Als Phillip mir Sonntag Abend textete, dass er mich mehr vermissen würde, als ich glauben könnte, wurde meine Sehnsucht übermächtig.
Ich wollte ihn sehen.
Sofort!
Sekunden später starrte mich ein müde aussehender Phil von einem Kopfkissen an, seine kurzen Haare ziemlich durcheinander. Die Augenlider halb gesenkt, den Mund leicht geöffnet, sah er aus, als wollte er….
Stopp!
Vergeblich versuchte ich meine dreckigen Gedanken beiseite zu drängen, aber immer wieder ploppten Bilder in meinem Hirn auf. Wie lästige Porno-Pop-Ups.
„Hej.“ Sagte ich.
„Selber Hej.“ Breit lächelnd betrachtete er mich.
„Und, wie war die Feier?“
„Besser als gedacht. Lukas, mein Cousin, weiß, dass…“
Er brach mitten im Satz ab, und da sein Zimmer hell erleuchtet war, konnte ich sehen, wie er rot wurde.
Dass was?
Dann kapierte ich.
Es dauert, bis man sagen kann, dass man schwul ist. Oder bi. Oder pan. Oder was auch immer Phillip war.
Tja, das hinderte mich nicht daran, ihn ein wenig zu necken. Denn, ehrlich gesagt, war er unfassbar niedlich, wenn er rot wurde.
„Was weiß dein Cousin?“ fragte ich daher, leicht süffisant.
Phillip verzog das Gesicht.
Und ich könnte nicht anders, als zu lachen.
Er starrte durch den Bildschirm mich grimmig an.
Sogar so fand ich ihn süß.
„Entschuldige, Phil, aber ich wollt dich bloß etwas aufziehen.“
Die Zornesfalten auf seiner Stirn glätteten sich.
„Nicht nett.“
Ja, wirklich nicht nett.
Mir entwich ein Seufzer.
„Du hast recht. Entschuldige, ich wollte nicht…“ Ich brach ab.
Was wollte ich nicht?
Ihn verärgern?
Ihn verspotten?
Ihn bedrängen?
Ich entschied mich für letzteres.
„Ich kann manchmal ein Arsch sein. Du musst gar nichts sagen, was du nicht sagen willst. Kannst du mir verzeihen?“ sagte ich, und machte etwas, dass ich mir von Dari abgeschaut hatte. Ihr Bettelblick, mit gesenktem Kopf, großen Augen und vorgeschobener Unterlippe.
Einen Augenblick lang schaute Philipp mich erstaunt an, dann fing er an zu lachen.
Und mein idiotisches, verliebtes Herz machte einen Freudensprung.
Verquirlter Kumquat!
Zum einen wollte ich mein rasenden Puls beruhigen, zum anderen wollte ich tatsächlich wissen, was vorgefallen war, also fragte ich:
„Also, was war jetzt mit Lukas?“
Phils Lachen erstarb und er schaute nachdenklich.
„Er hat gesagt, wenn mir jemand deswegen Stress macht, soll ich zu ihm gehen.“
Sein Blick wurde unfokussiert.
Worüber dachte er nach?
„Das ist doch gut, oder?“ unterbrach ich sein Grübeln.
Phillip blinzelte als er wieder zu mir sah.
„Ja, aber seltsam. Er war nie besonders nett zu mir.“
Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.
„Vielleicht hat er beschlossen, netter zu sein.“ Vermutete ich.
Wieder verlor Phils Blick für einen Moment den Fokus.
Und ich beschloss, das insgeheim seinen Denkerblick zu nennen.
„Warum?“ Er klang verwirrt.
„Mitleid, vielleicht?“ riet ich.
Wieder sein Denkerblick.
Es war faszinierend, wie sein Gesicht seine Gefühle widerspiegelte.
Phillip war wie ein offenes Buch, und es war anziehend und beängstigend zugleich. Und ich hatte Sehnsucht nach ihm. Ich wollte nicht bis zur Mittagspause warten.
„Hej, können wir uns morgen vor der Schule treffen?“
Phils Augen sprangen zurück zu mir.
„Ich mein hinten im Garten. Der Bus ist meistens schon 'ne halbe Stunde vor Schulbeginn da.“
Langsam formten seine Lippen ein Lächeln.
„Ja. Ich warte auf dich.“
Ich erwiderte sein Lächeln.
Dann, weil ich eben so bin:
„Hast du die Chemiehausaufgaben schon gemacht?“
Phillip stöhnte.
„Du weißt, wie man die Stimmung kippt.“
„Eine meiner herausragendsten Eigenschaften.“
Wir lachten gemeinsam, wir redeten, wir wünschten uns ‚Gute Nacht‘.
Und ich lag danach dümmlich grinsend im Bett, weil ich ihn morgen wieder sehen würde.
Verliebter Vollidiot.
Ich grinste, bis ich einschlief.Der nächste Morgen kam mit grauen Wolken und Nieselregen.
Ich schlüpfte in meinen grau-braunen Mantel, zog mir mein Beanie in die Stirn, wickelte mich in meinen rotbraunen Schal, nahm meinen Regenschirm und wagte mich so hinaus. Die Mädels waren ähnlich eingepackt, Bana gänzlich in schwarz, die Kapuze ihres Hoodies über die Mütze gezogen. Mit ihren Docs sah sie aus wie die Teenager-Tochter des Sensenmanns persönlich.
Dari hatte dagegen einen knallroten Mantel, einen rosa Schal, dazu passende Handschuhe, eine weiße Mütze mit Bommel und einen qietschgelben ‚Hello Kitty'-Regenschirm.
Tiefste Nacht gegen Sonnenaufgang.
Draußen war es scheißkalt.
Missmutig stapfte Bana unter dem Schirm ihrer Schwester, die fröhlich vor sich hin summte.
An der Bushaltestelle informierte ich sie schließlich darüber, dass ich mich mit Phil treffen würde.
Bana reagierte mit einem „Oooh, wie süß!“, Dari mit Anzüglichkeiten.
Die Busfahrt schien ewig zu dauern, und endlich bei der Schule angekommen, war ich einer der Ersten, die ausstiegen. Ich rannte fast hinter die Schule. Vage konnte ich noch Daris Lachen hören, dann war ich auch schon zu weit weg.
In der Nähe der Lichtung machte ich langsamer, als ich eine Gestalt im Regen erkennen konnte.
Die Vereinsmütze bis zu den Brauen heruntergezogen, den Schal über den Mund, die Kapuze seiner Jacke über der Mütze, guckten nur noch seine honigbraunen Augen und seine Nase raus.
Ich trat langsam näher, hielt meinen Schirm über uns beide, schaute ihm in die Augen. Mit meiner andren Hand schob ich seinen Schal zu seinem Kinn.
„Ich hab dich vermisst.“ Sagte ich und küsste ihn.
Endlich!
Als wir und lösten, meine Hand immer noch an seiner Wange, lächelte Phil.
„Hab dich auch vermisst.“ Dann wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst, er blickte sich um. „Aber was, wenn uns jemand sieht?“
Ich musste den Drang mit den Augen zu rollen unterdrücken.
Stattdessen neigte ich meinen Schirm so, dass von der Schule aus keiner sehen konnte, und küsste ihn nochmal.
Wir redeten nicht mehr viel danach.
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Elias und Phillip
Roman pour AdolescentsElias war 17, Schüler eines bayerischen Gymnasiums und offen schwul. Er wollte das genießen. Selbstbewusst und leidenschaftlich. Er dachte, er wusste, was er wollte. Phillip, ebenfalls 17, war Fußballer im Verein "Die Feldlanger Kicker". Er war zu...