Cʜᴀᴘᴛᴇʀ sɪx

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Y a n a r a

Meine Füße taten weh. Und das nicht nur, weil wir seid gefühlten Stunden durch den eigentlich kleinen Wald liefen (was höchst merkwürdig war). Ich war mehrmals fast hingefallen nur wegen ein paar Wurzeln, während Floyd, immer noch meine Hand haltend, geschmeidig jedem Hinderniss auswich.

Es konnte doch nicht sein, dass wir so lange in dem kleinen Wald herum liefen, ohne dass er sich zumindest ein Stückchen lichtete! Es lag bestimmt an diesem Dämon, er lief schon so komische Schlängellinien. Zickzack laufen kann er im Staffellauf machen. Aber nicht mit mir!

»Sag mal«, überwand ich mich letztendlich zu sagen- er hatte währenddessen kein Wort gesprochen-, »wieso laufen wir so lange? Dieser Wald ist doch höchstens so groß wie ein Fußballfeld...«
Trotz dass ich versuchte, ruhig zu klingen, schwang ein Ton von Skepsis mit. Ich konnte es nicht verhindern, denn grob betrachtet ließ ich mich gerade von einem Fremden in den Wald führen. Dafür könnte ich mich echt schlagen.

»Das wirst du schon sehen«, lautete seine einfache Antwort. Und wieder war Stille zwischen uns.
Merkwürdig. Höchst merkwürdig.
Der eigentlich scherzende Floyd war plötzlich so still und das bereitete mir Unbehagen. Aber um mich zu beruhigen redete ich mir ein, dass ich ihn im Grunde ja gar nicht kannte.
Und im Grunde kannte ich niemanden, der auf die Bezeichnung "Dämon" hörte.

Aber ich beließ es bei seiner Antwort und ließ mich noch ein paar Minuten mitziehen. Er könnte auch langsam mal loslassen. Ich könnte schwören, mein Handgelenk ist bereits gerötet.

Aber bevor ich mich weiter beschweren konnte, erkannte ich das Ende des Waldes und verstummte. Endlich. Doch anstatt weiterzulaufen, blieb Floyd ruckartig stehen und ich knallte mit voller Wucht gegen seinen Rücken, was ihn allerdings keinesfalls straucheln ließ.

In seiner Freizeit ist er bestimmt gerne ein Baumstamm.

Konzentration!

Während ich mir den Kopf hielt, der gegen sein rechtes Schulterblatt gestoßen ist, drehte er sich um und wieder lag dieser unlesbare Ausdruck in seinen Augen.
»Wir sind da. Aber bevor du da jetzt rausstürmst, muss ich dir ein paar Dinge erklären«
Etwas anklagendes lag in seinem Blick, was mich unwillkürlich grinsen ließ. Shit. Wahrscheinlich hatte er mich ein paar mal mehr gestalkt um zu wissen, dass ich mich eigentlich von nichts aufhalten ließ. Ich glaubte sogar zu wissen, dass es die Situataion im Supermarkt war, als ich mit einem Herren diskutierte, wem die letzten Blaubeeren zustehen.
Ich nickte und versuchte wieder ernst zu gucken. Trotzdem tauchte immer wieder das Bild von dem Herren mit Halbglatze und Schnurrbart auf.

Stopp jetzt!

»Also, vielleicht bist du noch zu unempfindlich um es zu spüren, aber wir sind deshalb so lange gelaufen, weil wir eine murum überschritten haben. Das ist eine Barriere, die ich hier unter anderem hergeholt habe. Nur übernatürliche Wesen können sie überschreiten, und wärst du keins, so hätte ich jetzt den Beweis aber dem Anschein nach...« Er ließ den Blick grübelnd auf mir schweifen.

Ich versuchte währeddessen mit der Situation klarzukommen. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann waren wir die ganze Zeit schon in einer anderen Welt?
»Keine andere Welt, Barrieren sind lediglich dazu da, um dich ins centrum zu führen. Oder Mittelwelt. Nenn es wie du willst«, führte er seinen ziemlich einseitigen Monolog weiter, während ich bereits fasziniert in die Ferne schaute. Es konnte doch nicht sein, dass ich die ganze Zeit so viel nicht entdeckt habe! Aber viel mehr verwirrte mich, dass er wusste was ich dachte. Mein Blick lag sofort wieder auf ihm.

»Woher-«
»Du bist einfach echt durchschaubar, keine Sorge. Ich kann keine Gedanken lesen«, unterbrach er mich und das typische Grinsen schlich sich auf seine Gesichtszüge.
Das beruhigte mich gerade mehr, als es sollte.

»Ach ja? Was ist denn eigentlich deine Gabe?«, wollte ich wissen und folgte Floyd, der die gerade unterbrochene Wanderung fortsetzte und mit großen Schritten auf die Lichtung zulief. Ich hatte mich für meine Verhältnisse viel zu schnell mit der fremden Umgebung abgefunden, denn ich wusste, es würden noch viele faszinierendere Sachen auf mich zukommen. Woran das lag, konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht sagen.

»Ich kann bis zu einem bestimmten Punkt die Zeit verlangsamen«, kam es von rechts.

Also wenn ich gerade träume, kneift mich.

Ich war sofort Feuer und Flamme dafür. Fasziniert beobachtete ich ihn, wie er mit großen Schritten über Wurzeln hinwegstieg. 
»Kannst du mal zeigen?«
Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen. Es kam mir so surreal vor.

Ein Seufzen, welches ich nicht genau zuordnen konnte, ertönte neben mir. »Vielleicht später«

Er war ja heut gesprächig. Nicht.

Aber ich beließ es bei seiner Antwort und rang mir ein Schulterucken ab. Keine Sekunde später standen wir aber auch schon auf der Lichtung und das Licht, welches eben noch von den dichten Bäumen abgefangen wurde, blendete nun ungehindert in unsere Gesichter. Blinzelnd erkannte ich zunächst ein paar verschwommene Sihouetten, doch als sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, blieb mir die Luft weg.

Eine riesige Gebirgslandschaft erschreckte sich über mehrere Kilometer und die Klippe, auf der wir standen, führte steil hinunter. Trotz meiner leichten Höhenangst wagte ich einen Blick nach unten und erspähte gerade noch die Umrisse mehrerer Steinbauten zwischen dem sich dort befindenden Wald. Die Bäume standen in dichten Abständen nebeneinander, sodass sich ihre gigantischen Baumkronen ineinander verzweigten und kaum einen Blick hindurch ließen.
Als wollten sie das, was sich darunter verbirgt, so gut wie möglich schützen. Lebewesen, die noch nie jemand zu Gesicht bekommen hat. Das alles hatte den Eindruck eines verborgenen Schatzes, der die dunkelsten Geheimnisse mit sich trug.

In der Ferne war das laute Rauschen eines Wasserfalls zu hören und ich konnte schon fast die kleinen Wassertropfen auf der Haut spüren, die der erstaunlich warme Wind mit sich trug.
Hinter jeder versteckten Ecke verbargen sich Arten von Lebewesen, die nur darauf warteten, entdeckt zu werden. Trotz den vielen Geräuschen, die von überall zu vernehmen waren, glaubte ich von irgendwo her sogar einen Phoenix zu hören. Ich hatte mal gelesen, dass sie einen ganz besonderen Gesang haben, der alles Mögliche bewirken könne. Alles war so ruhig und im Einklang, sodass ich fast vergessen hätte, dass Floyd noch neben mir stand.

Auch wenn dich bezweifelte, dass ich etwas Schöneres gesehen habe, so versuchte mein Gehirn gerade verzweifelt etwas vergleichbares zu finden.
Dieser Ort sollte das centrum sein?
Es war einfach überwältigend. Doch Floyd schien das nicht so zu finden und starrte fast schon gelangweilt in die Ferne, die Hände in den Hosentaschen vergraben. 
Dem Anschein nach musste er bereits mehr als einmal diesen Ort passieren.
Ich wette trotzdem, dass er beim ersten mal genau so überwältigt war.

Als ich langsam meine Sprache wiederfand, drehte ich mich zu ihm um. »Was genau wolltest du mir jetzt zeigen?«

»Dort oben«, er zeigte mit dem Finger rauf in die Wolken, »befindet sich das Tor zum coelum. Oder eben auch Himmel. Ich persönlich nenne es ja die Hölle« Er zwinkerte mir einmal verschmitzt zu und verschränkte erneut die Arme.

Die Ironie hinter seinen Worten ließ ich unkommentiert, während ich in das dichte Knäul an Wolken starrte, unfähig etwas darin zu erkennen. Trotzdem bekam ich eine Gänsehaut, allein bei dem Gedanken daran, dass hier wirklich etwas faul war, denn diese Wolken passten überhaupt nicht in diesen Ort. Sie hatten etwas düsteres an sich, was bestimmt nicht nur mir missfiel.
Einst waren die Wolken rein und gaben das Gefühl von Hoffnung und Geborgenheit doch das graue Gewirr in ihnen hinterließ nun bloß ein trübes dunkles Bild.

𖣔

Die nächsten Kapitel widme ich
WoBinIchHierGelandet 😂🤗

𝔾𝕠𝕕'𝕤 ℙ𝕝𝕒𝕟Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt