1. Vergeben und gefressen

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Wir können nicht zusammen sein. Es tut mir leid. Ich spürte wie die Wut begann in mir aufzusteigen als ich die Treppen des Hochhauses hinabstieg. Meine Tasche, mit den wenigen Sachen, in der linken und das alte Geländer in der rechten Hand. Meine Arme zitterten vor Aufregung während mein Kopf nur so vom Schmerz pulsierte. Ich musste meine Gedanken sortieren und verstehen was eben passiert ist. Noch gestern saßen wir gemeinsam auf der Wiese abseits der Stadt und genossen unsere Zweisamkeit. Alles war perfekt. So glaubte ich es zumindest. Heute Morgen war dann plötzlich alles anders. Schon nach dem Aufstehen habe ich seine Abneigung gespürt. Das Frühstück, welches aus einem Toast und kaltem Tee bestand, haben wir schweigend verbracht und nachdem ich mich geduscht und angezogen hatte, sprach er diese Sätze aus und warf mich damit aus seiner Wohnung. Ich hielt kurz inne um zu überlegen ob ich nochmal umkehren und ihm den Hals umdrehen oder doch in den Arm fallen soll um zu betteln, dass er es nochmal mit mir probieren muss. Doch ich wusste, dass beides keine gute Idee war und stampfte weiter die Treppe hinab. Mir kamen diese Stufen so endlos vor und noch immer hatte ich dieses Pulsieren in meinem Kopf. Die Wut begann meine Gedanken umzuformen und im Augenwinkel sah ich wie die Schatten begannen zu zittern. Ruhig atmete ich tief  ein und aus, schloss meine Augen und hielt erneut für eine Sekunde inne. Die Wut in mir wurde gedämmt und als ich die Augen wieder öffnete, bewegten sich auch die Schatten nicht mehr.
Entschlossen lief ich weiter und nach wenigen Stufen erreichte ich die Tür des Gebäudes. Mit einem Ruck schlug ich sie auf und trat auf den schmutzigen Gehweg der Stadt. Blinzelt erblickte ich das gedämmte Licht. Grauenhafte Gerüche, drängelnde Menschen und laute Wagen - wie ich diese Stadt hasse. Ich schulterte meine Tasche und schob mich gekonnt durch die Menschenmassen. Noch immer hatte ich zu viele Gedanken über die geschehene Situation am Morgen in meinem Kopf. Es kommt mir beinahe so vor als wäre es nur ein schlechter Traum gewesen. Jemand riss mich unsanft aus meinen Gedankengängen. „Was?!" „Woah, ganz ruhig Süße!" Sam, was für ein Vollidiot. Das nächste Mal, wenn er mich so unsanft anpackt, reiße ich ihm die Arme vom Körper. Er stand mit seinem breiten Grinsen im Gesicht vor mir und hielt mir einen dampfenden Becher hin. „Hast du mich etwa vergessen Prinzessin?" Verdammt das Treffen.... es war heute. „Oh, ja. Es tut mir leid. Ich hatte keinen guten Morgen." Ich griff nach dem heißen Becher und bedankte mich mit einem leichten Lächeln, welches Sam nur noch mehr grinsen ließ. „Was ist denn passiert? Hat dich dein Verehrer in den Wind gesetzt?" Er gab mir einen unsanften Stoß. Verdammt, wenn er kein Läufer der Dämonen wäre, würde ich ihn für diesen Spruch und den Stoß wirklich den Kopf abreißen. „Haha, lustig Sam." Er blieb kurz stehen und eilte dann aber wieder hinter mir her und versuchte mich nicht in der Menschenmasse zu verlieren. „Wie jetzt? Wirklich? Das ist ja krass." „Ja das ist super krass Sam." Erneut spürte ich die Wut in mir aufkochen. „Und hast du ihm den Kopf abgebissen? So richtig dass das Blut nur so floss?" „Man merkt, dass du keine Erfahrung mit solchen Sachen hast und nur ein Läufer bist und verdammt nein, ich habe ihn nicht getötet. Aber wenn du weiter solche Fragen stellst, dann beiße ich dir hier und jetzt deinen Kopf ab." Er grinste wieder breit. „Das wäre aber in vielen Punkten nicht praktisch für dich." Da hat er recht. Weder dass ich einen Läufer ohne Grund umbringe, noch, dass ich es hier vor allen Menschen machen würde, würde mir gutgesprochen werden. „Sieh dir nur diese ganzen Menschen an. Wie sie drängeln und ihre Blicke sowie Gedanken nur auf sich selbst gerichtet sind. Blind für die Realität die direkt zwischen ihnen und außerhalb der Mauern lebt." Ich ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen während ich zu dem alten Kiosk ging und mir eine Zeitung nahm. Eilig blätterte ich bis zur letzen Seite durch. Ich hielt den Atem an. Wieder drei tote Dämonen. Sehr mächtige sogar. Die Engel sowie menschlichen Jäger haben mit ihrer Technologie und Technik aufgeholt. Immer mehr Dämonen starben. Und die Tryn durften nur dabei zusehen. Ich zerknüllte wütend die Zeitung und ließ sie fallen. Erneut begannen die Schatten zu zittern. „Hey, bleib ruhig. Wir haben genauso viele Engel und Jäger erwischt. Es wird nur vertuscht. Und bald wird es soweit sein. Wenn dein Meister sowie meiner sich vereinen und ihr Bündnis besiegeln, werdet ihr gerufen werden. Okay? Deine Zeit wird kommen." Okay, Sams Worte waren wahr. Die Zeit wird kommen. „Unsere." Ich blickte in den Schatten, welcher sich langsam bewegte. „Richtig, Eure." Sprach er hastig. „Ist er hier?" Er blickte sich nervös um. Er hatte auch allen Grund dazu. „Ja ist er. Ich grinste. „Er ist sogar gerade in deinem Schatten und wartet nur darauf dir die Beine abzubeißen." Sam sprang nach meinen Worten im Dreieck, wie ein Teenager der sein Handy verloren hat. Ich musste laut lachen. „Zur Hölle mit dir, das ist nicht lustig Luna! Du weißt, dass ich verdammten Respekt vor deinem Dämon habe!" „Solltest du auch." Ich tippte Sam auf die Nase. „Nun gut. Hier trennen sich unsere Wege. Ich gehe heute durch die Gassen zur Mall und danach zur Mauer. Wir sehen uns." „Nun gut dunkle Prinzessin, ich werde dich schon bald wiedersehen." Er verbeugte sich tief und ein paar seiner dunklen Strähnen fielen ihm in sein perfektes Gesicht. Die dunkelbraunen Augen starrten mich aufmerksam eine Weile an, bevor er weitere Worte sprach. „Ich halte dich auf dem Laufenden Luna. Es hat mich gefreut dich mit meiner Anwesenheit zu beglücken." Er grinste erneut und verschwand dann in der Menge. Ich mochte Sam. Auch wenn ich es mir selbst manchmal nicht gestehen wollte. Wie immer hatte ich meinen Becher nur bis zur Hälfte getrunken und warf ihn dann in den selben Mülleimer wie nach jedem Treffen. Ich blickte in den Himmel. Nur Rauch, hohe Häuser und fahrende Bahnen, welche nach oben gebaut worden waren. Schon bald werden die Menschen mehr am Himmel sehen können. Ich schüttelte enttäuscht meinen Kopf, schob mich weiter durch die Menge und ging in die Gassen. Endlich Luft zum Atmen und keine Menschenmasse. Hier waren meistens nur vereinzelte Personen- Penner, Drogendealer oder auch ein paar Kids, welche ihren Mut probten oder auch Menschen nach Zigarren sowie Geld fragten. Menschen waren seltsam und ich wurde einfach nicht schlau aus ihnen. Sie lebten hinter den Mauern in ihrer Traumwelt im Schutze der Engelsgarnison und glaubten, dass nichts und niemand ihnen etwas anhaben kann. Sie glaubten daran, dass die Dunkelheit und ihre Kreaturen sie nicht erreichen können. Unwissend darüber, dass wir schon lange unter ihnen leben. Ich muss nur geduldig sein und auf mein Signal warten. Ein Grinsen huschte über meine Lippen.
„Hey!" „Hey, du!"
Ich blieb stehen und bleckte mir genervt die Zähne. Langsam drehte ich mich um. „Was willst du Junge?" „Gib mir dein Geld!" Seine Aussage war klar und deutlich. Er war sich seiner Sache bewusst. „Das geht nicht Junge." „Das war keine Bitte!" Mit diesen Worten holte er ein Messer aus seiner Tasche und ging auf mich zu. „Weißt du, dass ist eine ganz dumme Idee." ,flüsterte ich. „Was sagst du da?" Er stand nun direkt vor mir und ich spürte seinen Atem auf meiner Haut. „Ich sagte, dass es eine dumme Idee ist." Ich grinste in sein Gesicht. Mit einer schnellen Bewegung entwendete ich ihm sein Messer und hielt seinen schwachen Hals in meinen Händen. „Was zum?!" Die Worte kamen gequält aus seinem trockenen Mund. Ich sah die Angst in seinem Gesicht aufsteigen. Langsam kam ich ihm immer näher bis ich sie auch riechen konnte. „Zu schade, dass du dein junges Leben so derart wegwirfst. Ihr dummen Menschen verschenkt all eure Leben als sei es nichts." Ich berührte mit meiner Zunge seinen schweißgebadeten Hals. Nun konnte ich seine Angst auch schmecken. Er versuchte sich vergeblich von meinem Griff zu lösen. „Verdammt du Kranke, behalte dein Geld und lass mich in Ruhe!" „Dafür ist es zu spät Junge. Weißt du Rhunin und ich hatten keinen guten Morgen und ein richtiges Frühstück hatten wir auch noch nicht." Vergnügt bleckte ich mir die Zähne und blickte zum Schatten, welcher sich langsam und hungrig erhob. Ich drückte den Kopf des Jungen in die Richtung des lebendig werdenden Dunklen und ließ in zusehen wie dieser die Form eines riesigen Wolfes annahm. Ich packte den Jungen in den Nacken und zog ihn dichter zu der Kreatur. Er weinte und kämpfte gegen mich an. Doch desto mehr er kämpfte und die Angst in ihm wuchs, desto größer wurde unser Hunger. Ich richtete den Jungen, welcher um Gnade flehte, auf und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Ist schon gut. Hab keine Angst. Ich vergebe dir." Dann richtete ich meinen Blick auf die große Schattengestalt, welche geduldig und hungrig in der Dunkelheit wartete. „Guten Appetit Rhunin." Und mit einem festen Stoß stolperte der Junge schreiend in das Maul des Wolfes und wurde binnen von Sekunden gefressen. Ich spürte wie die Schatten um meine Beine tanzten und hörte ihre Stimmen flüstern. Rhunin hatte keine Spuren von dem Jungen hinterlassen und setzte sich neben mich. Ich strich durch sein dichtes, schwarzes Fell. „Sei bereit mein treuer Freund, denn schon bald wird unsere Zeit kommen. Dann müssen wir uns nicht mehr in der Dunkelheit verstecken." Ich lächelte. Seine Stimme ließ die Schatten erzittern. „Ich werde bereit sein Herrin." Mit diesen Worten verschwand er in den Schatten der kalten Mauern und ich lief wieder allein durch die Gassen bis hin zu den Gehwegen und schob mich erneut durch die drängelnden Menschenmassen. Ich werde heute doch nicht mehr zur Mall gehen, sondern gleich zur Mauer.

Dämonenblut- Die Wiedergeburt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt