Kapitel 29 - Eine kleine Spende

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»Die beiden sind schon ein wenig seltsam, oder?«, sagte ich und nahm einen großen Schluck Wein. Lord Salverton zuckte mit Schultern. »Ja, aber auf eine gute Art und Weise. Oh, wir bekommen Gesellschaft.« Eine Frau mit dunklem Haar und schlechten Zähnen schwankte auf uns zu. Als sie nur noch eine Armlänge entfernt war schloss sie kurz die Augen und holte genüsslich Luft, so als würde sie etwas ganz besonders köstliches riechen. »Guten Abend«, säuselte sie. »Wie wäre es mit einer kleinen Spende?« 

Auch wenn ihr abgerissenes Kleid etwas anderes vermuten ließ, war ich mir sicher, dass sie damit keine Almosen meinte. Der Lord schüttelte bestimmt den Kopf. »Nein, danke. Wir bleiben beim Wein und das solltet Ihr auch tun.« Die Frau schürzte schmollend die Lippen. »Jetzt habt euch nicht so. Wir hätten schließlich alle was davon.« Lord Salvertons Stimme wurde gefährlich tief. »Ich sagte Nein.« Enttäuscht, aber nicht eingeschüchtert drehte sie sich zu mir. Mit dem Zeigefinger strich sie mir eine Haarsträhne in den Nacken und starrte gebannt auf meine Halsschlagader. »Und was ist mit der Lady? Kann die auch für sich selbst sprechen.« 

Konnte sie nicht. Ich bekam kein Wort raus und betrachtete schweigend wie ihre Augen glasig wurden. »Bist du jemals gebissen worden, Mädchen?« fragte sie und ließ ihren Blick dabei kein einziges Mal von meinem Hals weichen. »Ich sage dir, so einen Rausch findest du nirgends sonst.« Endlich gab ich mir einen Ruck und schob nachdrücklich ihre Hand von meiner Haut. »Ich habe kein Interesse, danke.« Die Frau erwachte aus ihrer Trance, seufzte laut und zuckte mit den Schultern. »Na schön. Aber Ihr glaubt ja gar nicht, was Ihr verpasst.« Nachdem sie sich umgedreht hatte, trank ich mein Glas in einem Zug aus. »Immerhin hat sie zuerst gefragt«, sagte ich und nahm mir noch ein zweites vom Tisch. Meine Güte, dieses Zeug war wirklich stark. Mit jedem Schluck wurden meine Gedanken nebliger, aber auf angenehme Weise. So, als müsste ich mir um nichts auf der Welt Sorgen machen. Der Lord sah ihr mit gerunzelter Stirn nach. »Reiner Eigennutz. Wenn sie jemanden angreift wird sie rausgeworfen. Geht es euch gut? Ihr grinst ganz eigenartig.«

Er sah mich besorgt an und ich musste kichern, als der Boden plötzlich sanft zu schwanken begann. »Darf ich etwa keine gute Laune haben?« Die Musik vibrierte in meinen Knochen. Jedenfalls kam es mir so vor und ich sah neidisch zu den Leuten auf der Tanzfläche, die hier offensichtlich den Spaß ihres Lebens hatten. »Wir sollten tanzen gehen!«, rief ich und drehte mich einmal um die eigene Achse. Dem Lord entfuhr ein kleines Lachen, bei dem wieder diese niedlichen Grübchen sichtbar wurden, die ich so gern hatte. 

»Ihr seid betrunken. Schon nach zwei Gläsern, alle Achtung!« Ich schüttelte energisch den Kopf. »Unsinn. Eine Dame betrinkt sich nicht. Ich bin lediglich ein wenig beschwipst.« Wieder lachte er und diesmal konnte ich mich nicht zurück halten und ergriff seine Hand. »Na los. Stellt euch nicht so an. Wir tun doch nichts verbotenes.« 

Er zögerte. In seinem Gesicht spiegelten sich die unterschiedlichsten Emotionen, dann seufzte er und ließ sich von mir in die Menge ziehen.

Die sterbliche BaroninWo Geschichten leben. Entdecke jetzt