Kapitel 86: Verstoßen

1.4K 94 14
                                    


Hermine seufzte, so hatte sie sich das Ganze nicht vorgestellt, das war alles in eine ganz falsche Richtung gelaufen, sie verwünschte sich selbst dafür.
Warum hatte sie ihm ausgerechnet das ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt gesagt?
Sie wusste nicht, wie lange sie noch am Feuer saß, aber er war immer noch nicht da als sie schließlich in ihr Zelt ging und sich in die Decken und Kissen kuschelte.
Sie weinte stille Tränen, die Aufgabe war intensiver und größer als gedacht, aber da musste sie jetzt durch.

Severus kam im Morgengrauen zurück, er war in den Stunden im Wald umhergelaufen, hatte versucht seine wirren Gedanken zu ordnen.
Seine Hände waren blutig und aufgeschlagen, er hatte seine Wut an den Bäumen ausgelassen, hatte sie bisher aber nicht geheilt.
Er mochte den Schmerz, der durch seine Hände strahlte, er hielt ihn davon ab wieder nachzudenken. Müde und abgeschlagen setzte er sich auf die Decke an das Feuer, er seufzte, strich sich über die Augen und sog schmerzerfüllt die Luft ein, besah sich wieder die Hände.
Ein Rascheln zu seiner Rechten schreckte ihn auf, Hermine kam vorsichtig und besorgt heraus, ihr Blick fiel sofort auf seine Hände.
„Was ist passiert?", fragte sie erschrocken, lief schnell zu ihm, wollte sich die Verletzungen genau ansehen.
„Das geht Sie nichts an", er rappelte sich auf, entzog ihr seine Hände.
„Professor Snape, hören Sie endlich auf mit diesem gespielten Stolz!", sie sprach laut, war genervt von seiner Uneinsichtigkeit, wollte wieder die Hand nehmen.
„Ich habe gesagt, Sie sollen mich in Ruhe lassen, verstehen Sie das nicht?", er schlug ihr die Hand weg, was Hermine nicht im mindesten interessierte, sie ging einen weiteren Schritt auf ihn zu, er stieß sie unsanft von sich, sah wie sie das Gleichgewicht verlor und über etwas stolperte.

Hermine ging zu Boden, sie spürte einen Schmerz an ihren Schulterblättern und keuchte auf, versuchte sich schnell wieder aufzurappeln.
Severus stand wie angewurzelt vor ihr, er war nicht im Stande ihr zu helfen, er konnte es nicht. Er wollte nicht, dass sie hinfiel und sich verletzte.
Sie stand nach kurzer Zeit wieder, würdigte ihn keines Blickes, er sah, dass sie sich zusammenriss nicht zu weinen und es tat ihm noch mehr leid. Er verletzte alle Menschen, die sich in irgendeiner Art und Weise um ihn sorgten, immer schon und das würde sich vermutlich nicht ändern.
Er senkte den Blick, sie lief langsam mit gekrümmter Körperhaltung zurück zum Zelt, verschwand darin.

Als sie auf ihrer Decke saß konnte sie ihre Tränen nicht länger zurückhalten, sie versuchte aber so leise wie möglich zu weinen.
Mehr noch als der Schmerz im Rücken tat ihr sein Verhalten weh.
Sie wollte ihm helfen, nachdem er sich verletzt hatte, alles was sie tat war immer nur zu seinem Besten und er stieß sie wieder und wieder von sich. Dieses Mal sogar physisch, was Hermine wieder schmerzlich bemerkte, ihre Schulterblätter taten ungemein weh. Sie zog ihren Zauberstab und versuchte ihre Verletzung zu heilen, ein unangenehmer Druck blieb trotzdem noch.
Du solltest ihm einfach aus dem Weg gehen... das ist nicht Severus... er ist viel zu verbissen und verbittert. Er traut dir nicht, er will dir nicht trauen und es ist ihm egal, was du hast. Ob es dir schlecht geht, ob du dir wehtust.... Du hast es doch gerade gesehen..., sagte ihre Kopfstimme, sie zog die Decke weiter um sich. 
Für jetzt würde sie sich an ihre Stimme halten, sie hatte keine Angst, sondern war mehr enttäuscht von ihm.

Severus zog sich in sein eigenes Zelt zurück, er schüttelte den Kopf, wie konnte die Situation so eskalieren?
Weil du dich nicht im Griff hast, sie rettet dich, du schreist sie an. Sie sagt dir die Wahrheit, du schreist sie an. Sie will wir wieder helfen und deine Hände versorgen und du schubst sie dermaßen, dass sie hinfällt... sie hätte allen Grund dich zu hassen, dir das Schlechte zu wünschen... du musst dich entschuldigen., er hätte sich die Haare raufen können, hätten seine Hände nur nicht so geschmerzt.
„Was bringen Entschuldigungen, wenn ich dieselben Fehler wieder mache?", er heilte seine Hände, strich sich über die Augen und seufzte.
Vielleicht solltest du dann aufhören diese Fehler zu machen. Ist es so schwer anders zu sein?, er seufzte umso lauter.
Seine eigene Stimme, vermutlich die Stimme seines Gewissens, verurteilte ihn.
War das zu glauben?
Und ja, es war schwer, nachdem man sein ganzes Leben lang so war wie er, war es sehr schwer so zu werden wie sie.
Du musst es versuchen!, beharrte die Stimme weiter.
„Schön... ich versuche es. Aber nicht mehr heute... es ist schon wieder zu viel für einen Tag passiert, der gerade erst angefangen hat...", und mit diesem Satz beendet er das innere Streitgespräch, ließ sich nach hinten sinken und schloss die Augen.

*
Weitere Tage vergingen, Hermine apparierte immer öfter in ihr bekannte Städte, um sich und auch ihn weiterhin mit Lebensmitteln zu versorgen.
Sie hatte keine Lust mit ihm zu reden, wollte nicht mit ihm diskutieren, ihm nichts erklären und sich schon gar nicht anschreien zu lassen.
Sie holte Essen und Getränke, ließ es an der Feuerstelle liegen und lief durch den Wald. Sie hatte ein kleine Wiese mit Lavendel gefunden, ihr fehlte ihr Lavendelshampoo und die Fläche mit den lila Blumen war eine willkommene Abwechslung. Sie pflückte einige Stängel, band sie zusammen und hängte sie sich in ihrem Zelt auf, ein Duft, ein kleines Zeichen von Hoffnung und Zuhause, von besseren Zeiten, die vielleicht wieder kommen würden, oder auch nicht, denn so wie sich alles im Moment entwickelte, hatte sie fast keine Hoffnung mehr ihn in irgendeiner Weise wieder an ihrer Seite zu haben.

Als sie an einem Tag wieder von der Wiese kam und durch die Bäume zurück zu ihrem Lager lief saß Severus auf der Decke vor dem Feuer, sie hatte ihn einige Tage nicht gesehen, er ging ihr genauso aus dem Weg, wie sie ihm.
Sie stoppte am Waldrand, atmete einmal tief ein und aus und setzte ihren Weg fort. Sie war eine Löwin, sie würde sich nicht von ihm ins Bockshorn jagen.
Severus sah auf, er hörte ein Knacken und Schritte, sie kam schnell durch die Bäume und wollte zu ihrem Zelt, „Miss Granger?", sein Blick wirkte nachdenklich.
Sie blieb stehen und sah abwartend zu ihm, verzog ihre Miene kein Stück.
„Können wir uns... aussprechen?", fragte er weiter.
„Ich habe Ihnen nichts zu sagen.", erwiderte sie, lief dann weiter zu ihrem Zelt.
„Ich Ihnen dafür umso mehr..."
„Ich möchte es nicht hören. Sie haben mir gesagt, was Sie von mir und einer Hilfe halten. Können wir es einfach dabei belassen? Ich werde Ihnen meine Hilfe nicht weiter aufzwängen.", gab sie zurück, verschwand im Zelt

Er atmete tief ein und aus, sie machte es ihm nicht leicht, aber was hatte er auch gedacht?
Dass sie freudestrahlend auf ihn zu laufen würde und ihm den körperlichen Angriff mit Kusshand verzeihen würde?
Nein, so gut kannte er Hermine Granger, dass sie genau das nicht tun würde.
Sie war gütig aber auch nachtragend, bis zu dem Grad, an dem sie meinte, dass es jetzt genug wäre. Aber offenbar hatte er diesen Grad bei ihr noch nicht erreicht.
Nur mit einem Handtuch bekleidet kam sie zurück aus dem Zelt, er sah sie fragend an, während sie weiter in Richtung See lief. Ihre Füße waren bereits bis zu der Mitte der Waden im Wasser, als sie sich leicht zu ihm drehte, „Machen Sie die Augen zu."
Er zog seine Augen zu Schlitzen, sah sie immer noch fragend an.
„Ich will baden.", sagte sie spitz, zog sich dann das Handtuch vom Körper und warf es zum Ufer, Severus drehte sich schnell zu einer Seite, drehte sich erst langsam wieder zurück, als sie bis zu den Schulterblättern im Wasser war. Er sah erschrocken auf ihre Haut.
An ihren Schulterblättern zogen sich tiefdunkelblaue Flecken über die Haut, ein Überbleibsel des Sturzes?
Das schlechte Gewissen in ihm blühte erneut auf, warum war er nur so, wie er war?

Hermine ihrerseits bemerkte nicht, dass sich Severus gedanklich wieder selbst geißelte für das, was er getan hatte.
Sie wusch sich, schwamm durch den See, tauchte durch das klare Wasser. Es war warm und gleichzeitig erfrischend, gerade an ihrem Rücken fühlte es sich kühlend an, wohltuend legte es sich auf die immer noch geschundene Haut, auch wenn Hermine nicht sah, wie blau ihr Körper durch den Sturz immer noch war.
Eine ganze Zeit schwamm sie durch den See, es war befreiend, auf mehrere Arten.
Die Natur brachte den bitter benötigten Frieden über sie, ihre Seele und auch ihr Gemüt beruhigten sich, sie tauchte wieder unter, ihre Gehörgänge füllten sich mit Wasser, ein friedliches Rauschen umhüllte sie.
Sie hörte kleine Erschütterungen über ihr, kleine Wellen stoben über die Wasseroberfläche, rissen sie immer wieder auf. Hermine tauchte auf, spürte die kalten Tropfen auf ihrem Kopf, die über ihr Gesicht liefen.
Es war ein schönes Gefühl, tröstlich mit einem Hauch von Geborgenheit.
„Kommen Sie aus dem See! Es fängt an zu Gewittern!", rief Severus vom Seeufer.

Der Duft von Lavendel  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt