~Kapitel 1~

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*Kenneth Carlton*

Ein leiser und kalter Wind streift die Bäume. Äste und Blätter bewegen sich sanft im Einklang der Herbstluft. Einige Wolken ziehen auf und wenige Vögel bereiten sich vor, sich den Zugvögeln anzuschließen, um von ihrem Brutgebiet ins benachbarte Winterquartier zurück zu kehren. Eichhörnchen streiten sich um die letzten Vorräte, um den Winter zu überleben und auf der anderen Seite meint man einen Braunbären ein letztes Mal brüllen zuhören, ehe er sich dem Winterschlaf zur Ruhe setzt. Der Boden ist feucht und matschig, aufgewühlt vom letzten Regen.
Es ist Herbst.
Langsam merkt man, wie die Natur dem Winter zum Opfer fällt.

Jedoch passt hier eine Sache nicht ganz ins Bild.

Zwischen den hohen Kastanien- und Kieferbäumen stehen sich zwei seltsame Gestalten gegenüber. Blut verschmiert und mit Schmutz überseht, blicken sich beide mit finsteren Blicken an, ohne auch nur voneinander abzuweichen. Eine dunklere Stimmung erhascht über den Wald und auch die Einwohner des Waldes, scheinen zu merken, dass etwas nicht stimmt und verschwinden in ihren Höhlen und Gruben.

„Nur einer von uns beiden kommt hier Lebend heraus, dass weißt du?", zischt das Gelbe Wesen mit seinen bereits Blutverschmierten Lippen dem anderen entgegen.
Das Gelbe Wesen, ein Kabus.
Genauer gesagt ein Gelber Kabus, denn von so einem wie seiner Art, gibt es noch viele andere, in anderen Farben.

Seine Haut hat einen leicht gelblich schimmernden Ton und sein Gesicht gleicht dem eines Löwen. Er hat leuchtend gelbe Augen, in denen sich drei Schwarze Striche zieren. Seine Hände sind rau und grau. Sie sehen vernarbt aus und leichte Blutbrocken hängen an den Spitzen seiner Fingernägel herab. Diese sind lang, dreckig und spitz, ähneln die einer Kralle. Man möchte gar nicht wissen, wie viele Leben er mit solchen Händen bereits beendet hat. Ein weites fieses Grinsen formt sein Gesicht und die Zähne sind so spitz geformt das ein Biss von ihm, direkt tödlich enden kann. Alles in einem, sehr ungepflegt und vor allem eines – Angst einflößend.

Würde man direkt neben einem Kabus stehen, würde man merken wie unglaublich stark sie nach Essig stinken. Das verdanken die Kabuse ihrer Wohnumgebung, denn sie leben abgelegen, gehorchend der dunklen Seite im Wald und essen das, was sie gerade dort finden können. Was ebenfalls nicht besser aussieht, als sie selbst.
Nein, dieser Gestalt möchte man nicht nachts alleine in einem Wald begegnen.

"Ja da hast du wohl Recht...", sagt das andere Wesen, packt seine Hände in seine Hosentasche und zieht einen spitzen Gegenstand heraus. „Und das bin ich!", fügt er hinzu und stürzt mit einem Dolch in der Hand auf den Kabus zu.
Der Kabus jedoch, weicht einen Schritt zurück, sodass er zu stolpern anfängt.
Mit solch einer schnellen Reaktion hat er nicht gerechnet. Der Kabus schnappt sich seinen rechten Arm, in dem er den Dolch festhält, dreht ihn um und tritt mit dem Fuß gegen seinen Rücken.
Und schon liegt er, mit dem Kopf voran im Dreck, auf dem Boden.
"Familie Carlton. Carlton. Carlton...", lacht der Kabus spöttisch, schüttelt den Kopf und grinst ihn Finster an.

"Wie immer. Stur und dickköpfig.", sagt er und begutachtet dabei seine Fingernägel.
„Immer dasselbe mit deiner Familie. Ihr hört einfach nie zu. Wie wäre es, wenn wir uns mal gemeinsam, zuuu... hmm...", überlegt er und reibt sich dabei nachdenklich sein Kinn.
„Wie sagt man es hier? Kaffee und Kuchen treffen?", fragt er belustigt und kommt ihm einen Schritt näher.

„Genau! Wir setzten uns zum Kaffee und Kuchen essen gemütlich an einen Tisch zusammen und reden in Ruhe darüber. Klingt doch nach einem fairen Angebot, oder etwa nicht?", lacht der Kabus und stellt sich mit einem Bein auf ihn drauf, damit er sich nicht mehr bewegen kann.
Schmerzlich stößt er einen kleinen Schrei aus und ballt seine Hände zu Fäusten, da der Kabus seine schmerzliche Stelle erwischt hat. Er darf jetzt bloß nicht bemerken das er derartig verwundet ist, dies würde seinen Tot bedeuten. Mit seinen wütend funkelnden Augen schaut er in die des Kabus, um ihm zu zeigen, dass er dies nicht ansatzweise Humorvoll findet. Das einzige woran er jetzt denken kann ist, dass er sich um jeden Preis befreien muss.

Der Kabus jedoch scheint durch seinen Blick wie gefesselt zu sein und bewegt sich kein Stück mehr.
'Das funktioniert bei Menschen und Wesen immer wieder gut', denkt er sich.
Schnell nutzt er die Chance und rollt sich elegant zur Seite hinweg und kann sich nur noch mit viel Mühe wieder aufrappeln. Wieder hebt er seinen Blick und schaut dem Kabus direkt in die Augen, dieses Mal jedoch mit so einer Kälte und einem Hass, den sich keiner Wünschen würde.
Wenn Blicke töten könnten, wäre der Kabus definitiv schon längst tot. Das wäre ihm am liebsten, dann wäre alles viel einfacher erledigt.

"Ach, seit wann seid ihr den auf Reden aus?", entgegnet er ihm spöttisch, hält sich an seine Brust und spuckt etwas Blut auf den Boden. „Ihr kennt doch nichts anderes, außer den Kampf und den tot!"

Nur knapp kann er das ganze hier überleben das weiß er, deshalb muss er jetzt umso vorsichtiger mit seiner Wortwahl sein, ehe der Kabus auf einen Angriff anzielt. Denn noch spielt der Kabus mit ihm und noch hat er Zeit sich etwas zu überlegen. Sich etwas einfallen lassen, so wie er es immer tut. Für einen großen Kampf ist er definitiv zu schwach und sobald der Kabus auf einen Kampf ansetzt, ist es für ihn vorbei. Wegzulaufen wäre Feige und zeigt schwäche, außerdem wäre er nicht schnell genug, da er dank seiner Wunde nicht mehr schnell laufen kann. Er muss aber überleben, er hat keine andere Wahl. Er kann seine Familie so nicht im Stich lassen, vor allem kann er es sich nicht leisten gegen einen Kabus zu verlieren oder gar zu sterben. Erst recht nicht in dieser Welt, auf so einer schwachen Art und Weise.
Nein bestimmt nicht, dass würde er sich selbst nie verzeihen können. Das liegt unter seiner Würde.

Kabuse sind nicht gerade die schlausten Kreaturen und kämpfen können sie auch nicht gut, aber gegen einen gelben Kabus hat er selbst bisher nur einmal zu tun gehabt. Dies ist viel schwerer, als sonst gegen die anderen. Denn etwas Verstand besitzt auch ein gelber Kabus, leider.
Er steht nun ein zweites Mal vor dem Gelben Kabus und wird auch ein zweites Mal gegen ihn gewinnen, dass auf jeden Fall.

"Also eins muss ich eurer Familie lassen, ihr haltet alle samt schon einiges aus.", lacht der Kabus und stürzt überraschend auf ihn zu.
'Der Kabus ist also doch auf Kampf aus, also Angriff. Aber was ist das?', denkt er sich, sieht das sich etwas in den Bäumen bewegt und schärft seine Sinne.
'War das ein Mensch?'
Abgelenkt von dem, was er gerade entdeckt hatte, hat der Kabus ihn aber bereits erwischt und schleudert ihn mit voller Wucht gegen einen großen Baum.
Mit der einen Hand hält der Gelbe Kabus seinen Hals fest umschlossen, mit der anderen nimmt er ihm den Dolch ab.
Das war schwach von ihm.

'Jetzt ist es vorbei', denkt er sich.
'Ich habe versagt...'
„Ich dachte, du ein recht kluges Köpfchen, aber ich scheine mich geirrt zu haben.", lacht der Kabus widerlich vor sich hin und presst den Dolch an seine Kehle. Etwas Blut fließt ihm am Hals und Dolch entlang, da der Kabus ihn leicht schneidet.
„Ich fasse es nicht das ich dich wehrlos in der Hand habe. Was die anderen wohl sagen werden? Sie werden mich jubelnd entgegennehmen, auf Händen tragen und mich ehren. Mich!"
Es scheint dem Kabus zu gefallen, was er ihm gerade erzählen tut, denn sein Grinsen auf seinem Gesicht breitet sich immer weiter aus. Was ihn noch mehr leiden lässt, denn der Mundgeruch des Kabus ist kaum auszuhalten, gleicht dem eines verfaulten Fisches oder verfaulten Eiern.
„Weil ich dich vernichtet habe!", erzählt er triumphierend weiter.
„Ich kann dein Leben jetzt sofort mit einem Schla... WAS ZUM?", schreit der Kabus und fasst sich mit der Hand, mit der er den Dolch noch festhält, an den Kopf.
"Aua", zischt nun auch er hervor, als er merkt, dass er gerade mit einem Stein am Auge getroffen wurde.

"Ups.", hört er aus einer Ecke schüchtern sagen und starrt in erschrocken Blaue Augen.
Ein Mensch.
Dieser Mensch. Dummer Mensch.
Der Kabus dreht sich um und fängt schelmisch an zu lachen. Ein widerliches, dreckiges Lachen. Ein Lachen das jeden normalen Menschen erstarren lässt.
Solange der Kabus jedoch abgelenkt ist, nutzt er die Gelegenheit.
"Lauf du Dummer Mensch!", schreit er und donnert seinem Gegenüber seine Faust mitten ins Gesicht, woraufhin der Kabus zurücktaumelt und umkippt.

Er nimmt sich den Dolch aus der Kabus Hand, schaut nochmal hoch und sieht wie das Mädchen immer noch dasteht.
Wie fest angewurzelt, ohne sich auch nur ein Stück zu bewegen. Wahrscheinlich, weil sie gerade nicht glauben kann, was sie da zu sehen bekommt. Einen halb Menschen, halb Löwe, ist für Menschen nichts normales, den man jeden Tag auf der anderen Straßenseite begegnet.
Der Kabus macht langsam Anstalten die Augen wieder zu öffnen und sich zu sammeln.
'Ein k.o. Schlag war das wohl oder übel nicht', denkt er.
'Also muss man das ganze hier wohl erstmal anders beenden.'
"Weggucken!", befiehlt er ihr und sticht mit seinem Dolch mitten in das Herz des Kabus.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 10, 2022 ⏰

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