Kapitel 1

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Ich saß in meinem Zimmer und starrte auf das Heft vor mir. Die Buchstaben vor meinen Augen verschwammen. Heute konnte ich mich einfach auf nichts konzentrieren, es war wie verhext. Alles ging schief heute.
Beim Aufstehen bin ich über mein Ladekabel gestolpert und habe mir dabei das Knie an der Kante meines Nachttisches angestoßen. Als nächstes habe ich bemerkt, dass die Zahnpasta leer war, und als wäre das nicht genug habe ich mir beim Frühstück den Kaffee über mein weißes T-shirt gekippt. Daraufhin hätte ich fast den Bus verpasst, weil ich nicht sofort was passendes zum Wechseln gefunden habe. Zu allem Überfluss habe ich dann noch die Mathearbeit verhauen.
Jetzt saß ich hier vor meinen Hausaufgaben und verfluchte den Tag. Ich sah aus dem Fenster. Wir hatten gestern neue Nachbarn bekommen und genau diese standen gerade auf der Straße neben einem riesigen Umzugswagen. Der Mann versuchte gerade eine Kommode aus dem Wagen zu heben, während die Frau daneben stand und wild mit den Armen in der Luft herumwedelt, irgendetwas schriet und nebenbei versuchte einen kleinen Jungen zu beruhigen. Beide sahen gestresst aus. Ich musste lächeln. Der ganz normale Umzugswahsinn eben. Neben mir klingelt mein Handy.
"Hallo?" meldete ich mich und musste dabei ein Gähnen unterdrücken.
"Hallo Laura!" antwortete meine beste Freundin gut gelaunt.
"Sophie, was gibt´s denn?" Meine Stimmung war immer noch auf einem rekordverdächtigen Tiefpunkt.
"Was ist denn los mit dir? Du klingst ja nicht besonders fröhlich. Eigentlich wollte ich fragen ob du nachher vorbeikommen willst?"
Ich überlegte. Eigentlich wollte ich nur in mein Bett, mit einem Tee und Schokolade. Doch andererseits würde mir etwas Ablenkung bestimmt gut tun. Also beschloss ich kurzerhand doch zu zusagen. Wir verabredeten uns für den Abend und nachdem wir aufgelegt hatten, stand ich seufzend auf und begab mich zu meinem Kleiderschrank um mir etwas anderes zum Anziehen zu suchen. Die Hausaufgaben konnte ich auch noch später erledigen, was natürlich bedeutete: gar nicht mehr.
Nachdem ich mir eine dunkle Hose und einen Pulli aus dem Schrank geholt hatte, wollte ich ins Badezimmer, doch mein großer Bruder hielt mich auf.
"Laura, kannst du nachher mal in die Küche kommen, die neuen Nachbarn kennenlernen!" schrie er von unten hoch. Auch das noch. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich wolle unsere neuen Nachbarn gar nicht kennenlernen. Sie waren mir egal.
Ich antwortet mit einem gelangweilten "Ja ist gut." und verschwand im Badezimmer.
Vielleicht hatte ich ja Glück und die Nachbarn waren noch nicht da, bis ich gehen musste.
Ich packte noch schnell einige Ding in meine Tasche und lief dann die Treppe hinunter, damit ich mir noch einen Kaffee zum Mitnehmen kochen konnte. Der konnte jetzt bestimmt niht schaden.
In Gedanken versunken betrat ich die Küche ohne besonders auf meinen Bruder zu achten, schmiss meine Tasche auf einen Stuhl und ging zur Kaffeemachiene.
"Hi Laura!" begrüßte mich Basti.
"Hi." antwortet ich ohne mich umzudrehen und wendete mich wieder meinem Kaffe-to-go-Becher zu.
"Hi!" sagte eine dritte Stimme.  Erschrocken drehte ich mich um und dabei rutschte mir fast der Becher aus der Hand. Entgeistert starrte ich auf einen Jungen, der neben meinem Bruder am Tisch saß und den ich bis jetzt nicht bemerkt hatte. Das erste was mir auffiel waren seine Augen. Sie waren blau-grau, dennoch leuchteten sie. Das zweite waren seine großen Hände, die eine Tasse umfassten.
"Ehm... Hi?" stammelte ich. Irgendwas hatte dieser Junge an sich was mich komplett aus der Bahn warf. Verlegen starrte ich ihn an. Er grinste nur und sah mir dabei direkt in die Augen.
"Das ist Laura, meine kleine Schwester." stellte Basti mich dem Unbekannten vor. "Klein in jeder Hinsicht." fügte er hinzu. Er liebte es mich jedes Mal damit aufzuziehen, dass er mindestens einen Kopf größer als ich war.
"Ich bin nicht klein!" rief ich empört und meine Gesichtsfarbe wechselte in einen leicht rötlichen Ton, wie immer wenn ich mich aufregte. Schnell drehte ich mich um und machte mir meinen Kaffee fertig. "Ihr seid doch alle gleich." murmelte ich, schnappte mir währenddessen meine Tasche und verließ mit einem letzten Blick auf den fremden Jungen, der mich immer noch ansah und grinste, die Küche.
Ich nahm mir den Autoschlüssel meines Bruders vom Haken neben der Tür. Selber Schuld wenn er nachher sein Auto vermisste. Ich hatte absolut keine Lust jetzt noch mit dem Bus zu fahren.
Im Auto atmete ich erst einmal tief durch. Dieser fremde Junge ging mir itgendwie nicht aus dem Kopf. Wer war er überhaupt? Wahrscheinlich irgendeiner von den Freunden meines Bruders. Ich schüttelte den Kopf und lies den Motor an um zu Sophie zu fahren.

Mein neuer NachbarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt