~ Ophelia ~
Lang bin ich nicht mehr so schnell gerannt wie in diesem Moment. Von Elaine fehlt jede Spur. Genau wie von dem Angriff Irinas. Noch seltsamer ist jedoch, dass niemand sich wundert, nach dem König fragt und ich aus scheinbar jeder Ecke ‚Königin Elaine' vernehme. Was ist nur los hier? Beherrscht sie etwa mehrere Fähigkeiten? Neben dem Verstecken die Gedankenkontrolle?
An Darius' Gemächern angekommen halte ich zunächst inne. Wie verhalte ich mich am besten? Was, wenn er auch unter diesem Bann steht? Soll ich ihn brechen? Und wenn ja, wie? Ich atme tief durch und klopfe an. Er reagiert nicht, also versuche ich es nochmals, doch auch dieses Mal geschieht nichts. Also drücke ich die Klinke herunter. Doch die Tür ist abgeschlossen. Ist er womöglich nicht hier? Kümmert er sich um Verletzte nach Irinas Angriff?
Plötzlich kann ich eine mächtige Aura wahrnehmen – Elaine. Es ist, als könnte man sie im gesamten Schloss wahrnehmen.
„Entschuldigt bitte, doch könntet Ihr das Schloss bitte verlassen?"
Ein Wachmann ist urplötzlich hinter mir aufgetaucht. Sein Blick ist vollkommen leer. Also stehen sie wirklich unter einem Bann. Gern hätte ich widersprochen, doch die Aura Elaines umgibt mich, erstickt mich schon fast. Ich muss hier raus. Schnell laufe ich durch die Stadt, laufe zum Haus meines Bruders und schlage die Tür so fest hinter mir zu, als würde ich damit einen Verfolger abschütteln wollen.
„Wo bist du denn so spät noch gewesen? Ich habe dich überall gesucht!"
Somin blickt mich vorwurfsvoll an.
„Das fragst du mich? Verdammt nochmal, du warst doch auf einmal auf und davon!"
Er seufzt.
„Mein Gespräch mit der Königin war eben kürzer als erwartet. Noch dazu solltest du vor der Türe warten und..."
„Königin? Was... du... du hast doch mit König Farus gesprochen."
Mein Bruder drückt seine Hand gegen meine Stirn. „Hast du Fieber? Der König ist doch seit Jahren schon tot."
Ungläubig mache ich einen Schritt zurück. Nicht auch er!
„Du bist blass, geh lieber schlafen", sagt er und legt eine Hand auf meine Schulter.
„Nein, das... darf nicht sein! Sie... hat alle verzaubert", stottere ich und laufe aus dem Haus heraus. Somin ruft mir nach, bleibt jedoch im Türrahmen stehen.
Auf den Straßen ist keine Menschenseele, da es bereits Nacht ist. So kann zumindest niemand meine Tränen sehen.
Das alles ist mir zu viel. Ich kann nicht mehr. Doch wohin soll ich gehen? Gern würde ich zu Darius gehen, aber was, wenn auch er dem Bann verfallen ist? Ich laufe ziellos umher, bis ich die Sonne am Horizont sehen kann. Erschöpft lasse ich mich am Zaun des Übungsgeländes hinter dem Schloss nieder und lasse den Sand durch meine Finger rinnen.
Irgendwann sind meine Tränen versiegt und ich blicke stumm und mit trockenem Mund in den zart rosa-orangen Himmel, bis dieser durch die aufgehende Sonne langsam bläulich eingefärbt wird. Mein Herzschlag hat sich endlich wieder beruhigt und ich kann klare Gedanken fassen. Bis ich letztlich zu dem Schluss komme, dass all das, was hier in den letzten Jahren geschehen ist, so von Elaine geplant wurde. Sie hatte König Farus die ganze Zeit über unter Kontrolle. Warum genau sie ihren Tot vorgetäuscht hat, ist mir nicht ganz klar... es sei denn, sie hat sogar meine Mutter damit täuschen wollen? Nur dass sie darauf nicht hereinfiel. Schon dumm. Doch alles, ja wirklich alles war von ihr so geplant. Sie wusste, wer ich bin, deshalb wollte sie mich nicht zum Feind haben. Deshalb ließ sie Farus so nett und verständnisvoll mir gegenüber verhalten. Ich durfte der Armee beitreten, weil ich mich wohlfühlen sollte. Durfte so unbeschwert Zeit mit Darius verbringen, um einen Grund zu haben, für die Menschen zu kämpfen...Es ist alles so offensichtlich! Es ist eine einzige Intrige, auf die ich hereingefallen bin...!
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Drachenblut - Der erste Tropfen
FantasíaSeit Jahren hielt man sie für tot, doch eines Tages trifft Darius bei einem Auftrag auf die kriegerische Ophelia, die seit sieben Jahren allein im Wald lebt, um so den strengen Gesetzen Albias zu entkommen. Doch schon bald lernen sie die magische We...