Kritische Punkte

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Während sich Ismira und Svenaja wieder ins untere Stockwerk begaben trat Marlena zu ihrem Onkel der bereits die Fesseln an Altovans Handgelenken gelöst hatte. Anschließend hörte sie den Elf einen leisen Zauber murmeln der dafür sorgen sollte, dass der Verwundete zunächst ohne Bewusstsein blieb. Ganz offensichtlich befanden sich noch Bohrmade in Altovan Körper und sie zu entfernen würde keine leichte Angelegenheit werden. Auf jeden Fall wollten sowohl Marlena als auch ihr Onkel wollten dem Elfenmagier weitere Qualen ersparen.
" Wie wollen wir vorgehen?" erkundigte sich die Drachenreiterin bei ihrem Oheim.
"Hilf mir bitte zunächst ihn auf sein Bett zu legen." legte Aylon fest. "Vergiss bitte auch nicht Schutzzauber um dich zu wirken. Es ist eine bekannte Tatsache, das Bohrmaden auch von einem auf den anderen Wirt überspringen können. Das müssen wir unter allen Umständen vermeiden."
Dem konnte sich Marlena nur anschließen. Wie es sich an fühlte Bohrmaden in seinem Fleisch zu haben war eine Erfahrung, nach der sich die junge Halbling wahrlich nicht sehnte. Als sie die entsprechenden Schutzwälle aufgebaut hatte ergriff sie Altovan Beine während Aylon von hinten unter den Armen seines Freundes durchgriff und so den Oberkörper an hob. Es war keine leichte Aufgabe den erschlafften, bewusstlosen Altovan zum Bett zu tragen doch glücklicherweise war das Nachtlager Altovans nicht weit entfernt. Kurz hatte Marlena darüber nachgedacht ob sich die Aufgabe nicht erleichtern sollten indem sie Altovan mit Magie bewegten aber die Entfernung der Bohrmade würde die magischen Fähigkeiten der Beiden schon genug fordern.
Schließlich war es vollbracht und Aylon entfernte die letzten Fetzen der blutigen, zerrissenen Kleider die Altovan des Körper noch bedeckten. Umsichtig hatte Marlena die untere Hälfte des Elfenmagiers bereits mit dessen Bettdecke verhüllt. Gintar hatte seinen Folter wohl ohnehin auf die obere Körperhälfte, den Brustbereich sowie Arme und Gesicht konzentriert.
"Gut, Marlena ich würde dich bitten, dass du den Oberkörper meines Freundes untersuchst und feststellst ob bereits Bohrmade in die Tiefe gedrungen sind. Untersuchst du bitte die Inneren Organe ich werde mich zunächst mit Altovan Augen beschäftigen. Ich hoffe dass sich sein Augenlicht retten kann."
Marlena nickte. Innerlich wünschte sie ihrem Onkel Glück. Sie wusste, dass die fleischfressenden Bohrmaden sich nicht nur in den oberen Hautschichten aufhielten. Dort zeigten die Spuren ihrer Bohrkanäle deutlich wo sie gewütet hatten. Fast wirkte es als deren unter der Haut die Blutgefäße krankhaft angeschwollen doch die junge Halbling wusste es besser. Ein Folterknecht wie Gintar kontrollierte die Bohrmade während seiner Befragung indem er ihnen Anweisungen in der alten Sprache gab. Beispielsweise befahl er den Tieren sich nur in den oberen Hautschichten aufzuhalten und nicht in die Tiefe zu streben. Auf diese Weise richteten die Maden keinen verheerenden Schaden an den Organen an und fügten dem Opfer doch ein höchst Maß an Schmerzen zu. Da jedoch ungewiss war wie lange Gintar schon fort war und er offensichtlich die Bohrmade in seinem Opfer belassen hatte hielt nichts von artigen Insekten davon ab ihr Treiben auch in die Sensiblerenregionen des Körpers auszudehnen.
Marlenas geistigen Fühler spürten schnell, dass wenigstens sechs der Insekten bereits tiefer in Altovan Körper eingedrungen war. Drei hielten sich in der Nähe der Lungen auf und stellten ihren unseligen Hunger an dem, für sie leicht verdaulichen, Blut welches vom Herz Richtung Lunge gepumpt wurde. Der Lebenssaft enthielt alles was die Tiere zum Überleben brauchten und gerade in der Nähe der Lungengefäße waren die Bohrmade sehr gefährlich. Drei waren noch kein ernstes Problem aber wenn die Maden sich an einer für sie vorteilhaften Stelle fest eingenistet hatten begannen sie zu brüten. Die Tiere waren geschlechtslos und benötigten keine Paarung um sich fort zu pflanzen. Lediglich das Nahrungsangebot musste ausreichend sein und das war an ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort der Fall. Binnen weniger Wochen würden sich weitere Maden an den Blutgefäßen nahe der Lunge einnisten und mehr und mehr des Lebenssaftes für sich abzuzweigen. Kurzfarbigkeit und schließlich der Tod wären die Folge. Marlena jedoch war entschlossen es nicht so weit kommen zu lassen. Sie merkte sich die genaue Position der drei Insekten und setzte dann ihre Untersuchungen fort. Zwei weitere Maden waren zwar schon tief ins Fleisch eingedrungen aber hatten noch kein inneres Organ erreicht. Die letzte Mal der allerdings stellte ein Problem dar.
Ausgerechnet in der Nähe des Herzens hatte sich diese Made ein Blutgefäß gesucht. Die Bohrmade hatte sich ausgerechnet die Hauptschlagader die vom Herzen fort führte gewählt. Eine besonders sensible Stelle des Körpers und gerade dort musste sie mit großer Vorsicht entfernt werden. Immerhin hatte die Maden das Blutgefäß bereits durchstoßen und sie beispielsweise einfach mit Magie aufzulösen würde zu einer starken innere Blutungen führen da das Loch, das die Made verursacht hatte noch immer offen war. Gerade in Altovan geschwächtem Zustand konnte das gefährlich seien wenn nicht sogar fatal.
Das Geräusch von reißendem Stoff erregte schließlich Marlenas Aufmerksamkeit. Ein Blick zu Aylon zeigt ihr, dass ihr Onkel seine Untersuchung offenbar beendet hatte und gerade einen provisorischen Verband um Altovans Kopf und die Augen wickelte.
"Gut." sagte der Bruder von Marlenas Mutter mehr zu sich selbst bis ihm bewusst wurde, dass seine Nichte in beobachtete.
"Ich habe alle Bohrmade die noch im Bereich der Augen und des Gesichtes waren entfernt." erklärte er ohne explizit eine Frage von Marlenas Seite abzuwarten. "Ich denke auch, dass wir sein Augenlicht retten könnten. Auf dem linken Auge wird es vielleicht etwas eingeschränkt bleiben aber alles in allem bin ich recht zuversichtlich. Ich habe bisher nur einige Zauber gewirkt die verhindern dass der Schaden sich verschlimmert. Das Auge ist ein recht komplexes Organ und bis zu heilen erfordert sehr viel Kraft. Bevor wir diese aufwenden sollten wir zunächst feststellen was noch in Mitleidenschaft gezogen ist. In Anbetracht dieser Grausamkeit klingt zynisch aber mein alter Freund hat noch Glück im Unglück gehabt. Zumindest hat sich keine der Bohrmade dem Gehirn genähert. Die Flüssigkeit die das Zentrum unseres Denkens umschließt ist sehr nahrhaft und eine bevorzugte Nahrung dieser widerlichen Parasiten. Wenn sich dort festsetzen und vermehren......"
Aylon verstummte aber man sah ihm an, wie sehr in die Vorstellung anekelte. Marlena war auch nicht entgangen, dass ihr Onkel die Insekten als "widerlich" bezeichnet hatte. Eine zutiefst ungewöhnliche Formulierung für einen Elfen aber verübeln konnte sie es ihrem Oheim nicht. Auf seine Nachfrage hin beschrieb sie ihm wo sie Befall durch Bohrmade festgestellt hatte.
Aylon entgegnete zunächst nichts und ließ die Informationen auf sich wirken.
"Nun gut." hob er schließlich an. "Die beiden Übeltäter im Gewebe sind recht unkompliziert. Wir werden was sie betrifft folgendermaßen vorgehen: Zunächst töten wir die beiden Tiere mit einem Zauber. In diesem Fall hält sich auch mein Mitleid über die Auslöschung von Leben in Grenzen. Es ist notwendig, damit wir die Tiere entfernen können und sie sich nicht zur Flucht wenden und tiefer ins Fleisch vordringen."
Mit diesen Worten löste Aylon einen fein gearbeiteten Dolch von seinem Gürtel und begann Zauber über die Klinge zu wirken die verhindern sollten das sich eine Infektion auf Altovan übertrug.
"Du willst einen Schnitt machen?" erkundigte sich Marlena. "Wir könnten die beiden Maden auch einfach magisch von einem Ort zum anderen bewegen."
"Das ist in diesem Fall leider nicht möglich Kind." murmelte Aylon. "Vergiss nicht die drei Maden an der Lunge und die eine am Herzen. Die einzige Möglichkeit diese ohne Gefahr für Altovan zu entfernen ist ein recht komplexer Zauber. Du musst wissen Marlena wir Lebewesen aus Fleisch und Blut bestehen aus Stoffen, die unser Körper in seinem Kreislauf durchaus verwerten und abbauen kann. Um die Maden an diesen kritischen Stellen zu entfernen werden wir ihre Körper in diese Bestandteile auflösen und diese durch das Loch welches die Parasiten selbst gestochen haben in den Blutkreislauf überführen anschließend heilen wir dann die Verletzung des Blutgefäßes. Zwei Dinge machen diesen Zauber für uns schwierig und Kraftaufwendig. Zum einen müssen wir die Maden gewissermaßen von innen nach außen auflösen damit ihre Körperform die Blutgefäße verschlossen hält bis wir die Lehre äußere Hülle schließlich in das Gefäß hineindrücken und das Gewebe zusammenwachsen lassen. Das ist ein sehr komplexes Stück Magie das sehr viel Kontrolle und Vorsicht erfordert. Machen wir einen Fehler kann es zu starken Blutungen kommen. Außerdem müssen wir beim auflösen der Bohrmade darauf achten, sie wirklich in Stoffe zu zerlegen die keinen Schaden im Blutkreislauf anrichten sondern vom Körper abgebaut werden. Auch das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe."
"Das glaube ich gern." murmelte Marlena und schluckte. "So ein komplexes Stück Magie habe ich noch nie gewirkt."
"Mach dir keine Sorgen." Aylon lächelte und legte Marlena aufmunternd die Hand auf die Schulter. "Ich werde den Zauber seiner Richtung geben aber du und auch Alonvy müsst mich mit eurer Kraft unterstützen. Was ich hier vollbringen will wäre schon schwierig genug wenn es sich um einen Parasiten handeln würde aber es sind vier die sich an kritischen Stellen eingenistet haben. Ich werde eure zusätzliche Kraft dringend brauchen."
Marlena nickte und spürte wie Alonvy nach ihren Geist tastete.
- "Sag deinem Onkel bitte dass er sich auf mich verlassen kann und dass auch meine Artgenossen ihm zusätzliche Kraft bereitstellen werden wenn er sie braucht." -
Als Marlena die Worte ihrer Drachendame weitergab sah sie, wie sich Zuversicht auf den Gesichtszügen ihres Onkels ausbreitete.
"Mein Freund und ich werden den ehrenwerten Sculblaka zu gegebener Zeit ihre wundervolle Hilfe angemessen danken. Jetzt sollten wir uns zuerst mit den beiden Bohrmade im Gewebe beschäftigen und sobald die Einschnitte von uns geheilt wurden Beginnen wir mit der kritischen Prozedur."
Marlena nickte schlicht, da sie ihrer Stimme im Moment nicht wirklich vertraute. Ein Gefühl das noch wuchs als sie sah, wie ihr Onkel die Spitze seines Dolches vorsichtig an eine geeignete Stelle an Altovan Oberkörper setzte.

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt