Untoten-Kampf

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„Wer glaubst du, wird als nächstes gewinnen?", beginnt Einauge seine Frage einem sichtlich desinteressierten Sleepless zu stellen, dessen Augenmerk seit jeher lediglich auf potentiell gefährlichen Gegnern liegt, jedoch nicht bei der nachfolgenden Paarung.
„Dieser mysteriöse Winzling, Ruchares, dessen zu langer Mantel an Dracula für Arme erinnert? Oder diese Dunkelhaarige, die ihren ersten Gegner binnen Sekunden einfach erschossen hat?"
Einauge greift das steinige Geländer der Zuschauerempore und lässt seinen Oberkörper nach hinten gestreckt beinahe fallen. Seinen Kopf hintenüber, sodass aus seiner Sicht der Schlaflose kopfüber hängt.

„Du nervst. Aber wenn du es unbedingt wissen willst: Das Weib", erwidert der Serienmörder seufzend, eines seiner Skalpelle mittels Taschentuch und Spucke säubernd und bedenkt den Anführer der Mondloge mit einem kurzen vielsagenden Blick.
„NEEIN. DER KLEINE VAMPIR SOLL GEWINNEN!", quitscht ein kleines blondes Mädchen so schrill, dass sich Sleepless vor Schreck beinahe das Skalpell in die Hand gerammt hätte. Aus dem Nichts, ist Einauges Ziehtochter Sera sitzend neben Sleepless erschienen und hat ihm alles ins Ohr geschrien.
„Sehe ich auch so, Kleines", stimmt Einauge lächelnd zu, stellt sich wieder normal hin und geht zu der SCP, um ihren Kopf zu wuscheln.

„Diese Drei sind merkwürdig", murmelt Theira zu sich selbst, die auf der anderen Seite der Zuschauertribüne sitzt und sich aus der Ferne das Verhalten von Sleepless, Einauge und Sera anschaut, ehe sich ihre Aufmerksamkeit nunmehr dem Arenageschehen widmet. Ebenso verhält es sich bei den übrigen Zuschauern.
Die beiden nun antretenden Kontrahenten schreiten in die Arena, wo noch die blutige Leiche des besiegten Obersts liegt.
„Kann den mal bitte einer entfernen!?", ruft die sommersprossige Onyx sichtlich angewiderten Ausdruckes in ihrem leicht gebräunten Gesicht, während sie mit einem Kopfnicken auf den Oberst deutet. Sie muss nicht lange warten. Die blutige Leiche wird von einer unsichtbaren Macht in die Erde gerissen, als wäre der leblose Körper ohne jedwede Materie. Der Lakai des Todes erschrickt unmerklich.
„Das ging schnell", murmelt sie überrascht, als etwas in ihrem Augenwinkel erscheint. In einiger Entfernung ist der Vampir Ruchares Drakarian Fernández erschienen, starren Blickes auf seinen Gegner. Onyx' Seufzen liegt schwer in der staubigen Luft der Kampfarena.
„Lass es uns schnell über die Bühne bringen", brummt die Dunkelhaarige und greift zu ihren beiden Revolvern, die in ihren ledrigen Halftern ruhen.
„Ahhh. Wie ich sehe, sind die nächsten Gladiatoren bereit, den Kampf der Giganten zu bestreiten. So lasset uns nicht weiter zögern. Kämpft!", ertönt die verstärkte Stimme des Kaisers Julianos und verkündet somit den Start der nächsten Runde. Augenblicklich zieht Onyx ihre Revolver und befördert sogleich jeweils eine Kugel aus jeder Waffe in Richtung ihres Feindes. Ohne, dass der Vampir eine erkennbare Bewegung vollzogen hat, bleiben die Kugeln direkt vor ihm in der Luft hängen.
„Na super. Wohl doch kein schnelles Ende", murrt der Lakai des Todes und beginnt ihre Hände mittels lauten Knackgeräuschen zu lockern. Gerade, als sie die Bewegungen des Vampirs blockieren will, indem sie mit ihren unheilvollen Kräften seinen Schatten kontrolliert, fällt ihr ein markantes Detail auf, welches ihr bisher entgangen ist. Ruchares besitzt keinen Schatten.

„Ernsthaft?", grummelt Onyx, als ihr bewusst wird, dass sie mit ihrem Feind auf Tuchfühlung gehen muss. Jedoch wird ihr die Entscheidung, wann sie diesen Schritt geht bereits abgenommen, da Ruchares mit einem Mal direkt vor ihr steht. Sie entkommt der Stichattacke gerade noch so. In einer fließenden blitzschnellen Bewegung hat der Vampir seinen Dolch gegriffen und in die Herzgegend Onyx' schnellen lassen. Ein flüchtiges Lächeln huscht über das Gesicht der Dunkelhaarigen, denn auch wenn sie den Schatten ihres Feindes nicht manipulieren kann, so jedoch den ihren. Ein schwarzer, unsagbar spitzer Schattenstachel bohrt sich durch die Bauchdecke ihres kleineren Feindes. Blutiges Keuchen ist zu vernehmen. Doch etwas ist seltsam. Ruchares starrt Onyx noch immer unentwegt an und aus einem schmerzerfüllten Keuchen, wird ein höhnisches Lachen, was in beinahes hysterisches Gelächter ausarte. Bevor der Lakai des Todes bemerkt, wie ihr geschieht, bohrt sich ein Dolch hinterrücks durch den Hals von Onyx. Das, was vor ihr Ruchares zu sein scheint, verschwimmt ins Nichts, als wäre sie lediglich eine Fata Morgana innerhalb trockener Wüsten.
„Illusionen, meine Liebe, sind ein nützliches Werkzeug", bemerkt der Vampir genüsslich von hinten in Onyx' Ohr flüsternd, während er den Dolch ein wenig umherbewegt. 
„Unsterblichkeit auch...", krächzt Onyx die Antwort kehlig blubbernd, bevor sich zwei Schattenspitzen durch ihren und Ruchares linke Brustseite bohren. Sie durchbohren das Herz des Vampirs. Umklammern es in dessen Brustkorb und zerquetschen es noch im Torso.


„Was zum Teufel treibt die Schlampe da?", fragt Daichi ihre Teampartnerin irritiert, welche selbst nur achselzuckend danebenstehen kann.
„Onyx ist unsterblich", kommentiert Millennium, der vom Kampf gefesselt den Blick nicht abwenden kann. 
„Woher weißt du das?"
„Hatte mal mit ihr zu tun", erwidert der Proxy und erinnert sich an sein Zusammentreffen mit ihr. Ein Erlebnis, aus dem beide zwar lebend, aber nicht unbeschadet herausgegangen sind.
„Sie reizt ihr Glück ziemlich aus", flüstert Theira zu sich selbst und legt ihren Kopf ein wenig schief.

„Warum sind alle so nervig stark?", gähnt Jonathan und lehnt sich auf seinem Sitzplatz nach hinten.
„Alter! Was soll das? Die verletzt sich selbst, nur um ihren Feind zu schaden? Ist die so ein komischer Emo!?", spottet Saiko und erntet lediglich einen mürrischen Laut von Liliana. Unsagbare Schmerzen drohen Onyx' Nervenbahnen zu überlasten, doch kann sie dem gerade noch so standhalten, während Rucharez schmerzerfüllt stöhnen zu Boden geht. Diese Chance kann der Lakai des Todes nicht ungenutzt lassen, greift zu ihren Revolvern und entleert ihr gesamtes Magazin in Kopf- und Herzgegend des Vampirs. Nur um sicher zu gehen. Danach greift sie hinterrücks an den Griff des Dolches, welcher noch immer ihren Hals durchbohrt und reißt es mit einem beherzten Ruck aus der Wunde. Diese benötigt nicht lange, um sich aufgrund ihrer Selbstheilungskräfte selbst zu verschließen. Die Schmerzen jedoch bleiben noch eine Weile erhalten. Leb- und gesichtslos liegt der einstige Widersacher der Onyx vor selbiger. Schweißperlen tropfen der Dunkelhaarigen vom Kinn und erst jetzt wird sie sich ihrer Schmerzen und der Erschöpfung vollständig gewahr. So lässt sie sich zu Boden sinken und verharrt schnappatmend im Schneidersitz vor Rucharez. 
"Alter. Mir hat schon lange keiner mehr solche Probleme bereitet", lobt Onyx ihren Gegner, dessen Existenz sie endgültig beendet hat. 


„Das ging eindeutig zu schnell", kommentiert Einauge ein wenig enttäuscht und kratzt sich seufzend den Kopf.
„Umso besser", erwidert Sleepless
„ACH MAN. DER VAMPIR SOLLTE DOCH GEWINNEN!", schmollt Einauges Ziehtochter, welche von dem Anführer der Mondloge umarmt wird. 
„Zumindest wird mein KevKev immer gewinnen", kichert die kleine Sera.

„Und damit, schneller als erwartet, steht die Gewinnerin dieses kurzen, aber intensiven Kampfes fest. Herzlichen Glückwunsch. Dann wird es Zeit, die beiden Kämpfe für den morgigen Tag anzukündigen.
Am morgigen Tag tritt Liliana gegen Millennium im ersten und Sera gegen Danathan Calva im zweiten Kampf an. Bis dahin wünsche ich euch allen einen angenehmen Resttag. Gehabt euch wohl", spricht Kaiser Julianos feierlich und verschwindet ins Innere der Gemäuer. Die Informationen hallen durch die Köpfe der Zuschauer und Teilnehmer in Spe. 
„Du musst gegen Millennium antreten? Den schaffst du easy", versucht Saiko seine Liebste aufzumuntern, die in Gedanken versunken zu sein scheint. Doch innerlich wissen beide, dass es mitnichten so einfach werden wird. Millenniums Blick kreuzt den der rothaarigen Sichellogen-Forscherin. Der Proxy setzt ein tief durchdringendes makaberes Grinsen auf. Seine Blutlust ist beinahe spürbar.

Einauge läuft es kalt den Rücken runter. Er weiß, dass es so kommen muss, aber nun ist es so gekommen. Seine Ziehtochter muss gegen einen Gegner antreten, den er selbst nicht kennt. Ein potentiell schwerer Feind. Seine Hände ballen sich zu Fäusten. Dunkle Blasen entstehen um seinen Körper und steigen wie eine Aura, welche leichter als die Luft zu sein scheint, in die Luft hinauf.
„Fuck", murrt Sleepless. Ihm ist bewusst, was da gerade in Einauge rumort.
„Er ist sauer...", flüstert selbiger zu sich selbst.
„Oh nein", sagt Liliana, die aus ihrem Augenwinkel etwas seltsames bemerkt und Einauges Veränderung erkannt hat. Auch ihr ist das, was da gerade passiert nicht unbekannt.
„Soll ich...?", fragt Saiko, der ihrem Blick gefolgt ist und mit einem Mal todernst wird. Doch bevor das passieren kann, legt Sera eine Hand auf die ihres Ziehvaters.
„Papi. Mach dir keine Sorgen. Du weißt, dass ich nicht verlieren kann. Lass das mal deine Sera machen", haucht die kleine Hexe liebevoll und lässt ein wenig Magie auf Einauge wirken. Dieser beruhigt sich augenblicklich, sodass die dunkle Aura verbleicht. Sleepless atmet tief durch.
„Danke, Kleine", murrt er. Für einen Augenblick hat der Schlaflose die Möglichkeit in Betracht gezogen, die Kräfte seines Partners zu unterdrücken.
Einauge schaut seine Ziehtochter ruhiger an. Beide lächeln einander an. Und umarmen sich..

Fortsetzung folgt... 

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