Kapitel 84: Zurückhaltung

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„Ich dachte Sie würden sich die Salbe holen...", sagte sie skeptisch.
„Ich bin nackt.", er zog eine Augenbraue nach oben.
„Ja und ich werde nass...", Hermine sah ihn verwirrt an.
„Sie können sich wieder trocknen.", gab er zurück.
„Sie können sich auch einfach Ihr bestes Stück verdecken."
Beide sahen sich perplex an, gingen dann jeweils dem anderen einen Schritt entgegen, blieben abrupt stehen und sahen sich wieder an.
„Ich komme zu Ihnen", meinte Hermine und bedeutete ihm stehen zu bleiben.
Sie lief schnell zu ihm, drückte ihm den Tiegel in die Hand, wollte sich schon wieder umdrehen als sie seinen Blick auf sich spürte.
„Was ist? Eincremen können Sie sich alleine, oder soll ich das machen?", fragte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Sie waren doch beim ersten Mal auch so scharf darauf", er zuckte mit den Schultern.
Sie legte den Kopf schief, schüttelte ihn leicht, ihre Fassungslosigkeit machte sich auf ihren Zügen breit, dann zuckte sie ebenfalls mit den Schultern, nahm ihm den Tiegel wieder aus der Hand, „wie Sie wollen. Ich habe kein Problem damit.", sie öffnete ihn, tunkte die Finger in den Topf und strich über die Vielzahl der Bissspuren, die über seinen Oberkörper verteilt waren.

Eine Gänsehaut folgte ihren sanften Berührungen, es fühlte sich merkwürdig gut an, ihre Finger auf sich zu spüren, sie hatte zarte Finger die vorsichtig, aber präzise über die Wunden flogen.
Er war so in Gedanken vertieft, dass er gar nicht bemerkte, dass sie sich der Narbe am Hals näherte und sie ebenfalls bestrich, er griff blitzschnell nach ihrem Arm.
„Auch da muss Salbe hin", sagte sie leise, sah ihn eindringlich an, er schluckte, „ich mach das schon."
„Sir... ich weiß, dass Sie diese Narbe furchtbar finden. Sie hassen und verabscheuen sie, aber sie sieht nicht so schlimm aus, wie Sie meinen.", sie lächelte ihn aufmunternd an, ließ trotzdem die Hand sinken, wollte ihn nicht in eine Ecke drängen, verschloss den Tiegel und lief zurück zum Ufer, trocknete sich magisch als sie aus dem Wasser kam und zauberte eine Decke auf den Boden.
Er folgte ihr langsam, die Hand vor dem Gemächt, peinlich genau darauf achtend, dass nichts verrutschte oder zu sehen war. Noch bevor er sich bücken konnte zauberte sie ihm die Kleidung an, auch wenn sie ihn wirklich gerne ohne gesehen hätte.
„Danke", sagte er leise, sah ihr flüchtig in die Augen. Sie lächelte leicht und nickte.
„Sie dürfen sich gerne dazu setzen", sagte Hermine, als er sie musterte.
„Danke, sehr freundlich.", er setzte sich langsam mit viel Abstand zu ihr.
„Ich bin immer freundlich", Hermine schüttelte den Kopf als sie ihn bei seiner Handlung beobachtete.
„Die überaus geliebten Gryffindors sind natürlich immer freundlich... ein Haus voller Goldkinder...", spottete er.

Hermine suchte seinen Blick, sagte nichts, ließ nur ihre Augen sprechen und sah dann auf den See.
„Ich weiß nicht, was Sie gegen Gryffindors haben. Und vor allem nicht gegen mich, ich hab Sie nie beleidigt, nie schlecht über Sie geredet, im Gegenteil. Und das meiste was Sie mir entgegenbringen ist Misstrauen und Antipathie.", sagte sie ernst, es störte sie wirklich, denn es fühlte sich so an als wäre es nicht nur die liebevolle Stichelei, sondern eine wirkliche Abneigung.
„Gryffindors... ich kenne zum größten Teil nur selbstverliebte inkompetente und besserwisserische Löwen... Sie bilden da vielleicht eine Ausnahme.", meinte er ebenso leise, dachte vor allem an Potter und Black.
„Vielleicht?", fragte sie empört.
„Sie sind auch besserwisserisch und vorlaut! Miss Neunmalklug, die jede Antwort auf jede Frage wusste...", er schüttelte den Kopf, schnaubte auf bei diesen Erinnerungen.
„Und wo ist das Problem? Sie wollten doch immer, dass wir lernen und uns mit Ihrem Fach auseinandersetzen.", protestierte sie.
„Aber Sie mussten nicht in jeder Stunde allen die Antwort auf die Nase binden. Ein wenig mehr Zurückhaltung hätte Ihnen gut getan.", er sah sie böse an.
„Zurückhaltung? Sie meinen wohl Angst! Sie hatten einfach nur ein Problem damit, dass Harry und ich uns nicht von Ihnen haben einschüchtern lassen!", sagte sie wissend, zog eine Augenbraue nach oben.
Er senkte den Blick, ihre Worte schmerzten, auch wenn sie wahr waren, „ich wollte nie, dass Sie Angst haben. Aber es musste sein.", gab er leise zu.
„Ab jetzt muss gar nichts mehr sein", sie versuchte ihn wieder aufzuheitern.

Stand dann auf, zauberte sich ein zweites Zelt, in einer völlig anderen Richtung und ging langsam hinein.
„Was machen Sie?", fragte er verwirrt und folgte ihren Schritten.
Hermine stoppte, drehte sich leicht zu ihm, „ich übe mich in Zurückhaltung", ein schiefes Lächeln flog über ihr Gesicht, dann ging sie herein, zauberte sich ein paar Kissen und ein paar Decken und kuschelte sich in ihre Unterkunft.

Severus saß nachdenklich am Ufer, warum war sie nur so erpicht darauf, dass er nicht mehr böse sein musste? Dass sie sich verstanden?
Offenbar musste irgendetwas passiert sein oder besser irgendetwas würde passieren.
Vielleicht hätten sie sich so sehr gestritten, dass es bis zum Äußersten ging?
Das wäre undenkbar, hätte er sich so sehr von ihr provozieren lassen?
Sie konnte ihn reizen, bis aufs Blut sogar, aber er empfand auch eine leichte Spur von Anerkennung dafür, dass sie ihm die Stirn bot und nicht zurückschreckte.
Vielleicht hast du sie angefasst... wäre ja nicht das erste Mal, dass du es gegen jemandes Willen tust, warf seine innere Stimme ein.
Er versteifte sich, würde er sie irgendwann anfassen?
Wollte sie das verhindern?
Hatte sie deswegen auch das zweite Zelt gezaubert?
Um ihm nicht zu nahe zu sein?
„Ich würde sie nie anfassen!", sagte er zu sich selbst, starrte böse auf den See, „Hermine Granger... dass ich nicht lache", er dachte an das Kind, welches vor sieben Jahren nach Hogwarts gekommen war, sie war ein ewiger Quälgeist, wenig ansehnlich. Aber in den letzten Jahren ist aus dem kleinen Entlein ein zugegebenermaßen wunderschöner Schwan geworden.
Sie war intelligent, begabt, witzig, mutig, sie hatte eine unbestreitbare charmante Ader an sich, wenn sie wollte.
Ihre Berührungen waren sanft gewesen, ihre ganze Persönlichkeit wie Mutter Natur selbst, unberechenbar. Sie konnte sich wie eine sanfte Welle an einen schmiegen und im nächsten Moment wie ein haltloser Vulkan explodieren.

Er schüttelte den Kopf, er würde sie nicht anfassen. Er war ihr Professor und diese innere Einstellung würde sich vermutlich nie ändern.
Wobei die Vorstellung sie in seinen Räumen in Hogwarts zu- Severus! Du warst nie diese Art Mann und diese Gryffindor hätte sich auch nie darauf eingelassen... spar dir diese Gedankengänge..., mahnte er sich selbst.
Die letzten Jahre hatte er kaum an intimeren Kontakt gedacht, das letzte Mal Koitus hatte er noch bevor der Dunkle Lord wiedergekommen war, ab da war die vermeintliche Ruhe vorbei.
Der Frieden war auf Eis gelegt, ebenso wie seine körperlichen Bedürfnisse und er würde garantiert nicht anfangen, sie bei ihr wieder aufleben zu lassen. Vor allem nicht, wenn sie noch mehr als sechs Monate hier auf mehr oder weniger engstem Raum zusammengepfercht waren.

*
So vergingen die ersten Tage ihres getrennten Zusammenlebens, Hermine war meist in ihrem Zelt oder flog als Adler durch die Luft und erkundete die Umgebung, Severus saß meist auf der Decke am Seeufer und fand mit der Zeit immer mehr Frieden mit sich, der Welt und seiner Vergangenheit.
Er dachte viel nach, ließ die ganzen Jahre immer wieder Revue passieren, eruierte Fehler und Taten, reflektierte seine Art. Er war ruhig geworden, kam einfach nicht zu dem Schluss, warum die junge Frau ihm geholfen hatte, ihn gerettet hatte.

An einem Abend entzündete er ein kleines Lagerfeuer, suchte seinen Weg dann zu ihrem Zelt, Hermine lag einfach nur da, starrte verträumt halb aus dem Zelt in den weiter aufziehenden Nachthimmel und die Sterne, die ihn schmückten.
„Miss Granger?", er sah sie abwartend an, ihr Blick klärte sich langsam auf, sie lächelte freundlich, aber ein wenig verhalten.
„Würden Sie mir am Feuer Gesellschaft leisten?", er versuchte ein ungezwungenes Lächeln zu lächeln, wirkte dabei aber eher gequält. Er war nicht der Beste im Kontakt-knüpfen, aber er wollte sich bemühen.

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