Kapitel 77: Erinnerungen

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Severus sah während des ganzen Wegs immer wieder zu ihr, er war zum Zerplatzen glücklich.
„Was ist?", fragte sie unsicher, „Hast du Schmerzen?", Panik schob sich wieder in ihren Blick.
„Da muss ich erst abgestochen werden, damit du zurück nach Hogwarts kommst...", er lachte leicht, was er bereute, denn es zog bis in den Rücken.
„Hör auf darüber Scherze zu machen...", sagte sie leise, schob ihn in seine Räume, die er geöffnet hatte.
Sie schob ihn direkt ins Schlafzimmer, ließ ihn sich hinsetzen, was weiter schmerzte.
Sie stürmte durch die offene Tür zurück durch das Wohnzimmer in sein Privatlabor, suchte Schmerztränke und brachte gleich drei mit zurück, hielt ihm einen davon vor die Nase und legte die anderen beiden auf den Nachtschrank.
Severus musterte Hermine, er konnte das Lächeln einfach nicht von seinen Lippen wischen.
„Nimm bitte den Trank!", forderte Hermine ungeduldig, er entkorkte die Phiole, setzte sie an und kippte den Inhalt seine Kehle hinunter, legte die leere Phiole auf den Nachtschrank.
Sie knöpfte sein Hemd auf, er sah ihr schmunzelnd dabei zu, „ich soll körperliche Aktivitäten auf ein Minimum reduzieren", erinnerte er leise, lächelte immer noch.
Sie sah ihn völlig entgeistert an, „ich will nicht mit dir schlafen, keine Angst!", sie lief wieder aus dem Schlafzimmer, rief, „Leg dich bitte auf den Bauch", aus dem Badezimmer und kam danach mit einer Waschschüssel, Schwamm und Handtuch wieder zurück.

Severus hatte sich hingelegt, es tat immer noch weh, war aber auszuhalten, seine Augen wurden langsam immer schwerer.
Sie hockte sich auf die andere Seite des Bettes, tauchte den Schwamm in das warme Wasser und strich über seinen, immer noch mit Blut verschmierten, Rücken, wusch den roten Lebenssaft von seiner Haut.
„Danke", sagte er leise.
„Danke, dass du mich beschützen wolltest", gab sie zurück, „es tut mir leid, dass es so zu Ende gegangen ist... das wollte ich nicht."
„Das ist nicht deine Schuld.", versuchte er sie zu beruhigen.
„Es fühlte sich aber so an", er hörte die Trauer in ihrer Stimme, drehte seinen Kopf zu ihr, Tränen liefen wieder über ihre Wangen, sie wrang gerade den Schwamm im Wasser aus, strich wieder sanft über den Rücken.
„Ich gehe jedes Risiko für dich ein", sagte er dunkel und leise.
„Sag das nicht", sie stoppte, strich mit der anderen Hand über seine Schulter.
„Es ist so. Ich würde dich lieber bei mir haben und dafür schwer verletzt sein, als gesund und weit weg von dir."
Sie atmete schwer durch, ließ die Waschschüssel vom Bett schweben, warf den Schwamm in die Schüssel und legte sich zu ihm. Er schob seinen Arm über sie, zog sie zu sich, Hermine streichelte durch seine Haare, über seinen nackten Rücken, drückte ihn zu sich.

Er legte seine Lippen auf ihre, küsste sie leidenschaftlich, so voller Sehnsucht und Glück, dass sie wieder bei ihm war, auch wenn er nicht wusste wie lange.
Hermine erwiderte den Kuss mit genau derselben Intensität, sie hatte ihn wirklich vermisst, mehr als irgendetwas sonst.
Ihr wurde klar, dass sie nicht wieder zurück in ihr einsames Leben konnte, sie konnte nicht zurück in das Loft, in die Universität. Ihr Platz war hier, an seiner Seite, egal ob sie hier ihr letztes Jahr wiederholen würde oder nicht, egal ob er hier lehren würde oder nicht. Sie musste und wollte bei ihm bleiben, das merkte sie in genau dieser Sekunde, diesem Moment.
Sie tauschten Blicke aus, die alles und nichts bedeuteten, als würden sie ihre Entscheidungen und Sehnsüchte in der Verbindung ihrer Augen offenlegen und festigen.
Das Band, welches zwischen ihnen, weiß Merlin warum, bestand, war spätestens seit diesem Abend undurchtrennbar.

In dieser Nacht schliefen sie Seite an Seite nebeneinander ein, sie hielten sich fest, als hätten sie Angst, den anderen wieder gehen lassen zu müssen.
Severus wurde von unruhigen Bewegungen an ihm geweckt, er öffnete langsam die Augen, erkannte Hermine, die unruhig und schweißbedeckt neben ihm im Bett verkrampfte. Sie atmete laut, krallte sich in das Bettlaken, die Schweißperlen standen ihr auf der Stirn, liefen über ihr Gesicht.
Severus versuchte sie zu wecken, rüttelte an ihrer Schulter, strich über ihre Wange, „Hermine, aufwachen!", sie fand keinen Weg aus dem Alptraum, wälzte sich unruhig im Bett hin und her, fing an zu stöhnen, was schnell immer lauter wurde und sich wie Schmerzlaute anhörte.
Er musterte sie, sie war gefangen in ihrem Zustand, er spürte den schnellen Puls in ihrem Körper, spürte das Pochen des Herzens, welches gegen den Brustkorb schlug, merkwürdigerweise spürte er nicht nur einen Herzschlag.
Er dachte an die Zutaten, die Minerva vor all den Monaten angefangen hatte sich von ihm zu borgen, er hatte damals recht gehabt. Es waren Zutaten für eine Animagus-Verwandlung, für eine Verwandlung, die für Hermine nun ihr Ende nahm.
Sie befand sich im letzten Schritt, er hatte keine Möglichkeit mehr sie davon abzuhalten, sie hatte den Trank vermutlich gestern Abend zuhause genommen, bekam nun die Vision, von dem Tier, in welches sie sich zukünftig verwandeln könnte, wenn alles gut gelaufen war.
Er wusste, dass er ihr nicht helfen konnte, sie nicht wecken konnte, bis sie sich selbst freigab. Er setzte sich auf, zog sie ein wenig mehr in die Mitte des Bettes, aus Angst, dass sie in ihrer Unruhe aus dem Bett fallen könnte, zauberte sich einen Stuhl und setzte sich darauf, richtete den Blick auf sie. Er betete zu Merlin, Salazar und Godric, dass sie den Trank richtig gebraut hatte, sich an die Regeln gehalten hatte und es keine Komplikationen geben würde.
Wenn Black, Potter und Pettigrew das geschafft haben, dann wird sie es auch schaffen..., dachte er, stützte die Ellenbogen auf den Knien ab und wartete.
Er ignorierte den Schmerz im Rücken, wollte sich nur auf Hermine konzentrieren.
Je länger es dauerte, desto nervöser wurde er, sie schrie teilweise schmerzerfüllt auf, atmete tief in den Bauch, an einem Punkt stoppte ihre Atmung vollkommen, Severus sah panisch auf, er war bis zum Zerreißen gespannt, atmete erleichtert aus, als Hermine wieder anfing regelmäßig und ruhig zu atmen.
Nach gut drei Stunden war der Spuk vorbei, die Anspannung fiel von ihrem Körper als wären unsichtbare Ketten von ihr genommen worden, sie drehte sich erschöpft zur Seite, die Augen waren immer noch geschlossen, sie tastete im Schlaf über Severus leere Seite, wachte durch den fehlenden Körper im Bett auf und sah sich verstrubbelt und nass geschwitzt im Schlafzimmer um.

„Und? Was für ein Tier ist es?", fragte er leise, wollte sie nicht erschrecken.
Sie antwortete nicht, was zum Teil auch ihrer Müdigkeit geschuldet war.
„Ich weiß, dass Minerva die Zutaten für dich gesammelt hat... also... bist du zufrieden mit deinem Tier?", er sah sie musternd an, sie konnte seinen Blick nicht richtig deuten, er wirkte fast schon enttäuscht.
„Ich weiß es nicht...", sie schüttelte kraftlos den Kopf, „da waren Flügel.. aber ich habe meinen Körper gesehen, anders, aber es sah nicht aus wie ein Tier... vielleicht hab ich einen Fehler gemacht", sie sah ihn ängstlich an.
„Wie konntest du das machen? Eine Animagus-Verwandlung ist so gefährlich... viel zu viele Dinge können schief gehen...", sagte Severus anklagend, stand auf und ging zum Bett.
„Ich wollte einfach nur frei sein und... fliegen...", sie senkte den Blick, sie wusste, dass er recht hatte, schämte sich für ihre eigenen kindischen Wünsche und Gedanken.
„Hast du das Gefühl du wärst nicht frei?", wollte er sanft wissen, nahm ihre Hand und drückte sie leicht.
„Denkst du, du bist frei? Würdest du nicht lieber ungebunden durch die Welt reisen? Ohne irgendwelche Blicke auf dir? Ohne Menschen, die dich beurteilen und über dich reden?", sie sah ihn an, strich mit dem Daumen über seinen Handrücken.
„Nach dieser Definition ist wohl niemand frei", er lächelte schief, beugte sich zu ihr und zuckte zusammen, die Bewegung war für seinen Rücken keine Wohltat.
„Ich creme deinen Rücken ein und dann nimmst du einen Trank", ordnete sie an, beinahe so wie Poppy.
Er lachte leicht, legte sich dann wieder auf das Bett, halb zur Seite, um sie noch sehen zu können. Sie schob seine Kleidung hoch, er schnipste, um einen Tiegel mit Salbe herzuzaubern, sie nahm ihn entgegen und cremte die Narbe ein, die noch vom gestrigen Angriff übriggeblieben war.

Als sie ihn vorsichtig mit der Salbe bestrich flackerten vor Severus Augen verschiedene Bilder auf, Bilder, die er vorher noch nie gesehen hatte, als wären es Erinnerungsfragmente, an die er sich nicht erinnerte.
Er sah Hermine, wie sie über ihm kniete und Wunden versorgte, wie sie ihn besorgt ansah und seine Stirn mit einem kalten Waschlappen abtupfte.
Er lächelte, „das ist schon das zweite Mal, dass du mich rettest", er schmunzelte leicht, sie sah ihn fragend an, strich aber weiter über seinen Rücken.
„Was meinst du?"
„Du warst es... in der Nacht... du hast mich gerettet, ich erinnere mich.", sein Lächeln wurde wärmer.

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