-demotivation-

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Der Schlaf war das einzige Medium in dem ich noch vor den Gedanken von meinem Bruder fliehen konnte, denn die meisten traumlose Nächte halfen tatsächlich ein Stück weit meinem inneren Chi die Ruhe zu verschaffen, die es brauchte, um sich zu regenerieren. Diese Art der Philosophie gehörte zu meiner Kultur und meiner Religion, welche mir Kraft gab die schlimmsten Ereignisse zu verarbeiten. Der Tod geschah aus einem ganz bestimmten Grund heißt es und, dass er nicht ohne gute Folgen bleiben würde, allerdings wartete ich immer noch auf sie, denn von ihnen war bis jetzt noch kein Stück zuspüren. Der erste Schultag brach schon an, als ich immer noch wach in meinem Bett verweilte und an die kahle Decke starrte, welche mich innerlich aufzufressen schien. Meine Wangen waren ganz rau und ausgetrocknet von den salzigen Tränen, welche seit dem Zeitpunkt rannen, an dem meine Mutter hinter sich die Tür schloss, um auch schlafen zu gehen. Diese Nacht war nicht gut für mich gelaufen und ich hoffte nur darauf, dass meine Eltern Verständnis dafür aufbrachten, wie schlecht es mir ging, da sie es in den letzten Wochen auch schon taten. Dieses Verständnis hatten sie allerdings diesen Morgen nicht, da es um die Schule ging und nicht um Ausflüge zum Spaß, die ich alle fallen ließ, um durch die Wohnung zu wandeln, wie eine depressive Silhouette meiner selbst, die nach dem Grund ihres Daseins vergeblich suchte. Die Sommerferien zogen mich noch tiefer in das Loch der Trauer, da ich kaum soziale Kontakte hatte in der Stadt und auch von Natur hier nicht viel zu spüren ist. In dem kleinen Wäldchen hinter dem Reisfeld nahe unseres Hauses gab es immer einen guten Ausgleich für mich, aber in der Stadt war dort, wo der Wald sein sollte nur ein riesiger grauer Betonklotz, wo die Menschen mit mürrischen Gesichtern ein und aus gingen, wie die Produkte in einer Fabrik. Alles hier war so farblos und maschinell, wobei die organischen und naturbelassenen Elemente nur in der Vorstadt zu finden waren, aber selbst da war der Rasen schon, entweder verpestet von Abgasen der Autos oder direkt aus Plastik und gefaked. Meiner Meinung nach war dieses ganze Leben hier in der Stadt reinste Propaganda, damit alle anderen sich freuten in eine Großstadt zu kommen, wie meine Eltern es taten. Meine Mutter sah nur krampfhaft die Positiven Aspekte des Todes meines Bruders und ignorierte, dass es uns allen verdammt schlecht ging und wir keine Lust mehr hatten weiter zu machen. Sie sagte, dass wir uns jetzt endlich mal mehr leisten könnten und unsere Privilegien schätzen sollten. Klar, ich bin natürlich froh darüber, dass er Tod ist, weil er ja so viel von unserem Geld genommen hatte! Wie konnte ich es mir nur erdreisten auch nur für eine Sekunde in Trauer zu verfallen, weil ich ihn nie wieder sehen werde! Ich nehme es ihr nicht böse, dass sie es versucht, aber dennoch brauchte ich eine andere Art mit der Trauer klar zu kommen. Gefunden habe ich sie noch nicht, aber ich weiß, dass sie da ist und nur so auf mich wartete sie zu entdecken. Der Blick schweifte zu meinem Computer, welcher kleine blaue, weiße und rote Lichter an sich blinken hatte. Einige schneller und einige weniger schnell. Es blieben mir noch genau zwölf ein halb Minuten, bis meine Mutter mich weckte, also huschte ich schnell zu meinem PC rüber und schaltete diesen ein. Das beruhigende, konstante Geräusch der Belüftung ertönte und ich sank in das bequeme Leder des Schreibtischstuhls. Meine Augen glitten über den Bildschirm als er auf ploppt und ich gab mein Passwort ein, welches das Geburtsdatum meines Bruders war. Ich weiß, dass es überhaupt nicht sicher war, weil es sich jeder eigentlich denken kann, aber ich war sowieso immer und überall allein, also wozu ein sicheres Passwort? Meine rechte Hand glitt zur Maus und meine linke in die Chipstüte auf der anderen Seite und dann in meinen Mund. Etwas trocken aber es geht eigentlich. Schnell hackte ich mich ins Darknet und suchte nach Drogendealern in meiner Nähe, aber es lief etwas schief. Ich lud die Website nochmal, weil wahrscheinlich ein Fehler aufgetreten war. Immer noch nicht. Erneut ging ich auf die Website und gab alles ein. Und wieder zeigte mir der Bildschirm die gleiche Adresse wie unsere neue an. Nicht ganz gleich! Hausnummer 10b und nicht a. Also sollte der Dealer direkt unser Nachbarhaus sein? Meine Augen glitten zu den Gardinen in meinem Zimmer und ich blickte vorsichtig hinter diese in das Zimmer unseres Nachbarjungens. Er saß in seinem Zimmer und hatte eine Tüte LSD in der Hand welche er in seinem Schulrucksack verstaute. Seine Blickrichtung wandte sich zu meinem Fenster und innerhalb weniger Bruchteile einer Sekunde hatte er sein Rollo runter gezogen. Er war es also. Mein Dealer. Mein Weg durch die Trauer.

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Hoffe es hat euch gefallen :)

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 02, 2020 ⏰

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