Kapitel 72: Holographisches Silber

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Severus stürmte in den Klassenraum, sein Umhang flog ihm hinterher, die Schüler waren auf der Stelle ruhig und sahen ihn abwartend an.
Er drehte sich ruckartig um, stierte durch die Klasse, begutachtete jeden einzelnen Schüler intensiv.
„Heute", sein dunkler Bariton hallte durch den Raum, „werden Sie mir zusehen.", verkündete er.
Die Schüler sahen sich an, dass sie nichts brauen sollten, sondern ihm bei seiner Arbeit zu sehen sollten war komplett neu.
„Ich werde einen sehr schwierigen und wichtigen Trank brauen. Er ist leider so wertvoll, dass ich Ihnen nicht erlauben kann die teuren Zutaten zu verschwenden, die bei dem ein oder anderen wirklich verschwendet werden...", sein Blick glitt wieder durch den Raum, er betonte jedes Wort mit genau der richtigen Tonlage und Intensität.
Er zog eine Phiole aus der Hosentasche, hielt sie in die Luft, musterte die Schüler, „Weiß jemand, was das ist?", fragte er mit einer hochgezogene Augenbraue, „Niemand?", er legte sie vorsichtig auf den Schreibtisch, wandte sich dann wieder den jungen Menschen vor ihm zu.
„Das...sind Phönixtränen... und heute werden wir sie in einen besonderen Trank geben; er ist das stärkste Gegengift, den es in der Welt gibt. Es heilt alle Gifte, die in den Körper gelangen, gebracht oder aufgenommen werden. Ob vergifteter Met, vergiftete Gegenstände, giftige Pflanzen, Acromantula-Gift oder auch... das Gift von einer Riesenschlange.", er lächelte süffisant, jeder im Raum kannte die Geschichte von ihm, Nagini und Voldemort.
„Dieser Trank hätte mich vor fast einem Jahr vor dem Tod bewahrt, hätte ich ihn vorher genommen.", erklärt er, „Und bevor jemand fragt, nein ich bin jetzt nicht tot", er zog eine Augenbraue wieder nach oben, einige Schüler lachten leise, „Dass ich noch lebe gleicht einem Wunder... zurück zum Thema...", er lief durch eine Tür in das angrenzende Privatlabor, holte seinen Kessel, einige Zutaten und Phiolen und kam schnell wieder zurück.
Zog magisch den ersten Tisch der Schüler zu ihm, „Sie müssen heute nicht auf Ihren Plätzen sitzen. Sie werden aufstehen, sich in einem Halbkreis um den Tisch versammeln und aufmerksam zugucken. Bevor ich es vergesse", polterte er zum Schluss, bevor seine Stimme im Stuhl-Wirr-Warr unterging, „niemand stellt währenddessen Fragen. Was Sie wissen wollen schreiben Sie sich auf, es wird nicht geredet oder gelacht. Dieser Trank ist äußerst schwierig zu brauen, ich brauche meine volle Konzentration. Wenn sich jemand nicht zusammenreißen kann und mich stört, wird er das, was von dem Trank übrig bleibt trinken, das schwöre ich Ihnen.", drohte er leise, seine leisen Drohungen zeigten meist mehr Wirkung, als die gebrüllten.

Sie schluckten und nickten, standen dann leise und gesittet auf und stellten sich ordentlich in einem Halbkreis vor den Tisch, Severus wartete bis es wieder ruhig im Raum war, fing dann an seine Utensilien auf dem Tisch auszubreiten und die Zutaten so vorzubereiten, wie er sie benötigte, um sie in den Kessel zu werfen.
„Es gibt Zauberer und Hexen, die sagen, dass man Phönixtränen nicht in Tränken festhalten kann... lassen Sie mich Ihnen sagen, dass man jede Zutat in jeden Trank einbauen und die Quintessenz bewahren kann, wenn man weiß wie.", er lächelte süffisant fast schon eingebildet, er, genau wie alle anderen wussten, dass er der wahre Meister der Zaubertränke war, er war der Halbblutprinz, einer der fähigsten Zaubertränkemeister von England, Europa, vielleicht sogar der Welt. Er konnte ohne Probleme den ebenfalls sehr schwierigen Wolfsbanntrank brauen wie kein anderer.

Er gab Zutat nach Zutat in den Kessel, Kraut und Blätter, verschiedene Essenzen, drehte die Hitze einige Male fast ganz ab und feuerte den Kessel dann wieder bis zur höchsten Temperatur an. Der Raum war stickig, von schweren Waben durchzogen, eine Feuchtigkeit legte sich auf alles und jeden in diesem Raum, sowohl Severus, als auch die Schüler gerieten bereits nach kurzer Zeit stark ins Schwitzen, die Kleidung war klamm, Schweißperlen standen allen auf der Stirn, tropften teilweise von Haarsträhnen, aber keiner traute sich, sich auch nur annähernd irgendwie zu bewegen. Zu faszinierend und fesselnd war dieses Schauspiel vor ihnen.
Severus atmete kurz durch, der Trank war beinahe fertig, er war die ganze Zeit über höchst konzentriert, der strenge Blick auf den Kessel und die Zutaten gerichtet, seine Hände glitten fast automatisch über den Tisch, passten die Temperatur an, rührten im Uhrzeigersinn und dagegen im Kessel herum.
Er nahm die Phiole mit den Phönixtränen, Fawkes' Tränen, er lächelte beinahe wehmütig, straffte seine Gedanken aber streng, er durfte sich jetzt nicht ablenken lassen, durfte seine Konzentration nicht verlieren. Er öffnete die Phiole, hielt die Hand über den Kessel und ließ genau drei Tropfen in den Trank tropfen.
Eine neue Nebelschwade stieg vom Kessel auf, nahm den ganzen Raum in Beschlag, keiner sah mehr eine Hand vor Augen, sie warteten, bis sich der Nebel legen würde, fühlten einen kalten Hauch und sahen, dass ihr Professor das Fenster im Raum geöffnet hatte um den Nebel abziehen zu lassen.

Sie sahen einander rat- und fassungslos an, ein leises Raunen ging durch die Reihen, Severus stand an seinem Schreibtisch gelehnt, hatte seine Robe geöffnet, das strahlend weiße Hemd, was darunter zum Vorschein kam, schien viele noch weiter zu verwirren.
„Sie dürfen sich den Trank ansehen", sagte er leise, zeigte auf den Kessel.
Wie auf Kommando traten alle einen Schritt näher an den Kessel, lugten hinein und fanden einen Trank vor, der schimmerte wie holographisches Silber.
„Sir", ein junger Mann aus Ravenclaw hob die Hand und wartete, dass Severus ihm erlaubte zu sprechen.
„Mr Edwood...", Severus gab das Zeichen.
„Sie sagen dieser Trank schützt jemanden vor Giften aller Art... selbst vor dem stärksten und schlimmsten Gift der Welt", wiederholte John Edwood, auch wenn er kein Gryffindor war, irgendwie erinnerte er Severus an Remus.
„Richtig", bestätigte Severus langgezogen und dunkel.
„Und... was ist, wenn man den Trank so nehmen würde? Ohne, dass in absehbarer Zeit ein Gift in den Körper gelangen würde...", fragte er vorsichtig, alle Augenpaare im Raum richteten sich auf Severus.
„Das hat noch nie jemand versucht... gerade weil er so kostbar ist. Ich kann Ihnen die Antwort ehrlich gesagt nicht geben.", gab er leise zu.
„Was glauben Sie denn Sir?", John wollte sich offenbar nicht so leicht abspeisen lassen.
„Was ich glaube ist nicht von Belang", Severus richtete sich auf, schloss die Knöpfe seiner Robe wieder.

„Es ist von größtem Belang... wir... wir alle würde Ihre Meinung gerne hören.", John sah sich um, alle Schüler, ob Ravenclaw oder Slytherin nickten ihm zu.
Dieser siebte Jahrgang hat sich wirklich verändert, scherzte seine innere Stimme, jetzt sag ihnen schon was du denkst...
Sein Blick glitt über die Schüler, jeder einzelne wartete gespannt auf seine Antwort, er räusperte sich, „ich denke, wenn jemand diesen Trank nehmen würde, ohne vergiftet worden zu sein... wird er sterben. Dann tritt die paradoxe Wirkung ein, wenn der Trank kein Gift hat, was er bekämpfen kann, wird er die Zellen des Körpers von ‚alltäglichen Giften' befreien... was schließlich dazu führen wird, dass die Zellen sich auflösen und der Mensch verstirbt. Aber... ich kann mir vorstellen, dass es... ein wirklich schmerzloser, beinahe schon schöner Tod wäre...", er machte eine kurze Pause, „was ich trotzdem niemandem von Ihnen raten möchte, der Tod ist endlich. Danach gibt es kein Zurück mehr.", alle nickten nachdenklich, musterten den Trank oder ihren Professor neugierig, noch nie war er so freundlich gewesen, hatte Schüler an seinen Gedanken teilhaben lassen.
„Ich hoffe Sie haben alle gut aufgepasst, es könnte sein, dass nach den Ferien ein kleiner Test auf Sie wartet...", die Strenge in der Stimme war wieder da, „Und jetzt raus, Sie haben noch Unterricht...", er schwenkte den Zauberstab, damit die Tür aufflog, die Siebtklässler holten ihre Sachen, verließen dann zügig den Raum, aber nicht bevor sie sich alle auf irgendeiner Weise bei ihm bedankten.

Als er wieder allein war, füllte er vorsichtig den Trank in zwei Phiolen, mehr würde bei dieser Art von Tränken nicht herauskommen, was unter Anderem auch den Wert der Tränke ausmachte.
Er reinigte den Raum magisch, nahm die zwei Phiolen und ging durch den Durchgang seines Labors in seine Privaträume, legte die Phiolen auf seinen Schreibtisch und lief ins Badezimmer. Diese Unterrichtsstunden hatten viel Kraft und Konzentration gefordert, er war nassgeschwitzt, spürte die klamme Kleidung auf seinem Körper und die Feuchtigkeit auf seinem Kopf.
Er entkleidete sich, stieg in die Dusche und wusch die ganze Anstrengung der Stunden von sich, der Trank forderte alles an Konzentration und Können ab und er hatte ihn ohne Fehler brauen können.

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