Kapitel 58: Keine Geheimnisse...?

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Hatte sie etwas Falsches gesagt?
Hatte sie ihre Kompetenzen überschritten indem sie ihr Etwas beibrachte?
Oder hatte es etwas mit ihm zu tun?
Hatte er Schmerzen, von denen er ihr nichts sagen wollte?
Kannte er dieses Mädchen?
Oder ihre Eltern? 
Waren sie vielleicht Opfer von Todessern gewesen?
Vielleicht sollte sie McGonagall fragen, sie wollte weder Joy noch Severus mit irgendwelchen fragen vor der Kopf stoßen.
Sie entschied sich dazu abzuwarten, es wäre doch ein wenig übertrieben gewesen, jetzt sofort zur Schulleitung zu laufen.
Die traust ihm immer noch nicht vollkommen, warf ihre innere Stimme ein, du kennst nur den Todesser, den undurchsichtigen Mann, der jedem etwas vorspielt und seine Geheimnisse hat... hast du geglaubt er wäre wirklich ehrlich zu dir?, höhnte sie, was Hermine beinahe zur Weißglut trieb.
Könnte sie diese nervige Stimme doch nur endgültig zum Schweigen bringen, durch einen Zauber oder einen Trank, aber dann wäre es doch ganz schön ruhig und du hättest nie wieder diese Stimme, die dich zum Nachdenken anregt, stichelte die Kopfstimme weiter.
„Ich vertraue ihm... er hat keine Geheimnisse.", sagte sie laut in den Raum, wollte damit klarstellen, dass die Versuche sie zu verunsichern nicht fruchten würden.

Sie wusste nicht wo er hingegangen war, wollte ihn auch nicht suchen, wenn er seine Ruhe brauchte, dann wollte sie ihm diese auch gönnen.
Sie lief durch seine Räume, es lagen immer noch so viele interessante Sachen in ihm, dass Hermine wieder einmal völlig in Gedanken war. Sie entdeckte den Schrank mit den verschiedenen Kräutern, Gewürze, mit denen er vermutlich seine einzigartigen Teemischungen erzeugte.
Sie dachte nach, sollte sie versuchen ihre eigene Kreation zu erschaffen oder wäre er sauer auf sie, dass sie an seine Sachen ging?
Kräuter werden schon nicht so schlimm sein wie Zaubertrankzutaten, dachte sie und zog die vielen Behälter aus dem Schrank, passend dazu fand sie eine große Schüssel, um alles zu vermischen und verschiedene, edle Plastiktütchen, um die Mischungen abzufüllen.

Hermine wusste, dass jeder Tee aus einer Basis bestand, Severus hatte Grünen oder Schwarzen Tee zur Auswahl, beide verströmten einen unglaublichen Geruch, sie entschied sich aber für den Schwarzen Tee und gab eine gute Menge davon in die Schüssel.
Sie hätte natürlich auch alles abwiegen können, so wie es Severus vermutlich tat, denn eine Waage fand sie auch in dem Schrank, aber sie wollte in dieser Sache einfach mal ihrem Gefühl folgen. Weiter bestanden Tees immer aus Blättern, Blüten, Gewürzen und je nach Geschmack noch aus ätherischen Ölen, das könnte ein aufregender Nachmittag werden, dachte sie und fuhr fort.
Sie vermutete, dass der Schwarze Tee ein Darjeeling war, denn er verströmte eine feine und wohlriechende Zitrusnote, anders als der Earlgrey, den ihre Mutter früher immer trank.
Die Basis stand, die Entscheidung welche Blätter sie hinzugeben würde war recht schnell, Melisse roch für sie einfach besser als Vervienne; also gab sie eine gute Menge von Melisse in den Schwarzen Tee und ging dann über zu den Blüten.
„Lavendel oder Rosen...", sie lachte, auch diese Entscheidung war nicht schwer, sie fügte Lavendel hinzu, nahm eine Nase von der Mischung, die bereits jetzt sehr interessant roch.
„Gewürze...", sie besah sich die kleinen Behälter, Nelken, Zimt, Kardamom, Ingwer, Pfeffer, Sternanis, Süßholz, natürlich streute sie Ingwer hinzu, das war immerhin einer ihrer Lieblingsdüfte und Geschmäcker, sie trank sogar Butterbier mit Ingwer. Aber sie wollte ein weiteres Gewürz hinzufügen und entschied sich für Kardamom, diese getrockneten Fruchtkapseln rochen süß und pikant zugleich.
Auf die ätherischen Öle verzichtete sie, sie hatte das Gefühl, sie würden den Tee nur zu schwer machen. Sie vermischte alles miteinander, füllte den Tee in den Beutel, damit er frisch bleiben würde und brühte sich eine Tasse auf, setzte sich wieder auf die Couch und beobachtete ihn, wie er seine dunkelbraune Farbe an das heiße Wasser abgab. Die Dämpfe, die von ihm aufstiegen waberten durch den ganzen Raum, sie roch die fruchtige Zitrone, den scharfen Ingwer, die leicht bittere Tiefe durch den Lavendel und das Süße durch den Kardamom. Sie fragte sich, was Severus in seine Teemischung gepackt hatte und seufzte leicht auf.
Das Teemischen hatte sie einige Zeit ablenken können, aber nun dachte sie wieder an ihn.
Er war immer noch nicht da, hätte sie ihm vielleicht doch nachgehen sollen? War ihm etwas passiert?

Nachdenklich trank sie einen Schluck und war erstaunt darüber, dass ihr Tee wirklich so gut schmeckte, nahm einen weiteren Schluck und verschluckte sich, als die Tür sich öffnete und Severus mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck langsam in den Raum lief.
Hermine stellte die Tasse unsanft auf den Tisch und sprang auf, lief zu ihm, musterte ihn von oben bis unten.
„WO warst du?", fragte sie laut und aufgebracht.
„Ich brauchte frische Luft", sagte er leise, vermied es ihr in die Augen zu sehen, „wie ich sehe, hast du dir Tee gemischt", er ging zur Couch, roch an der Tasse, nahm einen Schluck und nickte anerkennend, „ein wenig mehr Kardamom wäre noch besser gewesen.", sagte er.
Hermine sah ihn fassungslos an, keine Erklärung außer ‚ich brauchte frische Luft'.
Das war nicht ansatzweise ausreichend, er war mehrere Stunden einfach verschwunden.
„Das erklärt nichts, warst du in Hogwarts? Warst in Spinner's End?", bohrte sie nach und folgte ihm zur Couch.
„Ich weiß nicht.. ich war einfach irgendwo...", sagte er leise.
„Weißt du es nicht oder willst du es nicht wissen?", sie war sauer und das sollte er merken.
Er sah auf, sein Blick trug etwas Dunkles in sich, was Hermine schon lange nicht mehr gesehen hat, sie schluckte.
„Keine Geheimnisse", flüsterte sie.
„Es gibt Sachen, die kann ich dir nicht erzählen", er schüttelte den Kopf, stand auf und ließ sie wieder stehen, Hermine atmete laut aus, sie fühlte sich wie im falschen Film.
Sie folgte ihm langsam, er saß auf dem Bett mit dem Rücken zu ihr, er schien in irgendeiner Erinnerung gefangen zu sein und offenbar waren diese Fesseln so stark, dass er sogar Angst oder Sorge hatte ihr nur ansatzweise davon zu erzählen.
„Willst du, dass ich gehe?", fragte sie ruhig, vielleicht wollte er alleine sein.
„Willst du gehen?", fragte er über seine Schulter.
„Nein... aber ich gehe, wenn du deine Ruhe haben willst.", führte sie aus.
Er schüttelte nur den Kopf, Hermine ging langsam zu ihm, setzte sich vorsichtig neben ihn auf das Bett.
Eine ganze Weile saßen sie einfach nur nebeneinander, sagten kein Wort.

„Ich war am See...", meinte er leise.
„Warum? Hast du irgendetwas? Bist du.. krank?", sie schluckte, vielleicht hatte er nicht nur Schmerzen, sondern war wirklich ernsthaft erkrankt.
„Nein... ich bin nicht krank...", er schüttelte den Kopf, sah sie schuldbewusst an, er wusste, dass sie sich Sorgen machte und das tat ihm umso mehr leid.
Hermine atmete erleichtert aus, wenigstens konnte diese Sorge gestrichen werden.
„Es liegt an diesem Mädchen, oder?", sie nahm ihren Mut zusammen und stellte die Frage, die ihr unter den Nägel brannte, „An Joy."
Er schloss die Augen, presste die Kiefer aufeinander, „nein."
„Warum reagierst du dann so?", sie verstand seine Reaktion einfach nicht, wenn es nichts mit ihr zu tun hatte, dann würde er nicht so reagieren.
„Bitte... hör auf zu fragen...", er versteifte sich wieder.
Sie musterte ihn, schüttelte den Kopf, dann stand sie auf, nahm Kopfkissen und Decke und zog auf die Couch, sie war sauer und enttäuscht, wollte es aber nicht weiter auf die Spitze treiben und ging ihm aus dem Weg.
Sie verzichtete auf das Abendessen, ihr war der Hunger vergangen, auch Severus kam nicht mehr aus dem Schlafzimmer, getrennt voneinander fanden beide in der Nacht in einen unruhigen Schlaf.

Hermine wachte am nächsten Morgen auf mit dem Gefühl von Fingern auf ihrem Kopf, die sanft über ihre Haare strichen, sie streckte sich und versuchte etwas in der grellen Helligkeit zu sehen, die in den Kerker fiel.
Sie setzte sich langsam auf, die Couch war nicht ansatzweise so bequem wie Severus gesagt hatte, eine dicke Verspannung machte sich in ihrem Nacken breit, schlecht gelaunt stand sie auf die, schlurfte ins Badezimmer, wollte sich ein wenig frisch machen und dann den Tag auf den Ländereien verbringen.

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