Etwas später, nachdem ich vom Unterricht abgemeldet wurde, saßen wir an dem großen Tisch, an den locker 12 Leute passten. ,,Magst du mir jetzt genau erzählen was los ist?" Ich atmete einmal tief ein und aus und fing an, alles zu erzählen. ,,Ich bin wie immer zu Philo gegangen und war nicht so richtig motiviert. Als der Unterricht dann anfing war meine Motivation gerade an der Grenze, aber irgendwann wurde es halt echt langweilig. Deshalb habe ich angefangen mit Emma zureden, die meiner Meinung nach genauso gelangweilt war, wie ich. Als es dann endlich 10 vor 9 war, wollte ich halt gehen. Durfte ich nicht -logisch." Ich legte eine Pause ein, weil ich mich echt zusammenreißen musste, ihn nicht nachzuäffen. ,,Dann hat er alle gehen lassen, außer mir. Ich dachte nichts böses. ich dachte, dass ich halt jetzt ein Gespräch mit ihm bekäme. Dann kam er mir immer näher und dann -Ich schluckte- hat er seine Hand eine meine Wange gelegt. Und bevor er irgendwas tun konnte, hab ich den Tisch hinter mir umgestoßen und bin weggerannt. Den Rest kennen Sie ja." Beendete ich meine "Rede".
Frau Springer nickte und lächelte mich an. WOW! Ich konnte nicht anders und lächelte sie ebenfalls an. ,,Danke, dass du so offen warst." Ich nickte nur. Was soll man denn darauf antworten? ,,Wenn du willst, kann ich das mal bei unserer Direktorin ansprechen." Bevor mir irgendwas unüberlegtes rausrutschte, dachte ich tatsächlich mal nach! (Applaus an dieser Stelle, bitte!) Eigentlich ja, sowas darf doch nicht Lehrer werden! Aber andersherum würde ich damit seine ganze Laufbahn zerstören. Wieder anders gesehen, war er ja selber Schuld! ,,Du musst dich noch nicht jetzt entscheiden. Aber denk dran; Er ist noch nicht mal ein richtiger Lehrer und macht jetzt schon solche gravierende Fehler!" Ich zögerte nicht weiter. ,,Das stimmt. Besser hätte ich das nicht zusammenfassen können."-,,Dann werde ich dich nach der vierten Stunde in der Klasse abholen und dann gehen wir zu der Direktorin."-,,Okay."
Frau Springer stand auf und machte sich einen Kaffee. ,,Möchtest du auch etwas?"-,,Nein danke." Sie stellte ihre Kaffeetasse auf den Tisch, setzte sich wieder zu mir und legte ihre Hand auf die meine. In meiner Hand brach ein Feuerwerk aus. Das Blut schoss in meine Hand und alles kribbelte. Ihre Hand war so unglaublich warm und weich. ,,Wie geht es dir denn jetzt?" Mein Blick schnellte von dem Tisch hoch in ihr wunderschönes Gesicht. Diese Augen! In meinem Kopf kam das Lied 'Himmelblaue Augen'. Ihre Augen waren zwar nicht blau, aber dafür wunderschön! ,,Besser, danke nochmal."-,,Alles gut."
Frau Springer setzte gerade zu einer neuen Frage an, als ich sie unterbrach. ,,Könnten Sie mir vielleicht einen Gefallen tun? Können wir bitte dieses Thema lassen und einfach ein wenig reden. Ich glaube, dass mir das als Ablenkung ganz gut helfen würde." Verständnissvoll sah sie mich an. Kann sie das vielleicht nicht machen? ,,Klar. Ähm was hältst du davon, wenn wir über die Klassenfahrt sprechen?" Was eine Ablenkung. Aber immerhin etwas! Ich nickte also und Frau Springer fing daraufhin sofort an zusprechen. Ehrlich gesagt, hatte ich ihr gar nicht zugehört, sondern einfach nur dem Klang ihrer Stimme gelauscht.
Ich hätte ihr noch ewig zuhören können, aber leider musste die Klingel ja meinen Traum zerstören. ,,So ich muss jetzt in mein Lehrerzimmer, aber ich bin ja eh gleich bei euch für Deutsch." Mir wäre fast ein ,,Schade!" rausgerutscht. Stattdessen schnappte ich mir meine Tasche, die ich vorhin einfach auf den Boden gepfeffert hatte und verließ den Raum vor Frau Springer.
Ich ging runter in die Klasse und versuchte monoton zu wirken. ,,Boa Hanna! Da bist du ja, ich war schon krank vor Sorge! Wo warst du?" Emma war anscheinend echt besorgt. ,,Es tut mir leid." Presste ich hervor und war bemüht,mich nicht von den Bildern in meinem Kopf zu beeindrucken lassen. Was wäre eigentlich passiert, wenn ich mich nicht gewehrt oder nicht genug gewehrt hätte? Wie weit wäre er dann gegangen? ,,Hallo? Erde an Hanna!"-,,Was?"-,,Was mit dir los ist?" Ich schüttelte den Kopf. ,,Kann ich dir jetzt nicht sagen." Empört starrte Emma mich an. ,,Wieso nicht?" Ein und aus. Ein und aus. 21,22,23... ,,Weil ich gerade weder drüber reden kann noch will!" Vielleicht war das eine Spur zu forsch von mir gewesen, da Emma sich jetzt von mir Wegdrehte.
Ich fasste mir ein Herz. ,,Ey Emma, ich werde dir alles erzählen sobald ich kann, okay?" Meine Stimme war jetzt ganz ruhig. ,,Mmmmh." Kam mir die zickige Antwort meiner Freundin entgegengeschossen. Meine Hand platzierte ich nun vorsichtig auf Emma's Schulter. Sie drehte sich zu mir um und lächelte. Hä!? ,,Das war Spaß. Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Und ich weiß, dass du bei Frau Springer warst."-,,Woher das denn?"-,,Sie war doch hier und hat dich abgemeldet. Sie meinte ihr hättet ein Gespräch. So ein Lehrer-Klassensprecherin-Gespräch, ach du weißt schon!" Mir fiel ein Stein vom Herzen. Und ich dachte gerade ernsthaft, sie hätte irgendwas anderes gesagt! ,,Ja, ich versteh dich."-,,Gut!" Wir lachten.
Es klingelte zur dritten Stunde. Deutsch! Seit dem Gespräch vorhin, freute ich mich schon die ganze Zeit darauf. Endlich wieder ihre Stimme, ihr Aussehen, einfach alles!
,,Was ist mit dir denn nicht richtig?" Entgeistert sah Emma mich an. Ich hatte gerade in Rekordzeit meine Deutschsachen geholt. Dazu muss man wissen, dass ich Deutsch eigentlich hasste. Aber das hatte sich innerhalb der letzten 90 Minuten geändert. In Deutsch bekamen wir einen Zettel für die Buchpräsentation, die wir im Dezember abgeben sollten.
Deutsch war vorrüber und auch Sport hatte ich überstanden. Nun galt es nur noch das Gespräch mit unserer Direktorin Frau Michaelsen zu überleben. Würde sie mir glauben? Einer unscheinbaren Neuntklässlerin? Nie!
Wir erwartet stand Frau Springer, als ich von Sport zurück kam, vor der Klasse. Ich hatte mich beim umziehen extra beeilt, damit niemand bemerkte, dass ich mich mit meiner Lehrerin traf. Bei den unreifen Menschen, die sich in meinem Jahrgang befanden, wäre es auch kein Wunder gewesen, wäre ich am nächsten Tag Gesprächsthema Nummer 1 gewesen. Schnell brachte ich meine Sporttasche in die Klasse und wir gingen wortlos zum Sekretariat, wo auch unsere Schulleiterin saß.
,,Meinen Sie wirklich, dass Frau Michaelsen Zeit für uns haben wird?"-,,Sicher. Ich hab uns angemeldet." Wenn das so ist. Frau Springer klopfte an, öffnete die Tür und ging herein. Ich schloss die Tür hinter mir wieder. Erstaunt blickte ich mich in dem leeren Raum um. Lehrerzimmer waren ja eh eine andere Welt, aber das hier? Ich vernahm Schritte von hinter der anderen Tür in dem Raum. Herein kam Frau Michaelsen.
,,Ah Sie sind schon da, sehr gut. Setzten Sie sich doch." Sie wies auf die zwei Stühle ihr gegenüber. ,,Worum gehts denn?" Soll ich jetzt anfangen oder sagt Frau Springer erst was? Zum Glück übernahm meine Lehrerin vorerst das Reden. ,,Also Hanna ist heute mehr oder weniger freiwillig zu mir in die 'Sprechstunde' gekommen. Und das was sie mir erzählt hat, halte ich nicht für unwichtig und finde, dass Sie sich das anhören sollten."
Die Frau gegenüber von mir lächelte mich gestellt an. ,,Dann erzähl mal." Überfordert atmete ich einmal lange aus. ,,Geben Sie ihr bitte ein wenig Zeit. Das ist ein schwieriges Thema." Bat Frau Springer. Verzweifelt sah ich meine Lehrerin an. ,,Können Sie vielleicht. Ich glaub, ich kann das nicht noch einmal erzählen." Sie nickte mir zu. Hab ich mir das gerade eingebildet, oder hat sie mir gerade wieder zugezwinkert?
Frau Springer erzählte also von meinem Erlebnis und während sie das tat, musste ich mir meine Tränen verkneifen. ,,...und dann hat Herr Baum seine Ha-"
In dem Moment stand ich auf. Eigentlich wollte ich nur raus. Ich konnte das nicht mehr hören. Doch genau so schnell wie ich auf meinen Beinen war, lag ich auch auf dem Boden. ZACK und alles war schwarz! Bevor die beiden geschockten Lehrerinnen irgendwas tun konnten, war ich schon wieder wach und setzte mich jetzt einfach auf meinen Platz. ,,Geht's?" Frau Springer war besorgt. ,,Ja, jetzt gehts wieder. Erzählen Sie weiter." Irritiert setzte sie an zum sprechen. ,,Dann hat er seine Hand -versichernder Blick zu mir- an ihre Wange gelegt. Daraufhin hat sie den Tisch hinter sich umgestoßen und ist rausgerannt. Dadurch ist sie dann ungewollt bei mir gelandet." Der Direktorin sah man an, dass sie nicht glaubte, was sie gehört hatte.
,,Vielen Dank, dass sie sich bei mir gemeldet haben, ich werde mich drum kümmern!" Sie stand auf, was meine Lehrerin und ich ihr gleichtaten. Wir gaben ihr beide die Hand und gingen dann wieder raus.
,,Vielen Dank nochmal Frau Springer!"-,,Keine Ursache. Für meine Lieblingsschüler tu ich alles." Das 'Lieblings-' hatte sie versucht unauffällig zu sagen, aber ich hatte es trotzdem gehört.
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Terrible Love
Teen FictionIn dieser Geschichte schreibe ich über die vierzehnjährige Hanna Müller, die mich verkörpert. Hanna passiert in einem ihrer wichtigsten Schuljahre, das was mir gerade passiert. Die Namen aller handelnden Personen wurden durch Decknamen ersetzt. Ich...