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Nervös stand Jungkook vor der, eher weniger einladend wirkenden, weißen Hochglanztür des Büros seines neuen Chefs, Mister Kim.
Im Anflug leichter Nervosität spielte er mit dem Saum seines frisch gebügelten Hemdes und biss sich konzentriert auf die schmale Unterlippe.
Bügeln war eigentlich nicht wirklich eine seiner Stärken und allgemein fiel es dem Achtzehnjährigen noch deutlich schwer, sich um seinen, neuerdings alleinigen, Haushalt in der Millionenmetropole Seoul zu kümmern. All das hatte noch vor wenigen Monaten seine ältere Schwester erledigt, bevor sie krank geworden war, wie seine Mutter und nach Tokyo in eine spezielle Klinik verlegt werden musste. Am Morgen musste Jungkook also zum ersten Mal selbst das verstaubte Bügeleisen aus einem der Umzugskartons heraus suchen und insgeheim war er froh darüber, sein Unterfangen ohne Schäden am Hemd oder sich selbst gemeistert zu haben. So wog der junge Mann nun, in einem besonders schickem Outfit ab, ob er den Schritt durch die Bürotür wirklich wagen oder doch besser den Schwanz einziehen sollte. Ein entnervtes Seufzen kam ihm über die Lippen. Eigentlich hatte er ohnehin keine andere Wahl, als Mister Kims neuer Assistent zu werden. Immerhin versprach die Stelle ein überdurchschnittliches Gehalt und Geld konnte Jungkook tatsächlich mehr als gut gebrauchen.
So gab der Dunkelhaarige sich einen Ruck und klopfte erst entschlossen, dann immer zaghafter an der ungewöhnlich kühlen Tür vor sich und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück. Nichts geschah. Verwirrt überprüfte er erneut das edle Chromschild neben dem Zimmer, auf dem eindeutig der Name des Geschäftsführers Kim stand und klopfte schließlich erneut.
„Nun komm schon rein."
Die tiefe, mehr als autoritäre Stimme aus dem Inneren des Büros, ließ Jungkook nervös zusammenzucken und kurz warf er der Tür einen hilflosen Blick zu in der Hoffnung, sie würde ihm einen Rat geben, wie man mit Nervosität besser umgehen könnte, ehe er vorsichtig eintrat. Ein gezwungen souveränes Lächeln, welches eher auf Zahnschmerzen tippen ließ, auf den Lippen und die Hände unsicher hinter dem Rücken verschränkt, fand sich Jungkook im hochmodernen Bürokomplex seines neuen Chefs wieder und fühlte sich augenblicklich unwohl.
Ein mattschwarzer Bürostuhl aus feinem Leder war von seinem Besitzer zur gegenüberliegenden Wand gedreht worden, an der ein deutlich geschmackloser Kunstdruck seinen Platz gefunden hatte.
Irritiert musterte der junge Assistent das Motiv des Druckes und verzog skeptisch das Gesicht. Ein heller Schmetterling mit zerfledderten Flügeln war auf dem großen Druck abgebildet. Die kleinen Füßchen verzweifelt in die Höhe gestreckt und wehrlos auf dem Rücken, lag der feine Falter auf kühlem, weißem Untergrund und bescherte Jungkook ein unbehagliches Gefühl. In seltsamer Betroffenheit wendete er den Blick ab und wurde auf den silbergrau gefärbten Schopf aufmerksam, der zu dem Menschen gehörte, welcher ihm so kühl mit seinem Schreibtischstuhl den Rücken zu kehrte.
„Guten Morgen, Mister Kim.", begann er schließlich leise zum Silberschopf zu sprechen und räusperte sich dabei verlegen.
„Ich bin Jeon Jungkook, Ihr neuer Assistent."
Nichts als Stille schlug ihm entgegen und immer nervöser wischte er sich die schweißnassen Handflächen an seiner schwarzen Hose trocken. Das penetrante Ticken der riesigen Uhr neben der Tür, hinter ihm, verriet Jungkook durch einen kurzen Blick über die Schulter, dass bereits einige Minuten vergangen waren, in denen er sich deutlich idiotisch vorkam und allmählich verlor er die Geduld. Er überlegte, einfach umzudrehen und zu gehen. Sich in seinem kleinen Zuhause die elegante Kleidung abzustreifen und sein Geld weiter damit zu verdienen, auf der Straße sein musikalisches Talent zum Besten zu geben. Doch in diesem Moment ertönte erneut die dunkle Stimme des Mannes, der ihm den Rücken zu kehrte.
„Was siehst du auf diesem Bild, Jungkook?"
Die Frage und die Tatsache, dass er ihn respektlos beim Vornamen ansprach, irritierte den deutlich Jüngeren so sehr, dass er verwirrt blinzelnd einige Male den Mund öffnete ohne einen Laut von sich zu geben, ehe er seine Stimme wieder fand.
„Ich... Ich sehe Leben, Tod und die Zeit, die dazwischen liegt. Wohl die drei Dinge, um die es im Leben geht. Alles in allem finde ich diese Bild aber relativ geschmackslos und mehr als makaber, ohne dem Künstler zu nahe treten zu wollen."
Überrascht darüber, dass seine Stimme sich selbstsicherer anhörte, als er sich fühlte, hob Jungkook die Augenbrauen und senkte schnell den Blick.
„Interessant.", antwortete Mister Kim schlicht auf die Interpretation seines neuen Assistenten und es schien, als würden selbst die Zeiger der großen Uhr einen Moment andächtig verharren, als sich der elegante Schreibtischstuhl endlich in Bewegung setzte und Mister Kim sich zeigte.
Es war nur ein kurzer, neugieriger Blick, den Jungkook wagte, ehe er den Kopf sofort erneut senken musste und sich, allein durch diesen kurzen Moment, ein zarter Rosaschleier auf seinen Wangen bildete. Mister Kim war jünger als er vermutet hatte. Mit Sicherheit einige Jahre älter als er selbst, aber schätzungsweise nicht über dreißig. Die silbrig gefärbten Haare, hingen dem Geschäftsführer in leichten Wellen, ins hübsche Gesicht und der stilvolle Anzug, saß so perfekt, dass selbst Jungkook mit seinen ungeschulten Augen auffiel, wie gut Mister Kim darin aussah.
Es war nur ein kurzer Blick aus intensiven Katzenaugen, der Jungkook vor geballter Autorität beinahe in die Knie zwang und nun schwitzten nicht nur seine Hände.
Er bemerkte nicht, wie sein neuer Chef ihn aufmerksam und interessiert von Kopf bis Fuß musterte. Wie er die Lippen zu einem amüsierten Schmunzeln zog, als ihm die durchaus schlecht gebundene Krawatte um Jungkooks schmalen Hals auffiel und die unpassenden Schuhe, welche verrieten, dass der junge Mann sich nicht besonders viel aus Mode zu machen schien.

BLACK POISON [TaeKook] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt