Kapitel 12

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Es war ein bekannter Duft der ihr sofort in die Nase kroch, als sie langsam zu sich kam. Ein Duft der ihr so vertraut war, als würde sie nichts anderes kennen. Sie blinzelte und spürte etwas Schweres auf ihren Schultern. Sie setzte sich erschöpft auf und blinzelte gegen das helle warme Licht. Sie seufzte, ihr Rücken schmerzte. Das schwere Sakko rutschte von ihren Schultern. Woher kam das Sakko? Sie nahm den Duft wieder war und ihre Finger fuhren über den Stoff. Es konnte nicht sein. Eigentlich. „Draco hat dich zugedeckt." meinte die vertraute Stimme und Astoria blickte irritiert auf. „Dad." sprach sie und war sofort hellwach, während ihr Vater aufrecht im Bett saß. Er wirkte fast wie immer, während er die Zeitung senkte. Nur er war so unbeschreiblich blass und diese Blässe verriet ihr, dass er eben nicht gesund war. „Er holt uns Kaffee." „Wer?" fragte Astoria verwirrt und ihr Vater wirkte amüsiert. „Du bist eindeutig noch nicht ausgeschlafen." Nicht ausgeschlafen? Sie hatte gedacht ihr Vater Würde sterben. Er war nicht einmal ansprechbar gewesen, als sie im Mungo angekommen war.

„Draco. Draco holt Kaffee. Er hat Theo abgelöst." Okay, vielleicht war sie einfach noch nicht wach. Denn was sollte Draco hier wollen? Es ergab keinen Sinn. Oder ihr Vater halluzinierte. Auch eine Möglichkeit. Aber woher kam das Sakko und warum roch es eindeutig nach Draco? Sie würde diesen Duft überall erkennen. Er hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Sie setzte sich auf, nur um sich auf die Bettkannte zu setzen und nach der Hand ihres Vaters zu greifen. „Wie geht es dir?" fragte sie besorgt und Hyperion schien darüber nachzudenken. „Ich fühl mich ganz gut. Vielleicht kann ich heute schon nachhause." Ihre Augen verdunkelten sich „Du wirst nirgendwo hingehen. Du bist gestern fast im Esszimmer unseres Anwesens krepiert. Du wirst das tun, was die Heiler anordnen." „Oh meine Tochter heute ganz energisch." witzelte der Mann und sie schnaufte ärgerlich aus. Es war wohl nur Theo zu verdanken gewesen der so instinktiv reagiert hatte, dass ihr Vater noch unter den Lebenden weilte.

Sie hörte Schritte und wandte den Kopf nur um tatsächlich in dieses vertraute Gesicht zu blicken. Draco Malfoy stand an der Tür mit offenbar drei Pappbechern. Es war einfach surreal. „Morgen." meinte er schlicht, bevor er weiter in den Raum trat und die Becher auf dem kleinen Beistelltisch am Bett abstellte. Er war hier. Spazierte hier rein, einfach so. Was war passiert? Sie fuhr sich an die Stirn. Ihr Kopf schmerzte. Sie blickte erst auf, als ihr einer der Becher entgegen gehalten wurde und sie nahm ihn zögerlich mit einen murmelnden „Danke" von Malfoy entgegen. Sie trank daraus und behielt den Blonden im Auge wie er selbst einen der Becher nahm und sich auf den freien Stuhl setzte. Verrückt. Sie brauchte eine kalte Dusche oder Schnaps. Eins von beiden. Ihr Vater wollte nach den letzten Becher greifen, doch Astoria schnappte ihn weg. Hyperion wollte den Mund aufmachen, doch sie ließ es nicht zu. „Keinen Kaffee für dich. Das ist schlecht für dein Herz." sagte sie energisch und stand auf. Sie warf den dritten Becher in den Abfalleimer der an der Tür zum Badezimmer stand, bevor sie darin verschwand.

Sie war wirklich noch nicht richtig wach. Wäre sie bei klarem Verstand würde sie Malfoy aus dem Zimmer werfen und ihn anfahren was er hier wollte. Egal, was spielte es für eine Rolle ob der Trottel hier war oder nicht? Sie stellte den Becher auf die Ablage und wusch sich ihr Gesicht. Von ihrem hübschen dezenten Makeup war schon nichts mehr zu sehen gewesen, als sie in London mit William angekommen war. Guter beständiger William, ohne den sie nicht so schnell in England gewesen wäre. Er hatte keinen Moment gezögert als sie ihn darum gebeten hatte seine Maschine klarmachen zu lassen. Nein, er war sogar mitgeflogen und das obwohl sein Monster von Verlobte ihn wieder ein regelrechtes Drama aufzeigen würde. Schreckschraube. Was fand er nur an dieser Parker? Sie würde es nie verstehen. Aber sie hatte es damals schon nicht verstanden. Es war nicht wichtig. So wie viele Dinge an Bedeutung für Astoria verloren hatten. Sie schloss kurz die Augen, bevor sie tief durchatmete und wieder nach draußen trat.

Ihr Vater senkte wieder die Zeitung und beobachtet sie, so wie Draco. Sie ignorierte beide, bevor sie sich wieder aufs Bett setzte und nach ihrer Handtasche griff die sie hastig in der Wohnung vollgestopft hatte. Sie fischte nach einem Haargummi und band ihre Haare zu einem Zopf. Dann griff sie nach ihrem Handy. „Ich vermute kein Empfang." meinte ihr Vater und sie nickte stumm. Typisch England und ihre magisch konzentrierten Orte. Als würde ihnen ein wenig Technik schaden. „Du solltest Nachhause fahren und dich ausruhen, Astoria." sprach ihr Vater weiter und sie schüttelte den Kopf, um die letzten Nachrichten zu sehen die eingegangen waren, bevor sie ins Mungo gekommen war. „Nein. Ich will mit einem Heiler sprechen. Ich will wissen was als nächstes passiert." „Liebling, dein Freund macht sich sicher Sorgen." Sie steckte ihr Handy weg und stand auf. „Phillip ist bei einem Spiel. Er wird jetzt Training haben. Außerdem hat er sicherlich schon Daphne oder Theo erreicht." Mit Sicherheit. Vermutlich hatte er mit sich gerungen ob er nachkommen sollte oder nicht. Aber das Spiel war wichtig. Sehr wichtig für seine weitere Karriere. Und was sollte er hier schon ausrichten, außer zu warten?

„Du solltest bei ihm sein." meinte Hyperion und sie sah ihren Vater an „Ich werde nirgends hingehen, solange es dir nicht besser geht" Und vor allem bis sie nicht wusste was mit ihrem Vater hier passierte. „Außerdem wäre ich so oder so nicht mitgekommen zu dem Auslandsspiel." Sie hatte wichtige Termine gehabt für die Arbeit, die jetzt wohlmöglich ihre Assistentin alle absagen musste. Aber Familie ging vor. Nun, zumindest ging ihr Vater vor. Sie faltete das Sakko zusammen und legte es auf den Rand des Bettgestelles, bevor sie nach einem breiten Schal aus der Tasche fischte und es sich um die Schultern schlang. „Ich suche jetzt nach einem Heiler. Du bleibst liegen und Finger weg vom Kaffee." befahl sie ihren Vater streng der gespielt ernst dreinblickte „Alles klar, Frau Heilerin." Idioten, alle Männer. Eindeutig. Sie trat in den Gang und blickte auf, als sie ihre Mutter in einem Zimmer am Ende des Ganges sah. Constanze wirkte wie immer recht steif auf ihrem Stuhl vor dem Schreibtisch offenbar der dem Heiler gehörte.

Astoria trat vorsichtig näher und runzelte die Stirn, als der Heiler meinte „Wir haben das ja kommen sehen. Es war nur eine Frage von Zeit bis das Herz die ganzen Medikamente nicht mehr verträgt." Medikamente? Astoria verstand nicht. „Was können wir jetzt tun?" fragte ihre Mutter ruhig und der Heiler mit den wilden blonden Locken zuckte leicht die Schultern. „Nun zuerst einmal die Dosis erhöhen und ihr Mann muss sich schonen. Ich will sie nicht anlügen, Mrs. Greengrass. Wir sind jetzt in einem Stadium wo es sehr geschwind gehen wird." Astorias Herz schlug schnell. „Damit haben wir bereits gerechnet, mein Mann und ich." „Soll das heißen Papa ist krank und ihr habt das die ganze Zeit gewusst?" warf Astoria ein und ihre Mutter wandte sich erschrocken um. „Astoria." empörte sich ihre Mutter wie früher, als sie noch klein war und etwas angestellt hatte. Als Kind hatte sie sich dann immer sehr verlegen gefühlt. Doch diese Zeiten waren schon lange vorbei.

„Ist Papa krank?" fragte sie lauter und trat weiter in den Raum „Ist er krank und du hast davon gewusst?!" Der Heiler schaltete sich ein, bevor ihre Mutter antworten konnte. „Miss Greengrass, ihr Vater leidet schon seit Jahren an der Erkrankung seiner Herzkranzgefäße." Man hätte ihr ebenso ins Gesicht schlagen könne. „Was?" fragt sie fast lautlos und der Heiler sah sie fast mitleidig an. „Es ist wahr. Ihr Vater lässt sich schon seit Jahren deshalb hier behandeln. Durch die Erkrankung besteht eine Insuffizienz." Sie runzelt die Stirn „Was ist das?" „Eine Art Herzschwäche. Wir haben die Krankheit die letzten Jahre gut eingedämmt und immer wieder die Gefäße nun verstärkt und erweitert. Aber die Krankheit geht nun mal auch nicht mehr weg und die Medikamente kommen irgendwann auch an ihre Grenzen." Sie schüttelte den Kopf „Was soll das heißen?" Der Heiler blickte ihre Mutter an, bevor er seufzte und die Hände auf dem Tisch faltete. „Wir werden alles für ihren Vater tun, was in unserer Macht steht, aber die Tränke werden keine Heilung vollbringen. Höchstens eine Verlängerung. Eine Verbesserung der jetzigen Lebensqualität."

Ihr Herz schmerzte „Heißt das... heißt das er wird sterben?" Es auszusprechen machte es real, schellte sie ihr Verstand und der Blonde Mann nickte kaum sichtbar. „Ja. Auf kurz oder lang wird er sterben." Ein eiskalter Schauer jagte ihr über den Rücken „Und ich will sie nicht anlügen. Es wird jetzt recht schnell gehen. Wir haben die maximale Dosis fast erreicht. Auf Dauer macht das kein Herz und vor allem kein Kreislauf mit." Sie glaubte nicht was sie da hörte. Wollte es auch nicht. „Astoria." sagte ihre Mutter, als Astoria sich einfach abwandte und ging. Sie glaubte zu ersticken. Sie brauchte frische Luft und zwar dringend. Das Mungo wirkte verwaist, während sie die Gänge entlang lief zu den Aufzügen. „Astoria." rief Constanze erneut und holte sie tatsächlich ein, während Astoria die Knöpfe drückte um den Aufzug zu rufen. Als ihre Mutter wieder ansetzen wollte, wirbelte Astoria herum „Du hast gewusst das Papa krank ist und es nicht für nötig gehalten, es uns zu sagen?" „Es war die Entscheidung deines Vaters es dir nicht zu sagen." erwiderte ihre Mutter fast kühl und es fühlte sich wie eine Ohrfeige an. „Mir? Was heißt das?" Ihre Mutter atmete schwer aus „Deine Schwester weiß es schon seit ihrer Verlobung." Daphne wusste es und hatte es mit keinem Ton erwähnt. Sie alle wussten es, nur sie nicht.

Sie kämpfte mit den Tränen „Ihr habt es alle gewusst und mir nicht gesagt?" Ihre Mutter bedachte sie mit diesem bemitleidenden Blick, den sie perfekt aufsetzen konnte und den Astoria hasste. „Er wollte nicht, dass du deine Wünsche zurückschraubst nur weil er krank ist. Himmel Kind, dein Vater leidet unter dieser Erkrankung schon seitdem du neun bist." Sie versucht die Fassung zu behalten. Ihre Stimme zitterte als sie sprach „Das ist nicht fair. Es mir zu verheimlichen, mir Zeit mit ihm zu stehlen ist nicht fair." „Jetzt mach mal einen Punkt." sprach ihre Mutter ruhig aber offenbar mit Ärger in der Stimme. „Dein Vater hat das entschieden und diese Entscheidung hast du nicht in Frage zu stellen." Hatte sie nicht? Er war ihr Vater. „Er wollte nicht, dass du Zuhause sitzt und Pflegerin spielst, sondern dein Leben lebst. Bei Merlin, Astoria. Ist das wirklich so verwerflich." Ja war es. „Ihr hattet nicht das Recht das zu entscheiden." fuhr sie ihre Mutter an. „Ihr hättet mir die Wahrheit sagen müssen. Ihr alle. Aber ihr lügt mich lieber allesamt an." Sie stieg in den Aufzug und ihre Mutter folgte ihr nicht. Wusste wohl, dass es nichts bringen würde. Wenn Astoria einen Standpunkt einmal hatte, dann ließ sie sich kaum davon fort bewegen.

Und ihr Standpunkt war ganz klar. Sie hätte bei ihm bleiben müssen. Sie hätte hierbleiben müssen in England, bei ihrem Vater. Mit ihm mehr Zeit verbringen müssen. Ihm beistehen müssen. Sich um ihn kümmern müssen und das hätte sie getan, wenn sie davon gewusst hätte. Mit Sicherheit. Sie trat in die Empfangshalle und sah vermutlich wie ein bunter Pfau dort aus mit ihrem Abendkleid. Aber das war ihr egal. Sie fuhr sich über die Wangen und nassen Augen. Er würde sterben und was noch schlimmer war, ihr Vater hatte es die ganze Zeit gewusst und mit keinem Wort gesagt. Niemals. „Astoria." sagte eine vertraute Stimme und sie blickte auf. Narzissa und Lucius Malfoy standen da. Narzissa wirkte erstaunt, doch in Lucius Blick lag etwas, was sofort Astoria erkannte. Er hatte es auch gewusst. Mit Sicherheit. Jetzt ergab das alles einen Sinn. Das Testament. Deshalb wollte ihr Vater, dass sie bei Lucius das alles machen ließ. Weil er wusste, dass sie damit in guten Händen war.

Ihr Vater hatte bereits alles geplant. Sein Ableben und wie es danach weitergehen würde. Damit alle versorgt waren. Damit nichts vergessen wurde und vor allem niemand von der Familie. Sie schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte bitterlich auf. Es war Lucius der offenbar mit wenigen Schritten bei ihr war und sie behutsam in den Arm nahm, als wäre es das normalste der Welt. „Schon gut." murmelte er, während sie gegen seine Brust weinte. „Schon gut." Nichts war gut und nichts würde mehr gut werden. Ihr Vater würde sterben. Der Mensch der ihr am wichtigsten war, würde nicht mehr existieren. Der Mensch der ihr immer beigestanden war. Himmel wie viele Sorgen hatte sie ihrem Vater aufgeladen mit ihren lächerlichen Problemen. Sie war so eine verdammte Idiotin und Egoistin. Sie war ein schrecklicher Mensch.


Sie will nicht liebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt