nicht sicher. Seufzend packte ich die erworbenen Lebensmittel in den Schrank und schmiss mich auf die Couch. Genervt stellte ich fest, dass ich vergessen hatte, Alkohol zu kaufen. Wie sollte ich jetzt meine Stimmungsschwankungen unterdrücken... naja... hatte eh nichts besseres vor. Langsam richtete ich mich wieder auf, schnappte mir ein paar Scheine, und verließ die Wohung. Inzwischen war es dunkel. Was hatte ich schon zu verlieren...

Die Bar, welche ich betrat, war ziemlich heruntergekommen. Man sah keine Menschenseele, außer den Barkeeper. Umso besser... Die Wände waren aus rauem Backstein, und man hatte sich beim Anbringen der Tapete keinerlei Mühe gegeben. Scheinbar bekamen die hier nicht oft Kundschaft, denn der Mann hinter dem Tresen sah mich an, als hätte er einen Geist gesehen. Ich schlenderte zu ihm und ließ mich auf einem Barhocker nieder, der dabei gefährlich quietschte.

"Einen Whiskey...", murmelte ich.

Ja, mit den Jahren hatte ich meine Schwäche für Whiskey entwickelt. Wieder eine Sache, die ich mit dem Joker gemeinsam hatte.

Der Mann nickte und bewegte sich, um ein Glas zu holen. Derweil sah ich mich etwas genauer um. Vermutlich war ich hier in eine der Pleite machenden Bars gekommen. Scheinbar waren hier fast nie Kunden, was man aus dem leeren Gästebuch, den wenigen Rechnungen, die verteilt hinter dem Tresen lagen, und der langsamen Vorgehensweise des Barkeepers schließen konnte. Er schien nicht wirklich Lust zu haben, mich zu bedienen. Es war mir egal.
Nach einiger Zeit Wartezeit kam mir die Situation langsam komisch vor. Der Mann kam ewig nicht wieder. War einfach hinter der Tür verschwunden, und meinen ersehnten Whiskey hatte ich auch noch nicht. Langsam stand ich auf und wollte gehen, bevor es Ärger gab. Denn mein Bauchgefühl sagte mir, ich solle hier so schnell wie möglich verschwinden. Von dem Mann war noch immer nichts zu sehen. Mein Blick glitt zu der verstaubten Uhr, die über dem Tresen hing, aber noch zu funktionieren schien. Seit 10 Minuten war nichts passiert. Verdächtig. Ich bewegte mich Richtung Tür.

Als ich die Tür öffnete, und nach draußen trat, schaute ich plötzlich im halbdunkel in einen Pistolenlauf, der direkt auf meinen Kopf zielte.

"Ganz still bleiben...", raunte eine mir unbekannte Stimme. Eine Hand griff nach meinem Arm und bevor ich mich wehren konnte, wurde ich in ein Auto gezerrt, welches sofort darauf mit quietschenden Reifen losfuhr. Die kühle Hand hatte meinen Oberarm noch immer fest im Griff. Unauffällig drehte ich mich zu der Person, um einen Blick auf das Gesicht zu erhaschen. Als ich mich umdrehte, schaute ich direkt in die Augen des Mannes. Super Paula... unauffällig...
Auf seinen schmalen Lippen bildete sich ein Grinsen und er nahm die Kapuze aus dem Gesicht, die dieses größtenteils verdeckt hatte. Gegenüber saß mir ein glatzköpfiger Mann mittleren Alters, mit kalten Augen und fast keinen Augenbrauen. Der Blick, wie er mich musterte, machte mich nervös.

"Guten Abend Shadow. Ich weiß, du kennst mich nicht. Aber ich kenne dich sehr genau. Dich und deine Vergangenheit. Dem Joker vollkommen ergeben... unfreiwillig. Du hattest ihn verlassen. Er hat wohl deine beste Freundin getötet, nicht ? Wie hieß sie noch gleich... Sophie ? Wie auch immer. Hast mit meinen besten Freund Scarecrow zusammen gearbeitet...Du warst ein Ausnahmetalent, was diese Arbeit anging. Leider konnte ich dich nicht kennenlernen. Du warst ja dann einfach weg. Wie kommt es, dass du nicht tot bist, wie alle denken?", fragte er weiterhin mit dem kalten Grinsen auf den Lippen. Sein Blick wirkte berechnend.
Ich zuckte mit den Schultern:"Hat sich so ergeben."
"Verstehe... die Mysteriöse...", meinte er leicht amüsiert. Glücklicherweise fragte er nicht weiter nach.
"Dürfte ich auch deinen Namen erfahren, wenn du schon so viel über mich weißt ?", fragte ich angespannt.
Gespielt entschuldigend sah er mich an:" Natürlich. Entschuldige mein Benehmen ! Mein Name ist Victor Zsasz."
Ich nickte langsam. Der Name kam mir irgendwie bekannt vor. Vorsichtig fragte ich, wo wir hinfuhren.
"Zum Penguin."
Den kannte ich. Der Joker hatte mir in einem unserer Gespräche ein wenig von ihm erzählt. Was Victor Zsasz mit ihm zutun hatte, war mir allerdings unklar.

Einige Zeit später hielten wir vor einem unscheinbarem Reihenhaus und Victor stieg auf seiner Seite aus, und hielt mir wenig später die Tür auf. Wow...Gentleman...  Die Dunkelheit der Nacht schützte unsere Gesichter und wir liefen schnellen Schrittes, begleitet vom Fahrer des Wagens, auf die große Eingangstür zu. Der glatzköpfige Mann öffnete mit schwungvollem Griff die Tür und bat mich mit einem ironischen "Herein in die gute Stube!" ins Haus. Ich hatte zwar keine Ahnung, was man mit mir vorhatte, aber mich zu wehren hielt ich für eine schlechte Idee, wo dieser Typ doch bis jetzt relativ nett war, und mir nichts getan hatte, mal abgesehen von der unfreiwilligen Autofahrt. Als ich mich an seinem Arm vorbei ins Haus drängte, bemerkte ich, dass sein Arm voller Narben war. Es waren viele Schnitte, immer fünf in einer Gruppe, und der ganze Arm war davon übersäht, bevor sie unter seinem Ärmelansatz verschwanden. Er schien meinen Blick zu bemerken, und lächelte abartig.
"Für jeden Mord einen Schnitt."
Ich starrte seinen Arm an, versuchte zu schätzen, wie viele Schnitte das ungefähr waren, doch ich kam nicht dazu. Seine Hand drückte sich in meinen Rücken und er bugsierte mich vorwärts eine Treppe hoch, bis wir in einem Raum standen, der nicht beleuchtet war, bis auf das Mondlicht, welches einige Möbel kalt beleuchtete. Zuerst erkannte ich nichts, doch schließlich bemerkte ich einen Schatten eines menschlichen Umrisses in der Ecke am Fenster. Der Schatten bewegte sich, und kam auf mich zu. Ich schaute in zwei wässrig blaue Augen, die mich anstarrten.
"Nun Victor... ich hatte wohl recht.", flüsterte die Person vor mir erstaunt.
Der Mann, dessen Gesicht ich nicht sah, streckte langsam den Arm aus. Kalte Finger strichen über meine Wange und unter mein Kinn, um es anzuheben.
"Du lebst ja wirklich noch. Ich wusste es! Mein Name ist Oswald Cobblepot. Aber du kannst mich Oswald nennen. Sehr erfreut, dich endlich kennenzulernen."
"Der Penguin ?!", wunderte ich mich. Jack... äh, Joker hatte mir einmal kurz von ihm erzählt.
Der hagere dunkelhaarige Mann starrte mich grimmig an.
"Nenn mich nicht so! Das kann ich nicht leiden. Und wir wollen uns ja gut verstehen... wäre ja wirklich schade, wenn du in den ersten Tagen deines neuen Lebens draufgehst, oder ?", grummelte er vor sich hin.
"Viktor. Nimm sie erst mal mit. Und pass gut auf sie auf. Der Joker wird für eine tote Shadow nicht bezahlen."
Bei diesen Worten zuckte ich zusammen.
"Ihr wollt mich ausliefern ?!", fragte ich nervös.
"Naja... du wirst doch sicher zu deinem Joker wollen... wo er dich doch so vermisst hat. Ja, richtig gelitten hat er. Hab gehört, er hat inzwischen ein neues Betthäschen, aber ich bezweifle, dass sie dir je das Wasser reichen kann.", meinte Victor.
Ich zuckte mit den Schultern.
"Lasst mich einfach gehen. Ich kann nicht zu ihm zurück. Lieber schlage ich mich allein durch!", rief ich aufgeregt.

Der Penguin, oder Oswald, sah mich durchdringend an. Schließlich schnippste er mit dem Finger und ich spürte Victors Arme an meinen Oberarmen. Wieso wurde ich ständig von wem entführt und festgehalten...fragte sich mein Inneres.
"Nimm sie mit zu dir. Und pass gut auf das Mädchen auf...","Ich bin schon erwachsen!", rief ich. Oswald warf mir einen genervten Blick zu.
" Wie auch immer. Morgen reden wir weiter."
Mit diesen Worten im Ohr wurde ich zu einem kleinen Wagen geschoben und auf den Rücksitz verfrachtet. Ich war zu müde, um mich groß dagegen aufzulehnen. Victor stieg vorn ein, und fuhr los.
Das letzte, was ich sah, bevor ich wegdämmerte, waren bunte Lichter am Himmel. Es war Silvester. Mit dem Gedanken und den lauten Geräuschen von Raketen im Ohr, schlief ich ein, überwältigt von meiner Müdigkeit.

Weil ich dich liebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt