9 | I will always choose you.

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Meine Sicht begann zu verschwimmen und ich musste mehrmals blinzeln, um nicht zu riskieren, dass ich die handelnden Personen auf dem Bildschirm nicht mehr erkennen konnte.

Gerade glitt Elena mit dem Rücken an der Wand hinunter, weinend, flehend, dass die Liebe ihres Lebens zurückkommen solle, obwohl ihr bewusst war, dass dies nicht geschehen würde. Nicht in diesem Moment.

Wie ich den Blick meines Vaters auf mir spürte, schien Elena Damons Blick auf sich zu spüren.

Diese Folge war nicht die einzige, die ich in- und auswendig kannte. Zum Leid meines Vaters hielt mich das jedoch nicht davon ab, immer wieder mitzufiebern und zu hoffen, dass alles gut ausging. Wenngleich ich genau wusste, was die nächsten Szenen brachten.

„Warum genau ist das gerade so tragisch?", hörte ich meinen Vater neben mir hauchen. Entsetzt über diese Frage klappte mir das Kinn nach unten und ich löste den Blick von dem Fernseher, nur um mir anzusehen, wie er mit der Hand in die Chipstüte griff und sich eine handvoll in den Mund schob.

Als er vor einer Stunde heimgekommen war, hatte er den Anzug gegen eine Art Jogginghose und ein Shirt getauscht, das auf der Brust den Schriftzug 'Nirvana' zeigte. Seine Tasche hatte er gegen die Chipstüte und ein Bier getauscht.

Die Haare meines Vaters standen mittlerweile zu allen Seiten ab und die Ringe unter seinen Augen waren ein wenig penetranter als noch am Morgen. Auch die Falten auf seiner Stirn traten deutlicher hervor.

Trotz der Tatsache, dass er müde und erschöpft war, hatte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit gemacht, das er, seit er sich zu mir gesetzt hatte, nicht verloren hatte.

Auch wenn ich ihn direkt damit konfrontiert hatte, dass ich mir ein paar Folgen Vampire Diaries ansehen wollte.

Es tat gut, ihn so zu sehen. Gelöst und mit den Gedanken nicht bei seiner verstorbenen Frau oder der Arbeit, die den restlichen Tag von ihm Besitz ergriff.

Vor allem aber genoss ich die Zeit, die er sich für mich nahm. Zeit, in der er einfach neben mir saß, für mich da war, obwohl wir nicht viel miteinander sprachen, schon gar nicht über ernste Themen.

Aber das war in Ordnung, solange er bei mir war.

Meine Lippen spalteten sich und ich wollte gerade meine Erklärung zum Besten geben, als meine Worte in dem Läuten unserer Türklingel unterging. Verwundert runzelte ich die Stirn, schloss sofort wieder den Mund und beugte mich etwas vor.

„Erwartest du noch jemanden?", fragte ich an meinen Vater gewandt. Ich warf die Stoffdecke, die ich mir trotz warmer Temperaturen über die Beine gelegt hatte nach hinten und hievte mich auf die Beine.

„Nein. Aber vielleicht holen dich deine Freunde endlich zum Feiern ab", stichelte er. Mein Vater nahm sich die Fernbedienung und drückte auf Pause, gerade als Damon die Hand an Elenas Wange legte.

„Ich muss dich enttäuschen. Alaia kann so etwas nicht für sich behalten, sie hätte mich schon vorgewarnt, wenn sie vorgehabt hätte, mich heute Abend irgendwohin mitzunehmen", gab ich grinsend zurück.

Selbst sicherverließ ich das Wohnzimmer und steuerte auf die Haustür zu. Mit jedem Schritt den ich tat, wurde das merkwürdige Gefühl in meinem Inneren stärker. Ich wollte nicht nach draußen, mich unter die Leute mischen, auch wenn mein Vater das so oft ansprach.

Ich war niemand, der sich gerne zwischen betrunkenen Jugendlichen aufhielt, die übereinander lästerten, die Nacht gemeinsam vergaßen oder zu grauenhafter Musik tanzten.

Viel lieber wollte ich bei meinem Dad sein, dessen Zeit für mich in den letzten Wochen exponentiell gesunken war. Ich wollte nicht noch mehr Momente mit ihm verpassen. Die Zeit hatte mich gelehrt, dass jede Sekunde wertvoll war.

Ich öffnete die Tür nicht, bevor ich ein leises Stoßgebet Richtung Himmel geschickt hatte, in der Hoffnung, es wäre nur einer unserer nervigen Nachbarn, die sich etwas aus unserem Haushalt leihen wollten.

„Cartia", trällerte Alaia sobald ich die Tür aufgezogen hatte und auch nur ein Stück von meinem Körper zu sehen war. Verdammt.

Sofort überbrückte sie die wenigen Meter die uns noch getrennt hatten und zog mich in eine kurze Umarmung, bevor auch Adam die Chance bekam, mich zu begrüßen.

Paralyzed | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt