Prolog

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Die Kirchenglocken ertönen in der ganzen Stadt als ich aus dem Zug steige. Ich bin die einzige Person die in diesem Kaff aussteigt. Niemand anderes sonst. Am Bahnsteig drehe ich mich immer wieder um und finde meinen Vater nicht, der mich eigentlich abholen wollte. Seufzend schleife ich meinen Koffer, mit einem kaputten Rad zur einer Bank und setze mich genervt. Meine Pilotenbrille, die ich während der Zugfahrt an hatte, setze ich nun ab und beobachte gegenüber eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn, die auf den Zug warten. Ich wippe mit meinem Fuß hin und her, weil ich gerade ein coolen Song im Kopf habe und mitsumme. Nebenbei binde ich meine naturroten Haare zusammen zu einem Pferdeschwanz. Dann endlich ertönt die Stimme meines Vaters: „Red! Tut mir leid, Töchterchen, ich musste zwei besoffene davon abhalten sich gegenseitig umzubringen." sprach er erschöpft.

Mein Vater, Skeeter, hat seine eigene Bar die er stolz betreibt. Dennoch war es für mich ziemlich beschissen. Das Sozialamt empfand es nämlich als schäbig, da er auch ein Alleinerziehender ist und so gut wie nie Zuhause war, immer nur in der Bar. Mein Vater wurde damals gezwungen mich in ein Internat zustecken, wo ich sieben lange, quälende Jahre leben musste. Da ich demnächst volljährig werde und einen Schulabschluss habe, durfte ich vom Internat gehen. All meine damaligen Freundinnen werde ich jetzt wohl wieder sehen, da sie noch keine Ferien haben. Im Internat hatte ich verschiedene Tage, wo ich frei hatte und fast immer, wenn ich in South Park war, waren sie dann im Urlaub. Mit 14 Jahren wollte ich dann nicht mehr Nachhause, wenn meine Freunde eh nicht dort waren. Obwohl sie mir damals endlose Briefe schrieben und darin stand, wie sehr sie mich missen, kamen nach zwei Jahren, in dem ich weg bin, einfach nichts mehr von ihnen. Vater sah ich jede Woche. Wenigstens er machte sich Mühe und kam jeden Sonntag zum Internat um mich zu besuchen. Selbst wenn er ein anstrengendes Wochenende hatte, kam er zu mir – meisten dann auch eher Abends. Aber er kam.

Als er vor mir steht und ich von der Bank aufgestanden bin, umarmen wir uns herzlich. Doch gleich jault er, weil meine mit Nieten besetzte Lederjacke ihm an Kinn stach, wobei ich kurz schadenfroh lachen musste.

„Willkommen Zuhause, Töchterchen." sagt er mir freudig zu, wobei ich lächeln muss. Er nimmt sich meinen kaputten Koffer zur Hand und gehen dann gemütlich zu seinem alten, hässlichen Auto. Dieser Truck ist älter als ich und klappert so doll, dass man denkt, der fällt gleich auseinander. Doch bisher war er meinem Vater immer treu.

Zuhause angekommen sieht alles wie gewohnt aus. Nur ein neues Möbelstück erkenne ich auf Anhieb.

„Schicke rote Couch." sage ich eintönig. Vater lächelt entschuldigend: „Ich wollte dir eigentlich die Auswahl lassen, doch du wolltest nicht mit."

Ich lächel ihm mild zurück: „Die hat doch wirklich Stil. Nur passt die gelbe Tapete nicht mehr so ganz hier rein."

Bei der alten Couch ist die Sprungfeder raus gekommen. Vater hat es mir schon erzählt. Er musste ein ganzes Jahr für eine neue Couch sparen. Und dann achtet er nicht darauf, dass die eventuell nicht zur Tapete passt. Aber auch nicht überraschend – Vater ist farbenblind. Er muss kurz lachen und trägt für mich meinen Koffer in meinem Zimmer. Als ich mein altes Zimmer sehe, erschlägt mich die Nostalgie. Es ist noch mein altes Kinderzimmer. Alles ist so geblieben, wie ich es vor 7 Jahren verließ. Selbst die rosa Blümchentapete hing noch so fabulös wie damals. Heute ist es nicht mehr wirklich mein Stil, doch zum Glück habe ich all meine Poster mit, die einst in meinem alten Zimmer hingen, so kann ich es vertuschen. Für neue Tapete ist kein Geld da, was mich aber auch wenig stört. Ich konnte schon immer mit wenig Geld auskommen. Dennoch wäre ein erhöhtes Taschengeld verlockend.

„Papa?" fange ich an und er dreht sich zu mir: „Gibt es hier irgendein Laden, die zufällig eine Aushilfe brauchen?" frage ich und setze mich auf mein altes Bett, die Vater wohl frisch bezogen hatte – ausgerechnet mit der alten Prinzessinnen-Bettwäsche. Streng überlegt er und nennt mir einige Läden, die mich nehmen würden. Die Namen behalte ich gleich im Hinterkopf.


Am Abend sitze ich mit Vater am Tisch und essen zusammen Abendbrot. Mein Lieblingsessen – die legendäre, selbstgemachte Currywurst von Skeeter. Die liebe nicht nur ich, sondern auch all seine Stammkunden, weil er manchmal für sie das Essen mitbringt und sie zahlen sogar gerne dafür. Nachdem ich schon fast fertig bin frage ich in die Runde: „Wann haben die anderen eigentlich Sommerferien?"

Er schluckt sein Essen runter um mir eine Antwort zugeben: „Ich glaube, in drei Wochen. Wieso?"

„Vielleicht schaue ich mal vorbei. Schließlich waren in der Grundschule fast alle meine Freunde. Zumindest gute Klassenkameraden." sage ich gelassen und esse mein letztes Stück Currywurst.


Kurz vor dem Schlafen gehen stelle ich mir den Wecker und schaue mir Cartoons über meinen kleinen Fernseher, der direkt vor meinen Bett steht, an. Beavis und Butt-Head läuft und ich esse genüsslich Cornflakes, dabei drifte ich zum morgigen Tag rüber. Auf die Gesichter meiner damaligen Freundinnen freue ich mich schon. Sie sahen mich als letztes mit 12 Jahren, zumindest Wendy und Heidi. Mit 12 war die Welt noch in Ordnung bei mir. Ich fand das Leben schön und sammelte noch Pferdesticker, die ich in einem Stickerbuch klebte. Ich war die unschuldige Rebecca, die jeder nur Red nannte. Das Internat hingegen hat mich ziemlich geändert. Wohl mehr die Menschen, die dort auch waren.

Plötzlich würde ich massiv beleidigt und gemobbt. Ein Jahr hielte ich es aus bis dann ein Weib mich in der Toilette schlug, ihre Freundinnen lachte darüber. Sie hatte mir beinahe die Nase gebrochen und ließen mich blutig zurück. Vor Wut schaltete sich irgendein Schalter in mir um. Ich sah nur noch Rot. Ich lief ihr sofort hinter her und schlug sie nicht nur einmal. Selbst als sie auf den Boden fiel schlug ich immer mehr mit meinen Fäusten auf sie ein. Mir entglitt bei der Aktion nicht nur ein Verweis, sondern auch eine Anzeige, die ich schon mit Sozialstunden überstanden hatte. Seit diesem Tag aber war ich öfter in Prügeleien verwickelt, war öfter bei der Schulärztin und auch beim Direktor. Ich schlug aber nicht nur Mädchen zusammen, auch die Jungs mussten was einstecken. Zwar wurde ich jedes Mal stärker, nur gewann ich auch nicht immer. Einmal musste ich sogar ins Krankenhaus, Verdacht auf ein Schädeltrauma. Doch ich hatte Glück im Unglück. Vater wollte nicht mehr, dass ich mich verteidige, damit mir sowas oder schlimmeres nicht mehr passiert. Doch es war zu spät. Ich hatte schon zu viele Feinde, die jede Gelegenheit nützen. Ständig musste ich meine blauen Augen, Nasen und Flecken wegschminken.  

Das war großteils mein Leben auf dem Internat. Manche hatte Respekt vor mir, andere hatten Angst und andere wiederum hassten mich abgrundtief. Vater kennt nicht alle Geschichten, zu seinem eigenen Schutz, ich redete dennoch viel mit ihm darüber - schließlich ist er der einzige mit dem ich reden konnte. Sieben lange Jahre war ich immer alleine. Ich konnte mir nie Freunde machen. Entweder ich verschreckte sie mit meinen Taten oder sogar mit meinen Worten, was so gut wie nie beabsichtigt war oder sie glaubten den Gerüchten einfach mehr.

Auch mein Aussehen kann Schuld sein. Für einige bin ich ein Punk, bei anderen ein Goth. Ich selber bezeichne mich als gar nichts. Ich bin einfach nur Red. Meine roten, bis zur Brust gehenden Haare, die immer wild auf meinen Kopf liegen, ist mein persönlicher Stolz. Piercings habe ich mir selbst an der Nase, Bauchnabel und Nippeln gestochen. Diesen Schmerz möchte ich, seltsamerweise. Ich habe mir sogar kleine Tattoos während dem Unterricht selber gemacht. An meinen Händen sind einige kleine und schon verblasste Motive aus Füllertinte. Wenn ich volljährig bin, darf ich mich dann endlich professionell tätowieren lassen.

Mein Fernseher vor mir geht plötzlich aus, wobei ich aus meinen Gedanken komme und nun im dunkeln sitze. Verwirrt stelle ich die leere Schüssel weg und versuche das Gerät wieder anzuschalten. Doch es ist zwecklos. Ich stehe vom Bett auf und will mein Licht anschalten, doch es passiert nichts. Ich schlender raus aus dem Flur, Vater aber schläft schon. Zu fragen was los ist, fällt also weg. Ich versuche mir dabei nichts zu denken und gehe einfach schlafen. Auch wenn ich noch lieber Fernsehen geschaut hätte, freue ich mich dennoch schon auf die morgigen Blicke, wenn ich dort aufkreuze.

Die Seele ist billig │ South Park FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt