Kapitel 113: In die Zukunft sehen

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„Wollen wir nochmal auf den Vulkan?", wollte Severus wissen, hoffte sie würde ja sagen.
„Auf jeden Fall!", Hermine sprang auf, zog ihn mit sich auf die Füße, sie sahen sich kurz um, unbemerkt apparierten sie auf den hohen Berg, auf dem es wieder bitterkalt war.
Sie belegten sich beide mit einem Wärmezauber, Severus zauberte eine kleine Decke, hockte sich auf den Boden, Hermine folgte.
„Den Sternen so nah", sagte sie lächelnd, kuschelte sich wieder an ihn, er hatte sich hingelegt, starrte in den Sternenhimmel.
„Würdest du zu ihnen reisen, wenn du könntest?", fragte Hermine leise nach einer Weile.
„Zu den Sternen? Ja... ich glaube wir können uns gar nicht wirklich das Ausmaß der Dinge vorstellen... die Farben, die Beschaffenheit, die Größe... wäre es nicht eine Erleuchtung?", fragte er nachdenklich.
„Gibt es nicht genug Erleuchtung auf dieser Welt?", Hermine dachte nach, das Universum war ein einziges Geheimnis, aber auch diese Welt konnte Geheimnisse und Erleuchtung bieten.

„Kennst du die Geschichte von dem Maultier im Brunnen?", fragte sie nach einer weiteren Weile.
Er sah zu ihr und schüttelte den Kopf.
Sie stützte sich ein wenig ab, musterte ihn und fing an zu erzählen, „Das alte Maultier des Bauern fiel in den Brunnen, der Bauer hörte das Maultier schreien und es brach ihm das Herz. Er beschloss das Tier im Brunnen zu begraben und es aus seinem Elend zu erlösen. Er fing an zu schaufeln, das Maultier bemerkte, dass es die Erde, die auf seinen Rücken fiel, abschütteln und auf sie heraufsteigen konnte.
Schaufel für Schaufel.
Es dauerte nicht lang, bis das alte Maultier zerschunden und entkräftet über die Mauer jenes Brunnens steigen konnte. Was es hätte begraben sollen, hat es am Ende gerettet. Und es lebte weiter."
„Eine schöne Geschichte, aber warum erzählst du mir das?", fragte er ruhig.
„Weil es wichtig ist, dass du diese Geschichte kennst.", ihr Blick war vielsagend.
Severus sah sie an, wie schwer musste es wohl für sie sein, das alles zu wissen?
Zu wissen was passiert, oder passieren muss, dafür zu sorgen, dass alles so kommt, wie es kommt.
Wie viel Verantwortung lastete auf ihren Schultern?
„Wie machst du das nur?", fragte er unschlüssig, sein Blick flog wieder über ihr Gesicht.
„Was denn?"
„Das alles ertragen... dieses Wissen zu tragen, die Verantwortung... die Last.", er schüttelte den Kopf.
„Ich habe gemerkt, dass ich das, was mich begraben sollte auch nutzen kann, um mich zu retten.", sie lächelte, strich durch seine Haare, über seine Wange und seinen Hals, blieb an seiner Narbe hängen.
Severus nahm ihre Finger und küsste sie, vergrub seinen Kopf in ihren Locken.

Die Tage auf der Insel vergingen relativ ruhig, sie erkundeten am Tage die Umgebung, apparierten umher, Hermine verwandelte sich einige Male in ihren Animagus, nahm die Natur in sich auf und erzählte Severus anschließend davon.
Sie schliefen unzählige Male miteinander, teilweise an wirklich unmöglichen Orten, Severus trug stets ein Kondom bei sich, was er zu Hermines Entzücken auch wirklich immer benutzen wollte. Sie aßen in verschiedenen Lokalen, probierten die typischen Gerichte, ließen sich weiter in die kanarische Küche ziehen.
Die Abende verbrachten sie am Strand, wenn die Sonne sich verabschiedet hatte, apparierten sie auf den Teide, genossen die Aussicht auf den Sternenhimmel und gingen irgendwann in der Nacht zurück zum Hotel, ließen es sich nicht nehmen, dort auch nochmal miteinander zu schlafen.
Ihr Leben bestand in dieser Zeit aus den Grundbedürfnissen, als würden sie nur von Luft und Liebe leben und dem guten Essen der Insel.

„Kannst du eigentlich Motorrad fahren?", fragte sie, als sie an einem Morgen im Bett lagen.
„Früher mal... mein Vater hatte eine Harley Davidson... dieses Motorrad war sein ganzer Stolz... ich glaube er hat es mehr geliebt als mich", er schnaubte, „er hat gesagt, dass richtige Männer Motorrad fahren können. Also hab ich heimlich geübt, mit seiner guten Maschine. Es hat ganz gut funktioniert, bis ich an einem Tag die Kontrolle darüber verloren hab... es war völlig zerstört", sagte er leise, „Mein Vater hat mich aus dem Haus geworfen... ich bin zurück nach Hogwarts und dann nie mehr nachhause gegangen.", er machte eine lange Pause, „Meine Mutter hat mir Briefe geschickt... er hat Monate, Jahre an der Maschine gearbeitet, bis zu seinem Tod. Kurz danach ist auch meine Mutter gestorben, Spinner's End ist an mich über gegangen. Er hat es nicht mehr repariert bekommen... es war immer noch kaputt. Ich hab es magisch repariert, was meine Mutter auch hätte machen können, aber er hat die Zauberei gehasst... er war so stolz, dass er nicht einmal Hilfe für sein geliebtes Motorrad annehmen konnte..."
„Und dann?", fragte sie leise, diese Geschichte kannte sie noch nicht von ihm, sie hatte sich immer gefragt wo er Motorradfahren gelernt hatte.
„Ich hab es eingelagert... es steht vor dem Haus, unsichtbar, geschützt vor der Witterung..."
„Du solltest es langsam wieder entstauben...", sagte Hermine.
„Ist es auch wichtig?", er sah sie erstaunt an, sie nickte lächelnd.
„Du zwingst mich dazu mich allem zu stellen, was ich erfolgreich verdrängt habe...", meinte er kopfschüttelnd, strich sich über die Augen.
„Irgendwann sollte man Sachen nicht mehr verdrängen... du bist stark genug, um dich deiner Vergangenheit zu stellen.", sie strahlte wieder so eine Überzeugung aus, „Du bist besser als du glaubst."
Er drehte sich auf die Seite, strich über ihren Nacken, legte seine Lippen auf ihre und verwickelte sie in einen intensiven Kuss, „vielleicht bin ich schlechter als du glaubst..", flüsterte er an ihrem Ohr, als sie sich lösten.
„Ich weiß, dass du besser bist. Ich habe es gesehen.", flüsterte sie zurück, er suchte ihren Blick, „Vielleicht ist es an der Zeit dir alles zu zeigen...", sagte sie nachdenklich, sie war sich nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung war, aber er musste an sich selbst glauben, sich selbst vertrauen.

Er schluckte, konnte und wollte er das alles sehen? Er wollte verstehen, warum sie sich in Zukunft für ihn entscheiden würde, er musste es sehen.
Er wollte das sein, was sie brauchte, unbedingt.
„Ich zeige dir alles, bis zu dem Punkt, an dem ich Hogwarts verlasse...", sagte sie, bereitete ihre Gedanken, so weit es ging, darauf vor.
„Warum nicht alles alles?", fragte er verwirrt.
„Weil ich dann Entscheidungen treffe, die du mir ausreden wollen würdest... auch wenn du mir jetzt versprichst, dass du es nicht machen würdest, du würdest es machen, weil du dir Sorgen machst, weil du mich schützen möchtest. Aber ich muss das machen.", sagte sie ernst, setzte sich im Schneidersitz auf das Bett, hielt seine Hand.
„Bist du bereit?", fragte sie, als er sich in derselben Position vor sie gesetzt hatte.
„Solltest du nicht bereit sein?", er schmunzelte leicht.
„Ich kenne die Zukunft schon", sie schmunzelte ebenfalls.
Severus zog seinen Zauberstab zu sich, „Legilimens", dann drang er schnell in ihren Geist, Hermine kannte das Gefühl, sie wusste, dass es sich anfühlte, als würde ihr Kopf zerplatzen, sie konzentrierte sich und dachte an die einsamen, traurigen sieben Monate, in denen sie dachte er wäre tot, dachte an die erste Begegnung, an alle danach folgenden Begegnungen, an alles, an George und die Weasleys, an die Zeichnungen, Hogwarts, an jede Berührung, jeden Kuss, jeden Sex.
An die Winkelgasse und Mr Mullpepper, an die Schlange, die von Ron geschickt wurde, die Schmerzen, wie Severus sie nach Hogwarts brachte. Sie dachte an den Streit, an die Geschichte mit Joy und Lucius, an das Bootshaus und den Astronomie-Turm, an alles, was sie erlebt hatten bis zu dem Punkt, an dem Hermine Severus und McGonagall in der Eingangshalle gehört hatte.

Als er auftauchte sah er sie fassungslos an, er war wütend und traurig und vor allem verwirrt nach dem Ende.
Severus sprang vom Bett auf und tigerte durch den Raum, presste seine Kiefer zusammen.
„Weasley... ich hexe ihn nach Askaban", knurrte er, Hermine sprang ebenfalls auf, stellte sich ihm in den Weg.
„Du darfst nichts dergleichen machen!", meinte sie aufgebracht.
„Hermine, er hat mir eine aufgeschlitzte Giftschlange geschickt und sie hat dich gebissen!", er war laut und wütend.

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