„Moreen!" Die schneidende Stimme des Barons Eòghann zur Krähenburg übertönte das Klirren und Klappern der schartigen Übungsschwerter.
Moreen gab vor, ihren Vater nicht gehört zu haben, und griff ihren Cousin Collyn mit einem weit ausholenden Hieb an. Ihre blauvioletten Augen blitzen spitzbübisch in der morgendlichen Junisonne.
Collyn senkte sein Schwert und wich hastig ein paar Schritte zurück, um nicht getroffen zu werden. Zudem wollte er wohl nicht in direkter Linie des gräflichen Zorns stehen. Sein Onkel ließ ihn auch so immer wieder spüren, dass seine Ausbildung zum Knappen der Mühe nicht wert wäre.
„Moreen!" Baron Eòghann erreichte den kleinen Übungsplatz im westlichsten Winkel des Burghofs und stapfte wutentbrannt auf seine Tochter zu.
Moreen strich sich mit der Linken eine Strähne ihrer kastanienbraunen Locken aus der schweißnassen Stirn und ließ niedergeschlagen den Kopf hängen. Um den Kopf ihres Vaters herum nahm sie mit ihrem ‚inneren Auge' ein rot-violettes Leuchten wahr — das verhieß nichts Gutes, ihrer Erfahrung nach plagte ihn ein stechender Kopfschmerz.
„Dieses Benehmen gehört sich nicht für eine Dame!" donnerte Baron Eòghann und verzog gequält das Gesicht. Um seine Augen rankten sich die verblassten Linien und Schnörkel der Tätowierungen, die ihn einst als ranghohen Magier ausgewiesen hatten. Er rieb sich den Nacken und fuhr in gemäßigterem Ton fort. „Du bist jetzt 18 Jahre alt und solltest endlich damit aufhören, dich wie ein junger Taugenichts zu benehmen. Zieh dir sofort etwas Anständiges an, und dann ab mit dir ins Nähzimmer. Mir ist zu Ohren gekommen, dass du deine häuslichen Pflichten in letzter Zeit arg vernachlässigt hast." Er machte auf dem Absatz kehrt und schritt erhobenen Hauptes zurück in Richtung des Wohnturms. Dabei stolperte er über eine Unebenheit im ausgetretenen Pflaster und musste sich am Torbogen abfangen, um nicht zu stürzen.
Moreen blickte ihrem Vater nach und stöhnte. Nun glühten auch sein linker Fuß und die Hand rötlich, die er sich am rauen Mauerwerk aufgeschürft hatte. Seine Laune würde sicherlich nicht besser davon, dass er so schmerzhaft an den fortschreitenden Verfall seiner Burg erinnert worden war.
Seufzend legte sie Collyn ihr Schwert in die ausgestreckte Hand. Vermutlich war dies der letzte Übungskampf mit ihm gewesen, er hatte vor ein paar Wochen sein 16. Lebensjahr vollendet und seine langjährige Ausbildung hier war abgeschlossen. In ein paar Tagen würde er nach Taboron reisen, um am königlichen Hof weiter zum Ritter ausgebildet zu werden. Immerhin würden sie die Reise dorthin noch gemeinsam unternehmen, da Moreen zum diesjährigen Auswahlverfahren für junge Adelige eingeladen worden war.
„Gib mir auch noch deine Lederrüstung, ich räume die Sachen schon weg. Besser, du beeilst dich." Collyn lächelte gequält. „Hoffentlich vergisst dein Vater, dass du mit mir gefochten hast. Das letzte Mal musste ich dafür eine Woche lang die Ställe ausmisten."
„Danke, du bist ein Schatz!" Moreen hauchte einen Kuss auf seine Wange und rannte in den Dienstboteneingang. Zwei Stufen auf einmal nehmend hastete sie die steile, unebene Stiege hinauf in den zweiten Stock, auf dem die Gemächer der weiblichen Mitglieder des Haushalts lagen.
Moreen zog sich Wams und Hose aus, die sie aus der abgelegten Garderobe ihrer älteren Brüder entwendet hatte. Die abgetragenen Kleidungsstücke passten ihr zwar nicht so recht, waren aber weit genug, dass sie sich mit ihren flachen Brüsten darin nicht zu sehr beengt fühlte. Sie frischte sich rasch mit kaltem Wasser ab und warf sich ihr Lieblingskleid aus weichem, beigefarbenem Leinen über, das angenehm weit geschnitten war und ihr gestatten würde, trotz der frühsommerlichen Wärme noch ein wenig abzukühlen.
Dann machte sie sich schweren Herzens auf den Weg ins Nähzimmer am Ende des Flurs.
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Moreen - Vom Recken in die Traufe
FantasyDie junge Fürstentochter Moreen nimmt am Auswahlverfahren für junge Adelige teil, aber ihre Begabung kann nicht eingeordnet werden und sie versagt bei den Vorprüfungen. Auf dem Abschlussball tanzt sie mit dem Kronprinzen Arlyn und verliebt sich in i...