Stolz

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Nachdenklich blickte Marlena in Richtung Vroengard. Die Insel war nur noch ein kaum zu erkennen der Streifen am Horizont. Wie ist Ihr Plan vorsah hatten sich die Drachenreiter nach einer scheinbar gründlichen Suche zurückgezogen und die magische Barriere die Ismira um die Insel gelegt hatte gelöst.
Insgeheim hatte Marlena gehofft, dass ihre Suchaktion bereits einen Erfolg bringen würde, sie Gintar entdecken und weitere Risiken vermeiden könnten. Leider hat sich diese Hoffnung in nichts aufgelöst. Der Zwerg war zu geschickt.
"Ich verstehe nicht warum wir ihn nicht mit unseren geistigen Fühlern aufspüren konnten." murmelte die junge Halbling. Sie hatte mehr zu sich selbst gesprochen als mit ihrer Drachendame oder dem Elfenmagier Altovan der hinter ihr im Sattel saß. Trotzdem fühlte sich der Magier verpflichtet zu antworten.
"Ich vermute aus dem selben Grund weshalb ihr mein Bewusstsein nicht eindeutig aufspüren konntet Argetlam. Nachdem er mich überwältigt hatte war er in der Lage die Schutzzauber zu studieren die unseren Siedlung umgeben. So verdorben dieser Zwerg Gintar vom Charakter her auch sein mag er ist ein geschickt der Magier. Ich zweifle nicht daran, dass er einige unserer Schutzmaßnahmen kooperieren konnte."
Marlena stimmte ihrem Begleiter stumm zu. Gintar war zweifellos geschickt wenn es um den Einsatz von Magie ging.
- "Das ist es aber nicht, was wir Kopfzerbrechen bereitet oder kleine Halbling?" -
Alonvys Stimme hallte durch Marlenas Geist und die Reiterin wusste, dass es nichts brachte den Versuch zu unternehmen vor ihrer Seelenschwester etwas zu verbergen.
- "Ich bin einfach nicht sicher ob es gut ist Gintar zu gestatten die Schriften zu den Zwergen zu senden. Ich weiß, wir haben das ausführlich besprochen aber ich werde dieses Gefühl nicht los." -
- "Welches Gefühl?" -
- "Erinnerst du dich noch an Solenbums warnende Worte als wir zu unserer Reise aufbrachen?" -
- "Natürlich! Wir sollten dafür sorgen, dass etwas Altes eine Zukunft hat und nicht zu arrogant sein um Hilfe zu bitten wenn wir auf etwas Neues Treffen. Was hat das hiermit zu tun?" -
- "Nun, das Alter haben wir bereits getroffen. Eine Reiterin die zurzeit des ersten Ordens erwählt wurde und ihre Drachendame. Wir haben dafür gesorgt dass die beiden jetzt eine bessere Zukunft haben genau wie ihre Schützlinge." - erklärte Marlena.
- "Da hast du recht." - räumte Alonvy ein. - "Und du glaubst, dass es nun um den zweiten Teil der Vorhersage geht?" -
- "Warum nicht?" - antwortete Marlena. Wir war durchaus nicht der zweifelnde Unterton in der Stimme ihrer Drachendame entgangen aber sie war nicht bereit ihren Standpunkt so einfach aufzugeben. "- Vielleicht hätten wir einfach vom Orden hilfe anfordern sollen. Vater und Mutter hätten in einigen Tagen oder Wochen ein gutes Dutzend Reiter und Drachen zu uns schicken können. Niemals hätte Gintar sich vor so vielen Verfolgern verstecken können. Bis dahin hätten wir einfach weiterhin verhindert, dass er die Schriften fort schickt und uns eine sichere Stellung gesucht wo er uns nicht überraschen kann. Er hätte niemals eine so große Ansammlung von Drachen und Reitern angegriffen." -
Alonvy knurrte etwas ungehalten.
- "Dieser Plan gefällt mir überhaupt nicht. Ich bin eine Jägerin. Ich versteckte mich nicht wie eine dieser riesigen Schnecken in meinem Haus und warte dass die Gefahr an mir vorbei zieht oder jemand anders sich um sie kümmert!" -
- "Mit anderen Worten: Du bist zu stolz um um Hilfe zu bitten." -
Alonvy schwieg einen Moment und schien über das gehörte nachzudenken.
- "Na gut. Vielleicht hast Du nicht ganz unrecht was den Stolz betrifft. Aber bist Du dir wirklich sicher, dass es hier um Solenbums Worte geht? Stolz vielleicht, aber wo ist denn bitte das neue? Die Schriften der Zwerge sind uralt und wenn es dir wirklich um Götter geht, dann ist das womit wir es hier zu tun haben älter als die Welt selbst." -
- "Das mag schon sein meine Große aber vielleicht bezieht sich der Begriff "das neue" nicht auf die Schriften oder auf Marantera sondern auf diesen dunklen Kult. Das ist für mich zweifellos etwas Neues. Bisher habe ich die Zwerge immer als ein ehrenwertes Volk geschätzt, dass sein Herz auf der Zunge trägt. Die hinterhältige Natur dieses Kultes und sein Fanatismus ist für mich schon etwas Neues." -
Marlena spürte, dass Alonvy über ihre Worte nachdachte aber zu einer Antwort sollte es nicht mehr kommen. Die junge Halbling spürte wie die Zauber ausgelöst wurden, die sie und ihre Mitstreiter, warnen sollten wenn ein magischer Transporte durchgeführt wurde. Instinktiv wusste die Drachenreiterin und damit auch ihrer Seelenschwester welcher der möglichen Orte, an denen Bleivorkommen das unsichtbare Gift welches Vroengard befallen hatte abschwächenden, der vermutliche Aufenthaltsort von Gintar war.
Alonvy reagierte augenblicklich. Die Weise Drachendame zog die Schwingen an den Körper und kippte zur Seite weg. Damit ging sie in eine scharfe Kurve und ging auf direkten Kurs nach Vroengard. Auch als sie die richtige Richtung eingeschlagen hatten breitete Alonvy die Schwingen noch nicht aus. In einem Sturzflug schoss der Donner aus Drachen und Reitern auf die glatte Oberfläche des Meeres zu und erst kurz vor der Wasseroberfläche fingen die Sculblaka ihren Sturz ab. Dadurch hatten sie eine halsbrecherische Geschwindigkeit gewonnen die sie jetzt mit kräftigen Flügelschlägen hielten.
Das atemberaubende Tempo trieb Marlena den Fahrtwind ins Gesicht und die junge Halbling schmiegte sich an den Hals ihrer Drachendame um dem Wind möglichst wenig Widerstand entgegenzusetzen.
Innerhalb von wenigen Minuten gewann die Küste von Vroengard wieder an Konturen. Steile Klippen türmen sich auf doch mit einigen kräftigen Flügelschlägen gewann Alonvy die Nötigehöhe um über diese hinweg zuschießen.
Während sie über ein dichtes Waldgebiet hinweg rasten überprüfte Marlena noch einmal sorgfältig die Schutzzauber wie sie um sich und ihre Drachendame gelegt hatte. Sie und ihre Begleiter waren sehr gründlich vorgegangen da sie Gintars heimtückischen Natur kannten und dem Zwerg möglichst wenig Angriffsfläche bieten wollten.
Marlena verbannte nun auch sämtliche Zweifel und alles Zögern aus ihrem Denken. Es war jetzt nicht die Zeit dafür den Plan zu hinterfragen. Jetzt kam es darauf an das Beste zu geben Wort zu sie im Stande war um das gewagte Vorhaben zum Erfolg werden zu lassen.
"Dort unten!"
Altovan deutete auf eine Lichtung im Wald die offenbar das Ziel des rasenden Fluges war. Es handelte sich um eine kahle, felsige Fläche mitten in dem ausgedehnten Waldrevier. Der glitzernde Lichtreflex der Sonne verriet, dass sich an dieser Stelle ein Bach, welcher aus dem Wald hinaus floss, seinen Weg durch die schroffen Felsen in den Untergrund suchte. In diesem felsigen tiefen ruhte das Blei.
Die ankommenden Drachen bremsten nun ihren Flug ab und setzten am Rand der freien Fläche auf. Marlena ließ einen ersten prüfenden Blick über das Plateau wandern. Gintar war nirgendwo zu sehen.
"Möglicherweise hat er sich in die Tiefe zurückgezogen." Vermutete Altovan. "Wenn man im Lauf des Wassers folgt kommt man zu einigen größeren Höhlen, die in den Fels gewaschen wurden. Sie entstehen durch das Schmelzwasser welches nach dem Winter kleinen Bach anwachsen lässt."
Marlena nickte nur stumm, löste die Beinriemen und die sich gemeinsam mit Altovan aus dem Sattel gleiten. Ismira und Aylon traten neben sie und Svenaja reagierte die Gruppe zur linken Seite. Die Gefährten zogen ihre Waffen und machten Anstalten dem Lauf des Wassers zu folgen als ein leises Lachen über das Plateau wehte.
Fieberhaft suchte Marlenas Blick den Ursprung des Lachens und blieb schließlich an Gintars Gestalt hängen. Der Zwerg erschien scheinbar aus dem Nichts.
...... ein Tarnzaubern...... fuhr es Marlena durch den Sinn. Aber warum gab der Zwerg seine Deckung auf? Warum unternahm er keinen Fluchtversuch?
"Ich hatte also recht." rief der Magier der Knurlan ihnen zu. Etwas störte Marlena am auftreten des Zwergs. Gintar schien völlig ruhig zu sein. Man sah in keiner Anspannung an die typisch gewesen wäre vor einem Kampf. Ein fast friedvolles Lächeln lag auf den Zügen des Knurlan. Allein das heimtückische funkeln in seinen Augen verriet, dass er nichts Gutes im Schilde führte. "Ich habe mir gedacht, dass es eine Falle von euch ist, dass ihr euch zurückzieht. Ich nehme an, dass wir den Verräter Burod in unserer gereichen Hauptstadt kontaktiert habe und glaubt vorbereitet zu sein auf die Ankunft der heiligen Schriften. Lasst mich euch versichern, das meine Glaubensbrüder ebenso Vorkehrungen getroffen haben."
"Dann sollten wir uns wohl am besten direkt über diese Vorkehrungen mit euch unterhalten Herr Zwerg!" Ismira hatte das Wort ergriffen und Zweifel und Unsicherheit erfolgreich aus ihrer Stimme verbannt. Marlena bewunderte ihre Cousine etwas und gab ihr recht. Sie durften sich nicht auf Gintars Spiel einlassen sondern muss selbst die Kontrolle über das Geschehen übernehmen. "Wir werden euch für eure Verbrechen aufgrund der uns durch die Herrscher von Alagaesia übertragenen Autorität festnehmen! Widerstand zu leisten wäre sinnlos. An Kraft sind euch weit überlegen."
Gintar schenkte Ismira kaum Beachtung. Sein Blick wanderte in die Ferne und wirkte geradezu träumerisch verklärt.
"Die gnädige Göttin ist zufrieden mit mir. Sie gestattet mir gleich zwei Verwandten von Eragon die gerechte Strafe zuteil werden zu lassen."
Mit diesen Worten schloss Gintar die Augen, hob die Hände so und dass die Handflächen seinen Gegnern zugewandt waren und leichte Bewegungen seine Lippen verrieten, dass er begann einen Zauber zu wirken.
Marlenas Gedanken ganz zu rasen. Was hatte der hinterhältige Zwerg vor? Mit welchem Zauber konnte er hoffen drei Drachenreiterinnen, vier Drachen und zwei talentierte Elfenmagier töten zu können obwohl diese genug Zeit hatten sich magisch vor Angriffen zu schützen. Die Erkenntnis traf die junge Drachenreiterin wie ein Blitz. Es gab nur einen Kraft die der Zwerg entfesseln konnte die stark genug war dass sie alle Schutzwälle überwinden konnte. Marlena wusste aber auch das zu spät war. Sie konnte ihre Gefährten nicht mehr rechtzeitig warnen und allein würde sie nie genug Kraft aufbringen können um einen Schutzwall für sie alle zu erzeugen. Gerade als die bittere, eiskalte Erkenntnis in einer tödlichen Falle gefangen zu sein sich in ihrem Denken ausbreiten wollte fiel ihr Blick auf den goldenen Lichtreflex von Svenajas Schwert. Aufflammen der Hoffnung verdrängt alle Verzweiflung. Es gab viele Unsicherheiten aber das was der jungen Halbling vorschwebte war die einzige Hoffnung. Es konnte gelingen wenn der Zauber ausgedient genug war und sie die Kraftreserven in Neaglings Juwel mit ihren eigenen und denen von Alonvy vereinte. Ihr blieb nur Sekunden. Sie drängte an ihrer Cousine und den beiden Elfen vorbei und rief ihnen zu auf jeden Fall hinter ihr und Svenaja zu bleiben auch die Drachen wie sie mit einem warnen dem Gedanken an sich möglichst engen zusammenzustellen und hinter ihr und der jungen Schülerin des Ordens zu bleiben.
Marlena griff Svenaja am Oberarm, platzierte sich mit ihr vor ihren Gefährten und achtete nicht auf den fragenden Blick den ihre Schülerin ihr zuwarf.
"Dein Schwert! Position eins! Schnell! Keine Fragen!"
Marlena hoffte von Herzen, dass Svenaja dieser knappen, habe Anweisung Folge leisten würde. Die Hoffnung in ihrem Herzen flammte etwas Heller auf als sie sah, dass die junge Frau aus dem Norden tatsächlich ihrer Anweisung nachkam. Sie hoben ihre Klinge in Position eins. Marlena hatte diese Grundstellungen dem Schwertkampf unterrichtet immer wieder mit Svenaja geübt. Position eins bedeutete das man das Schwert aufrecht vor der Brust hielt die flache Seite nach außen gewandt. So grüßte man bei einem Turnier beispielsweise seinen Gegner. Marlena ging es hier aber nicht um einen Gruß. Mit aller Konzentration leitete sie alle Energie in Neaglings Juwel in die ensprechende Richtung und verstärkte den Strom mit ihrer eigenen Kraft, ihren Reserven und allem was Alonvy ihr schickte. Da sie im Geist mit ihrer Drachendame verbunden war wusste diese worum es ging und unterstützte ihrer Reiterin.
Marlena kam nicht mehr dazu sich dafür zu bedanken denn eine heiße Welle flutete über das Plateau und die Welt um sie herum versank in einem gleißenden Licht.

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt