Prolog

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Kasey McMillen. Die Meisten, die meinen Namen das erste Mal hören, werden vermutlich keinen blassen Schimmer haben, wer sich hinter diesem verbirgt. Vermutlich sieht es beim zweiten, dritten, vierten oder hundertsten Mal genauso aus.

Ein Name lässt nur so lange Raum für die eigene Vorstellungskraft wie das Gesicht dahinter unbekannt bleibt. Kennt man jedoch die Person, die sich dahinter verbirgt, dann kommen einem alle anderen Überlegungen, wer dieser Mensch sein könnte, schwachsinnig und bizarr vor.

Daher mag mein Name für die meisten Menschen eine Person ohne Gesicht sein, jedoch die, die mich kennen, werden ihn mit ganz verschiedenen Erinnerungen in Verbindung bringen: 

Ein Beispiel hierfür wäre meine beste Freundin Lia Park, auch bekannt als IT-Supergenie, Fashionista vom Dienst und absolut coolste Koreanerin unter der kalifornischen Sonne.

Im Moment beginnt sie ihr zweites Jahr an der Stanford University, kann von einem traumhaften Sommer in Südkorea berichten und wird wohl demnächst ihre Kommilitonen mit ihren Programmierkünsten wieder sprachlos machen. Wenn es auf dieser Erde eine Person gibt, die Kasey McMillen besser kennt als sie sich selbst, dann ist es Lia Park.

Eine andere Person, die sich gut an meinen Namen erinnern müsste, ist mein Exfreund Jonah Martin. Genau wie Lia hat er sich dem Studium an einer Eliteuniversität verschrieben und wird sicherlich als große Hoffnung der Neurochirurgie in die Geschichte eingehen.

Derzeitig ist es zwar noch ein weiter Weg bis in die Operationssäle der renommiertesten Krankenhäuser der USA, jedoch glaube ich fest daran, dass Jonah es bis dahin schaffen wird – alles andere wäre enttäuschend. 
Ich habe seit unserer Trennung vor über einem Jahr kaum mehr etwas von ihm gehört, jedoch konnte ich mit Sicherheit sagen, dass Jonah wusste, was er tat.
Seine Erinnerungen an mich sind höchstwahrscheinlich am meisten mit Schmerz und Liebeskummer verknüpft, auch wenn wir zuvor fünf Monate lang eine glückliche Beziehung geführt hatten. Aber vor der ganzen Schule abserviert zu werden, konnte man definitiv zu den Events hinzufügen, die einem nur ungern passieren wollten.

Die Liste meiner Namenskenner dürfte noch einige Menschen beinhalten. Leute, die sich für Kampfsport interessieren, zum Beispiel. Seitdem ich mit etwa fünf Jahren mit dem Kickboxen begonnen habe, nehme ich regelmäßig an Wettkämpfen im ganzen Land teil und kann durchaus behaupten, Erfolg in meinem Tun zu haben. Eine Trophäe als nationaler Champion hat schließlich nicht jeder auf seinem Regal über dem Bett stehen.

In diesem Kontext könnte man ebenfalls Kun Song – oder Song Kun, je nach Sprache und Kultur – erwähnen, der mit meinem Namen sicherlich sehr viele blaue Flecke und anderweitige, mildere Verletzungen sowie einen gebrochenen Kiefer in Verbindung bringt.
In den letzten Monaten sind wir beide ein Herz und eine Seele geworden und vermutlich gleichermaßen eines der nervigsten Duos der Stadt.

Doch einmal abgesehen von meiner besten Freundin, meinem besten Freund Kun und meinem Exfreund wird sich mein Name wohl noch in das Gedächtnis einer weiteren Person gebrannt haben: Die Rede ist dabei von dem extrem attraktiven und intelligenten Cole Banks, der zufälligerweise in der Vergangenheit so etwas wie mein Erzfeind gewesen ist.

Aber genauso wie ich ist er ein Mensch, den man nicht so schnell vergessen konnte – aus anderen Gründen versteht sich. Mindestens die halbe Schülerschaft hat ihm damals zu Füßen gelegen und ihn wie ein Gott verehrt.
Man hat ihm lassen müssen: Im Football konnte ihm tatsächlich kaum einer das Wasser reichen und eventuell hat er auch den ein oder anderen Schreibwettbewerb gewonnen, jedoch er war deswegen immer noch nicht der Shakespeare der Moderne oder der Barry Sanders des 21. Jahrhunderts.

Ich hatte den ganzen Trubel um diesen Jungen nie verstanden, muss aber zugeben, dass ich in der Vergangenheit vielleicht auch nicht ganz vorurteilslos Banks gegenüber eingestellt war. Unser kurzzeitiges Intermezzo am Ende des Schuljahres konnte ich mir zwar bis heute nicht ganz erklären, aber beschweren will ich mich über diese Erfahrung gewiss nicht.

Kasey McMillenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt