Kapitel 1.

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Ein Lächeln zog sich über mein Gesicht, als ich aus dem Fenster blickte und ein rotes Cabrio in der Einfahrt stehen sah. Nicht zu übersehen war die fast schon riesige Schleife, die das Auto wie ein Geschenk verpackt aussehen ließ.
Mein Vater stieg lächelnd aus, und wackelte provokativ mit einem pinken Schlüsselbund, als er mich in meinem Fenster entdeckte.
So schnell- wie wahrscheinlich noch nie zuvor in meinem Leben- fegte ich die Wendeltreppe hinunter, die meine Etage mit dem Rest des Hauses verband. Schlitternd kam ich an der Haustür zum stehen, nur um gleich darauf meinem Vater geradezu um den Hals zu fallen. Er drückte mich fest und und ich konnte ein Quieken nicht unterdrücken.
„Happy Birthday, Melon", flüsterte er in meinen Haaransatz, und löste sich dann wiederwillig aus unserer Umarmung.

Eigentlich machte es mich immer rasend, wenn er diesen bescheuerten Spitznamen benutzte, aber heute war ich einfach viel zu glücklich und aufgeregt um mich über so was aufzuregen.
„Das ist einfach der Wahnsinn! Ein besseres Geschenk hättet ihr euch nicht aussuchen können."
Mein Vater strahlte mich an, und hielt mir stolz den rosa Schlüsselbund hin. Dabei viel mir erst mal auf, wie sehr er sich heute herausgeputzt hatte. Weißes Hemd, perfekte schwarze Schuhe und eine schicke passende Anzug Hose. Sein Haar war zur Abwechslung mal ordentlich frisiert und es sah sogar so aus als hätte Er etwas Gel benutzt um die widerspenstigen Locken in den Griff zu bekommen, die ihm sonst immer in die Stirn hangen.
Das war ganz eindeutig das Werk meiner Mutter, schoss mir durch den Kopf, als sie gerade ihren Kopf zur Tür raus streckte.
„ Na was sehe ich denn da? Da hat sich jemand zu ihrem 18. ein ganz besonderes Geschenk verdient." Meine Mutter hatte sich in den Türrahmen gelehnt und beobachtete mich mit einem schiefen Grinsen.
Ich konnte es immer noch nicht fassen, und sprang auch meiner Mutter Freude lachend um den Hals.

Auch wenn ich meinen Führerschein erst seit kurzem hatte und noch etwas unsicher war, konnte ich meine erste Probefahrt kaum erwarten. Gerade als ich mich wieder in mein Zimmer schleichen wollte, um meiner besten Freundin Stacy von dem wohl besten Geschenk der Welt zu erzählen, stellte meine Mutter eine sehr berechtigte Frage: „ Hast du nicht etwas vergessen?"
Komisch, ich erinnerte mich nicht an irgendeinen wichtigen Termin, alles war für meine bevorstehende Party schon seit langem organisiert, also runzelte ich nur die Stirn und hoffte, dass ihr das als Antwort genügen würde.
Mit einer simplen Geste auf meine Klamotten wurde mir klar, was ich vergessen hatte.
Mist... mein Kleid.
Ich hatte es letze Woche in die Schneiderei gebracht und über den ganzen Geburtstagsstress ganz vergessen es abzuholen. Auch mein Vater, der jetzt neben meiner Mutter vor der Tür stand, schaute auf seine Armbanduhr und versuchte noch immer ihre Andeutungen zu verstehen.

Mein Vater war ein wirklich toller Mensch und ich liebte ihn von ganzem Herzen. Er war, genau wie meine Mutter immer für mich da und wir hatten ein sehr gutes und inniges Verhältnis. Genau deshalb wusste ich, dass er auf Pünktlichkeit und Organisation einen Riesen Wert legte.
Laut ihm sind es zwei Eigenschaften, mit denen man es in seinem Leben zu etwas bringt. Dummerweise handelt es sich genau darum um meine totalen Schwachpunkte. Ich konnte in den letzten Jahren leider nicht so viel Zeit mit ihm verbringen, wie ich es gerne getan hätte, weil er von seinem Job als Marketing Berater total eingenommen wurde und die meiste Zeit leider nicht bei uns sein konnte. Zum Glück ist mein 18er etwas besonderes, sodass mein Vater sich für den kompletten Monat frei genommen hatte.

Um einem meiner Eltern so typischen Vortrag über Zeit Management und Verantwortung zu entgehen schnappte ich mir schnell den pinken Schlüsselbund aus der Hand meines Vaters. Ich gab ihm und meiner Mutter einen schnellen Kuss auf die Wange, was sie mit einem Grinsen quittierte. Mein Vater schüttelte nur den Kopf und zog die riesige Schleife von der Motorhaube, die ich fast vergessen hätte. Nach kurzen Startschwierigkeiten sprang der Motor surrend an. Ich warf noch einen letzen Blick auf meine Eltern, die Arm in Arm im Türrahmen standen und mir lächelnd hinterher winkten.
Kaum hatte ich den Highway erreicht, schaltete ich das Radio an und machte die Fenster runter. Während Rihanna die Stille des Autos erfüllte, streckte ich meine Hand aus dem Fenster, genoss das Spiel des Windes zwischen meinen Fingern und atmete das erste mal seid ein paar Tagen wirklich durch. Die letzen Wochen waren nicht ganz einfach. Ich hatte zwar die Highschool erfolgreich abgeschlossen und ein College hatte ich auch schon lange, aber ich kam einfach nicht gut mit der Vorstellung klar, durch fast drei Staaten von meinen Eltern getrennt zu sein. Ganz zu schweigen von meinen Freunden, die sich über viele Jahre zu meiner zweiten Familie entwickelt hatten. Ich kriegte immer einen Klos im Hals, wenn ich darüber nachdachte, dass wir nie wieder zusammen Volleyball spielen würden oder dass die besten Pool Partys jetzt wohl von anderen Leuten veranstaltet werden mussten. Besonders Stacy war für mich einfach unverzichtbar. Wir haben uns früher absolut gehasst, bis wir beide wegen schlechtem Benehmen zum Nachsitzen verdonnert wurden und naja so fing alles an.
Total in Gedanken versunken, konnte ich gerade noch die richtige Ausfahrt erwischen und schlängelte mich geschickt durch den typisch zähflüssigen Verkehr in Los Angeles. Ein bisschen abseits der Touristenorte stoppte ich mein Auto vor der mir sehr vertrauten kleinen Schneiderei. Sie lag zwischen zwei großen Hochhäusern und obwohl sie ziemlich fehl am Platz wirkte, war sie mit der Pastell grünen Farbe und den weißen Fensterläden auf ihre eigene Art perfekt. Beim eintreten strömte mir ein Duft aus Granatapfel und Zimt entgegen, der im totalen Gegensatz zu den fast schon tropischen Temperaturen draußen stand. Am Empfangstresen begrüßte mich Miss Wilson schon mit einem warmen Lächeln.

Sie arbeitete schon hier seit ich denken konnte, und obwohl ich sie schon fast mein ganzes Leben kannte hatte ich sie noch nie richtig reden gehört. Früher hatte ich immer meine Mutter hierhin begleitet, weil das der einzige Schneider in der ganzen Stadt war, dem sie ihre heiß geliebten Kleider anvertraute. Damals hatte ich mich regelrecht vor Miss Wilson gefürchtet, aber mit der Zeit hatte ich akzeptiert, das sie einfach kein gesprächiger Mensch war.
Die kleine Dame mit den grauen Haaren und den tiefen Furchen im Gesicht, deutete mir mit einer Handbewegung ihr zu folgen. Wir schlängelten uns vorbei an unzähligen Kleidern, von denen eines schöner war als das andere. Sie stoppte im hinteren Bereichs des Ladens, an einer Stange die von Cocktail Kleidern nur so übersät war. Nach kurzem durchwühlen der Kleider zog sie das mir nur allzu vertraute altrosa Spitzenkleid hervor. Alleine der Anblick zauberte mir ein lächeln aufs Gesicht. Das war genau das Kleid, welches meine Mutter damals zu ihrem Abschlussball anhatte und obwohl ich mir jedes Kleid der Welt hätte aussuchen können, wusste ich wie sehr es sie freue würde mich in diesem Kleid zu sehen.

Sie hielt es in die Luft, damit ich ihr fertiges Werk genau begutachten konnte. Das Kleid legte sich weich, wie ein Schleier über ihre Hände. Es war einfach nur wunderschön und ich konnte gar nicht abwarten es morgen Abend endlich zu tragen. Der altrosa Stoff hatte ein Blumenmuster, dass sich von den Trägern über das ganze Kleid erstreckte und perfekt in die Spitze eingearbeitet war. Es lag zwar eng an , war aber an den Knien geöffnet, sodass der Rest des Kleides sich kunstvoll an die Beine schmiegte.
Miss Wilson präsentierte mir stolz den silbernen Gürtel, den sie auf meinen Wunsch hin in das Kleid eingearbeitet hatte. Er verlieh ihm etwas von meiner persönlichen Note. Ich mochte es nicht zu übertrieben aber ein bisschen auffallen konnte man schon.
Dann begutachtete ich den Saum am Ende des Kleides, der wegen dem Größenunterschied zwischen mir und meiner Mutter noch verlängert werden musste. Eigentlich war ich nie besonders groß, aber in den letzten Monaten hatte ich einige Wachstumsschübe, so dass ich jetzt eine stolze Größe von 1,75m besaß.

Lächelnd wendete ich mich an Miss Wilson: „ Das Kleid sieht einfach fantastisch aus, vielen Dank." Die kleine Dame winkte nur ab und lächelte mir stattdessen liebevoll zu. Nicht ohne mich noch ein mal zu bedanken verließ ich die kleine Schneiderei und trat hinaus in die Sommerhitze. Auch wenn es sich ein bisschen bewölkt hatte, war es für meinen Geschmack immer noch viel zu warm. Schnell verstaute ich das Kleid auf dem Rücksitz und machte mich auf den Weg. Die Fenster waren runter noch bevor ich überhaupt die Hauptstraße erreichte. Erleichtert genoss ich, wie der kühle Wind durch meine Haare strich und die Temperaturen damit erträglich machte. Mein Handy lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich, als es vibrierend vom Sitz in den Fußraum rutschte.

Na toll!
Ich linste vorsichtig unter meinem Lenkrad durch, und konnte es ganz hinten neben meinem Bremspedal liegen sehen. Das durfte doch wohl nicht war sein. Ich beschloss es einfach zu ignorierteren, was genau bis zu dem Zeitpunkt gut klappte als ich einen Anruf bekam. Mein altbekannter Klingelton war in diesem Moment kurz davor mich in den Wahnsinn zu treiben.
Noch einmal riskierte ich einen Blick unter das Lenkrad, in der Hoffnung sehen zu können, wer versuchte mich anzurufen. Als ich wieder aufsah, bekam ich gerade noch mit, wie sich ein schwarzer Van von hinten geradezu an mein Auto klebte. Ein Unfall war genau das, was mir jetzt noch fehlte, schoss es mir durch den Kopf. Ich wechselte die Spur, um dem Van den Weg frei zu machen, doch dieser folgte mir und heftete sich direkt wieder hinter mein Auto.

Okay, jetzt bloß nicht in Panik geraten
Erfolglos versuchte ich durch die getönten Scheiben des Vans zu erkennen, wer so waghalsig hinter meinem Auto hing, doch keine Chance. Vielleicht wollte er auch nur an der nächsten Ausfahrt runter und war deshalb hinter mir geblieben. Mit jeder Ausfahrt die vorbeizog sank meine Hoffnung, und meine Angst steigerte sich. Ich zählte die Sekunden, bis ich endlich den Blinker setzen konnte um die Autobahn zu verlassen. Das bedeutet, dass ich in weniger als fünf Minuten Zuhause war, und diese gruselige Verfolgungsjagd ein Ende hatte. Der Van folgte mir zwar immer noch, hatte jetzt aber ein bisschen mehr Abstand zu meinem Auto, was mich erleichtert durchatmen ließ.

Zwei Straßen von Zuhause entfernt, nahm der Van erneut an Geschwindigkeit zu, aber um mich zu überholen und nicht um wieder so dicht aufzufahren. Kaum hatte er sich vor mich gesetzt, beschlich mich das komische Gefühl, dass das noch nicht alles gewesen ist. Genau in dem Moment ging der Van in die Eisen und zwang mich so mit quietschenden Reifen zu einer Vollbremsung. Mein Herz raste, als ich vorsichtig meine Augen öffnete um zu gucken ob ich irgendwas getroffen hatte. Mein Auto hatte sich halb mit auf die andere Fahrbahn gedreht und eine Menge Spuren auf dem Asphalt hinterlassen. Der Van hatte sich quer auf die Straße gestellt und versperrte mir damit den Weg.
Mein Herz raste, alle Alarmsysteme des Autos leuchteten auf. Ich spürte wie der Schock langsam durch meine Knochen kroch, und drohte mich zu übermannen.

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