Kapitel 85: Hass

1.4K 91 2
                                    


„Habe ich mich genug zurückgehalten?", sie lachte leicht, stand dann auf und ging mit ihm langsam zum Feuer, setzte sich auf die Decke, ebenso wie er.
„Ich bin durchaus erstaunt von Ihrem verminderten Redefluss... aber es wird auf Dauer sehr eintönig, wenn man nur mit sich selbst redet.", sagte er dunkel und schmunzelte leicht.
„Worüber möchten Sie denn reden?", fragte Hermine sanft, sie war innerlich sehr froh, dass er den ersten Schritt gewagt hatte.
„Sie haben gesagt, dass Sie mir gewisse Sachen erzählen würden, wenn ich wieder gesund wäre...", fing er an, sie hatte gehofft, dass er ihr Angebot vergessen hatte.
„Nun... die Sache ist die, Sir... ich weiß nicht in wieweit ich Ihnen irgendetwas erzählen kann, ohne den Lauf der Dinge noch weiter zu verändern.", gab sie leise zu, hatte dabei die Befürchtung, er würde einen Wutanfall bekommen.

Er sah sie musternd an, sie hatte natürlich recht, sie hatte sowieso schon einiges verändert, ohne zu wissen, was die Auswirkungen und Konsequenzen wären. Er verstand, dass sie nun umso vorsichtiger war.
„Vielleicht erzählen Sie mir etwas von sich...", bot er an, er wollte einfach über irgendetwas reden, wollte aufhören sich weiter zu analysieren.
„Von mir? Was wollen Sie denn wissen?", fragte sie skeptisch.
„Beispielsweise warum Sie nicht bei Weasley sind...", ein Ruck ging durch sein Gesicht, „Entschuldigen Sie, das ist vielleicht ein wenig zu privat..."
„In meiner Zeitlinie war ich zu dieser Zeit bei Ron im Fuchsbau...", sagte sie offen, „Wir waren zusammen."
„Waren... bedeutet das, dass Sie es jetzt in Ihrer Zeitlinie nicht mehr sind?", er sah sie interessiert an.
„Wir waren sieben Monate zusammen, danach sind wir getrennte Wege gegangen.", sie lächelte schief.

Dass es sogar ganze sieben Monate brauchte..., er schüttelte innerlich den Kopf, tatsächlich war er immer weiter zu der Meinung gekommen, dass Ronald Weasley eine Frau wie Hermine Granger im Großen und Ganzen nicht verdiente.
Sie war in allen Ebenen besser als er, was nicht bedeutete, dass er Ron nicht auf irgendeine Art dankbar war, er war Harry und auch ihr ein guter, treuer Freund gewesen.
„Sie scheinen nicht wirklich betrübt darüber zu sein.", stellte er fest, versuchte sein Lächeln zu verbergen.
„Sagen wir einfach, ich habe einen... Mann getroffen, der mich in allen Bereichen sehr viel besser und intensiver... unterstützt.", versuchte sie die Situation freundlich zu umschreiben.
Severus musterte sie, irgendetwas an ihrem Blick verriet ihm, dass hinter diesem Satz sehr viel mehr stand, als sie zugeben wollte und die Neugier wuchs beinahe ins Unermessliche, welcher Mann Miss Granger so verzückte.

Beide schwiegen eine kurze Zeit, dann richtete Hermine das Wort an ihn, „Haben Sie eine Lösung gefunden?"
„Eine Lösung für welches Problem?", fragte er skeptisch.
„Das weiß ich nicht... Sie haben in den letzten Tagen sehr ruhig und nachdenklich gewirkt.", sagte sie, hörte sich dabei beinahe schon ernsthaft besorgt an.
„Waren Sie immer schon so aufmerksam?", er schmunzelte, Hermine sagte nichts sondern erwiderte das Schmunzeln, „Ich habe viel über mein Leben nachgedacht", gab er kleinlaut zu, „und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum Sie mir geholfen haben."
„Ich glaube jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient...", sagte sie überzeugt.
„Das war nicht meine zweite, sondern meine dritte. Ich habe es verdient zu sterben.", kam es dunkel von ihm.
„Das denke ich nicht", sie schüttelte den Kopf, sprach leise.
Er musterte sie wieder, intensiv und eindringlich, „ist das wer Sie sind?"
Hermine sah ihn fragend an.
„Sie helfen einem Mörder? Einem Todesser? Sie sorgen sich um eine offensichtlich schlechte Person...", konkretisierte er.
„Einen Mann, der 16 Jahre nur Gutes getan hat.", korrigierte sie.
„Nur Gutes?... Sie haben eine merkwürdige Ansicht der Dinge und es überrascht mich sehr, dass Sie mit dieser verqueren Sicht so lange in dieser grausamen Welt überleben konnten... ohne größeren Schaden... Wenn das wirklich Ihr wahres Gesicht ist...", er schüttelte ungläubig den Kopf, war ruhig, obwohl es innerlich in ihm stürmte.
Sie nickte, „das ist mein wahres Gesicht. Gefällt es Ihnen nicht?"
Er atmete tief ein und aus, „ehrlich gesagt.. es widert mich an."

Sie schluckte, so klare Worte hätte sie nicht von ihm erwartet und es schmerzte sie, dass er so von ihr und auch von sich selbst dachte.
Sie seufzte, drehte sich ihm entgegen, „da ist... so viel mehr in Ihnen... Dinge, die Sie all die Jahre versteckt haben. So viel mehr Güte und Liebe, so viel mehr Wahrheit und Ehrlichkeit."
Er schnaubte, „Sie haben keine Ahnung was in mir versteckt ist, was ich alles getan habe...", er lächelte bitter, hatte alle seine Schandtaten genau vor Augen.
„Sie haben zusammen mit Lucius Malfoy ein Mädchen vergewaltigt in Ihrer Todesser-Zeit.", sagte sie einfach, er starrte sie fassungslos an, „Sie war ungefähr 14 Jahre alt und ihr Name war Joy... ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Sie hat Ihnen vertraut und dann... war alles anders."
Er zitterte, vor Wut und Scham, „Woher wissen Sie das? Das können Sie nicht wissen. Niemand, nicht einmal Albus wusste davon.", seine Brust hob und senkte sich schnell, sein Kopf schwirrte.
„Wir haben alle unsere Geheimnisse. Ich akzeptiere Ihre.", sagte sie leise, sah ihm offen in die Augen und senkte dann den Blick, sah in die Flammen.
Sie fühlte sich um ehrlich zu sein erleichtert, das erste große Geheimnis war von ihr gefallen, sie hatte sich ihm ein Stück offenbart, hatte ihm ihre Loyalität versichert.
Jetzt lag es an ihm zu entscheiden, was er damit anstellte.

Er zitterte am ganzen Körper, da war so eine unbändige Wut in ihm, vor allem auf sich selbst, dass er dieses unschuldige kleine Mädchen vergewaltigt hatte, in einem Rausch von Alkohol, Hass und dem Wunsch nach mehr Macht.
Auf eine sehr perverse und kranke Weise hatte ihn das widerliche Schauspiel, was Lucius betrieben hatte, sogar erregt. Schon wenige Momente nachdem er sich in ihr ergossen hatte kam sein klarer Verstand wieder und er erkannte, was er getan hatte.
Er versuchte die Gedanken aus seinem Kopf zu kriegen, mit Tränken, Alkohol, aber nichts davon schien auch nur ansatzweise zu helfen, immer und immer wieder zwängten sich diese Erinnerungen in seinen Schädel, schürten den Hass und die Wut auf sich selbst weiter.
„Woher wissen Sie davon?!", fragte er dunkel, leise und mit einer unüberhörbaren Angriffslust in der Stimme.
„Das glauben Sie mir sowieso nicht.", sagte sie leise, spürte, dass er kurz vor dem erwarteten Wutanfall stand.
„Wo-her?", seine Kiefer pressten sich unangenehm aufeinander, sie hörte sie Knirschen, befürchtete, dass einige Zähne abbrechen würden, wenn er sie weiter so angespannt aufeinanderpresste.

„Sie haben es mir gesagt.", Hermine sah von den Flammen auf, direkt in seine Augen, auch sie schienen zu glühen, genau wie das schwelende Holz vor ihr.
„Sowas hätte ich Ihnen nie gesagt. Niemandem.", beharrte er weiter, „Sie sind in meine Gedanken eingedrungen, Sie haben spioniert, wollen etwas gegen mich in der Hand haben...", er zog die Augen zu Schlitzen zusammen, stand wutentbrannt auf, musste sich zusammenreißen sie nicht sonst wohin zu hexen.
Hermine blieb einfach sitzen, richtete den Blick wieder auf das Feuer, „Sie glauben wirklich, dass ich solche Erlebnisse ausnutze, um Ihnen zu schaden? Dass ich Sie erst rette und dann nach Askaban bringen will? Warum sollte ich das machen?"
Er tigerte wie von der Tarantel gestochen umher, seine Gedanken rasten, die ewige Anspannung der letzten Jahre, das Misstrauen allen gegenüber manifestierte sich wieder in seiner schlimmsten Form, er sah einfach rot.
„Wann verstehen Sie endlich, dass nicht allen Menschen Ihnen schaden wollen?", fragte sie traurig, beobachtete ihn.
„Halten Sie sich fern von mir! Ich werde Ihnen gar nichts erzählen, nichts! Sie sind garantiert die Letzte, der ich irgendetwas erzählen würde! Wir sind keine Freunde, wir sind keine Verbündeten. Mein Leben geht Sie nichts an.", zischte er, verschwand dann wutentbrannt in den Wald.

Der Duft von Lavendel  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt