15 - Andere Ziele

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POV Maja

Endlich sind wir aus diesem Krankenhaus raus. Zugegebenermaßen hat es mich einiges an Kraft und auch Schmerzen gekostet, einigermaßen normal zu laufen aber ich hatte dieses Gefühl, Kyra beweisen zu müssen, dass es geht. Obwohl es das eigentlich nicht tut... Aber eine Untersuchung ist keine Option für mich. Das... das geht einfach nicht.

„Hey Maja warte doch!" höre ich eine mir bekannte Stimme hinter mir rufen. War ich wirklich so schnell? Ich bleibe stehen und warte geduldig auf meine Liebste obwohl ich ganz genau weiß, dass das Gespräch über die Untersuchung noch nicht beendet ist. Irgendwann muss sie es erfahren. Aber nicht heute und nicht morgen. „Warum hast du es denn so eilig?" fragt Kyra verwundert, als sie mich einholt. Reflexartig greife ich nach ihrer Hand. Das war doch sonst nicht so, wie ungewohnt. Aber es fühlt sich verdammt gut an, wie ihre weichen, warmen Finger sofort auf meine Berührung reagieren und unsere Hände sich ineinander verschließen. „Ich... ich will einfach nach Hause", antworte ich und werfe verunsichert einen Blick in Kyras Augen. Seit ich das Zimmer meines Vaters betreten hatte, habe ich ihr nichtmehr ins Gesicht gesehen. Ich wollte nicht, dass sie mein inneres Wirrwarr sieht, vermischt mit Zerbrechlichkeit und anderen Gefühlen. Sie erwidert meinen Blick kurz, bevor sie in ihr schwarzes Auto, vor dem wir inzwischen angekommen sind, aufschließt. In ihren Augen konnte ich viele Fragen erkennen, Unsicherheit und vielleicht auch etwas Sorge.
Wortlos sitzen wir nebeneinander, während sie immer wieder kurz meine Hand streift, als sie die Kupplung bedient. Abgesehen davon spüre ich nur den kalten Sitz und die Anspannung in der Luft, die uns beide wohl fast zu erdrücken scheint.
Doch einer sagt etwas.
Kein Wort.
Nervös erlaube ich es mir, kurz einen Blick zu Kyra zu erhaschen, die neben mir auf die Straße und von Zeit zu Zeit auch in den Rückspiegel starrt.

Irgendwann bleiben wir stehen auf einem Parkplatz irgendwo in der Pampa. Ich sehe mich um aber kann weit und breit nichts erkennen. Kein Gebäude, kein Auto, keine Bäume. Nur der Parkplatz mit einem kleinen Motel, vor dem ein uralter Wohnwagen steht. Jetzt mal ehrlich, wer stellt einen Wohnwagen vor ein Motel? Auch das Haus scheint sehr heruntergekommen zu sein. Die hellblaue Tapete bröckelt und nichtmal das Leuchtschild an der Tür, auf dem „Motel" steht, funktioniert noch ganz. Luxusurlaub kann man hier wohl nicht gerade machen, spreche ich in Gedanken sarkastisch zu mir selbst.

Nachdem ein Krächzen durch meinen trockenen Mund gekommen ist und ich meine innere Wüste ausgelöscht habe, breche ich die scheinbar ewig anhaltende Stille: „Was machen wir hier?" „Reden", antwortet Kyra trocken. Ich sehe sie fragend an, obwohl ich genau weiß, um was es geht. „Kyra ich kann dir nicht von den Schmerzen erzählen..." „Also gibst du es zu", erwidert sie. Wieder ein fragender Blick meinerseits. „Dass du Schmerzen hast." Erschrocken und nervös zugleich starre ich nun in die schokobraunen Augen, als mir bewusst wird, was ich da gerade gesagt hatte. Es war genau das, was ich nicht sagen wollte. Mist. „Lassen wir das Thema einfach." Kyra zieht ihre Augenbraue hoch. „Maja." „Kyra." Sie seufzt und wechselt, zu meiner Überraschung, tatsächlich das Thema. „Na gut... was war mit deinem Dad?" Jetzt bin ich die, die seufzt. „Kyra ich will über diese beiden Sachen nicht reden und da wird dir auch der Parkplatz nichts bringen." „Es würde dir aber helfen, wenn du darüber sprechen würdest", kommt es etwas deutlicher zurück. „Bist du jetzt meine Therapeutin oder was? Wenn ich nicht darüber reden will, dann kannst du mich nicht dazu zwingen und außerdem kennen wir uns seit vielleicht zwei Monaten? Ich würde jemandem fast fremden nicht meine innersten Gedanken, Gefühle und Verletzungen offenbaren also kannst du bitte endlich aufhören, dauernd nachzubohren? Ist das im Bereich des Möglichen?!" Ich schlucke kaum merklich. Das war hart. Kyra sagt nichts, sondern sieht mich nur mit einem komischen Blick an. Anschließend formen sich ihre Lippen minimal, wodurch ein kleines „Nein" zustande kommt. Alleine dieses eine Wort reicht aus, um mich völlig ausrasten zu lassen.

Wutentbrannt reiße ich die Autotür auf, um auszusteigen und sie anschließend wieder genauso zuzuschlagen. Die Wut überdeckt meine Schmerzen und ich schaffe es irgendwie, ein Stück zu laufen. „Maja!" höre ich dir bekannte Stimme hinter mir rufen. „Was?!! Warum ist es dir so wichtig, dass ich über meine schlimmsten Dinge und Erfahrungen spreche? Warum? Warum kannst du es nicht einfach lassen und das bei jemand anderem abziehen?" Kyra bewegt sich immer weiter auf mich zu. Sie scheint es nichtmal zu interessieren, wie sehr mich ihr Verhalten aufregt. Noch nie habe ich jemanden getroffen, der so frei von Empathie zu sein scheint. Die Wut steigt mit plötzlich mit allen Schmerzen und Gefühlen zu Kopf. Mir wird schwindelig und es flackert kurz alles, bis meine Sicht schwarz und das innere Chaos leiser wird.

Ich öffne langsam meine Augen und liege alleine in einem Bett. Mein ganzer Körper schmerzt und mein Kopf pocht. Was ist eigentlich passiert? Eine Weile muss ich überlegen, bis es mir wieder einfällt. Aber wo bin ich hier? In meiner Umgebung nehme ich alte Schränke wahr und völlige Stille. Bis auf eine entferntere Stimme, die aus dem Nebenzimmer zu kommen scheint. „Ich habe so Angst, dass ihr irgendwann noch etwas schlimmes passiert. Ich weiß nicht, was ich machen soll... Nein das wollte sie ja nicht, wie du ja mitbekommen hast... Ja ich rede nochmal mit ihr... Danke das ist so lieb von dir, bis bald." Wer zur Hölle war das denn? Kyra klang so fröhlich am Ende. Mit einem Mal wurde mir schlecht. Wir hatten nie darüber gesprochen, ob sie vielleicht eine Freundin oder einen Freund hat. Was ist wenn... Nein dann hätte sie mich doch nicht geküsst oder? Und wenn das alles nur ein Spiel für sie ist? Aber wozu? Und warum zur Hölle redet sie mit jemandem über mich? Das geht wohl niemanden was an. Ich höre Schritte und sehe Kyra im nächsten Moment durch die Tür kommen. „Ach, du bist wach? Wie gehts dir...?" fragt sie mich. Mit einer Gegenfrage antworte ich schroff: „Warum redest du mit fremden Personen über mich?" Sie sieht zu Boden. Scheinbar ist es ihr unangenehm. Keiner sagt etwas von uns, da wir beide auf die Antwort des Gegenübers warten.
„Warum kannst du nicht einfach zugeben, dass du Schmerzen hast? Liegt es an mir oder an was anderem? Wenn es um deine Narben geht... dafür finden wir eine Lösung. Ich will nicht, dass du so leiden musst." Ich seufze deutlich hörbar. Sie ist verdammt hartnäckig. „Ok. Setz dich, ich erzähle es dir."
Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck kommt Kyra auf mich zu und setzt sich neben mich auf die flauschige Bettwäsche die zusammengeknüllt im Holzbett liegt. Erwartungsvoll sieht sie mir in meine blauen Augen und ich in ihre, in denen ich mich immer wieder verlieren könnte. Irgendwie schafft sie es jedes Mal aufs Neue, mir mit einem einzigen Blick so viel Kraft und Selbstvertrauen zu schenken. Also atme ich einmal tief durch, bevor ich zu erzählen beginne.

So hier endlich das neue Kapitel für euch. Es ist etwas kurz aber ich werde gleich mit dem nächsten anfangen und hoffe, ihr seid schon neugierig, wie es weiter geht<3

✔️Eine ganz besondere Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt