15 | Listen to your heart.

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Jedenfalls habe ich ihre Bemerkungen, was das Cheeren betrifft, immer mit einem Schulterzucken abgetan. Es machte mir nichts aus, dass sie es nicht mochte. Ich verbrachte gerne meine freie Zeit in einer großen, meist viel zu kühlen Halle mit einer Horde von Mädchen. Auch die eisige Kälte, die in den frühen Abendstunden auf dem Sportplatz herrschte, machte mir nichts aus. Jetzt aber ist das anders. Jetzt, wo sie nicht mehr da ist, habe ich das Gefühl, meine Mutter zu enttäuschen, sollte ich versuchen, wieder in die Gruppe zu gelangen. Ich habe ihr an ihrem Grab geschworen, dass ich sie stolz machen würde und ich weiß, dass sie das nicht wäre, wenn ich weiterhin eine Cheerleaderin wäre", räumte ich meine Bedenken ein.

Schwach prickelnd konnte ich die Spur der getrockneten Träne auf meiner Wange spüren. Es würde nicht lange dauern, bis auch diese verblasste und nicht mehr an meinen kleinen Zusammenbruch erinnerte. Nicht mehr daran, dass ich einem Fremden meine Ängste offenbart hatte.

Wieder bewegten sich seine Hände, aber anders als beim ersten Mal fand seine Hand nun wirklich den Weg über den Tisch zu meiner. Sanft umfasste er sie, spielte mit meinen Fingern und verschränkte sie schließlich miteinander. Unweigerlich hielt ich die Luft an, starrte nach unten und beobachtete das kleine, harmlose Spiel, das ein Kribbeln durch meinen Körper schickte.

„Mach dir keine Vorwürfe, Cartia. Und glaube nicht, dass du sie enttäuschen würdest." Seine Stimme war gesenkt, seine Augen wieder klar und er wirkte gefasster, als in den gesamten Minuten zuvor.

„Ich habe deine Mutter nie kennengelernt aber ich bin mir sicher, dass sie, wie alle tollen Mütter nur wollte, dass ihre Tochter glücklich ist. Dass sie ihre Wünsche und Träume verfolgt und sich mit Menschen umgibt, die sie liebt." Seine Worte trafen mich direkt ins Herz und ich konnte, trotz meiner Traurigkeit, das Lächeln auf meinen Lippen nicht unterdrücken.

„Ich wünsche mir so sehr, dass sie auf mich hinabblickt und stolz auf mich ist", flüsterte ich leise.

Ich blickte ihm in die Augen, erfasste das unfassbar tiefe Blau dieser und verlor mich in ihnen. Ich hatte aufgehört zu zählen, wie oft es schon der Fall gewesen war, aber ich genoss es mit jedem Mal mehr.

„So, hier wären einmal die Burger." Die melodische Stimme der Kellnerin riss mich aus meinen Gedanken, Sehnsüchten und meinem Verlangen. Erschrocken darüber, dass jemand diesen Moment unterbrach, in dem ich mich verloren hatte, entzog ich mich Lennox' Griff und schlug im selben Atemzug der jungen Blondine beinahe den Teller aus der Hand.

Benommen beobachtete ich, wie sie die Burger vor unserer Nase platzierte und eine weitere Kellnerin die Pommes in die Mitte des Tisches stellte. Die elektrische Spannung, die zwischen uns geherrscht hatte, war verflogen und ich fühlte mich, als hätte man eiskaltes Wasser über meinen Körper fließen lassen.

Mit zitternden Händen griff ich nach dem Besteck, das Lennox mir wortlos reichte, bedankte mich bei der Kellnerin und wünschte ihm verhalten einen guten Appetit.

Bei den Adjektiven die er benutzt hatte, um das Essen zu beschreiben, hatte er nicht übertrieben. Es schmeckte ausgezeichnet und schon nach dem ersten Bissen konnte ich einfach nicht genug bekommen. Das Essen stellte eine perfekte Ablenkung für die merkwürdige Situation dar, in der wir uns zuvor befunden hatten.

Ich war mir sicher, dass er meine Hand genommen hatte, um mir einen gewissen Halt zu symbolisieren. Mit den Gedanken war er bei den Dingen gewesen, die ich ihm gesagt hatte und dort hatten Hintergedanken keinen Platz gehabt. Diese kamen erst nachdem wir uns schließlich in die Augen gesehen hatten. So war es jedenfalls mir ergangen.

Das Essen verlief schweigsam und erst, als sich nur noch die Pommes auf meinem Teller häuften, lehnte ich mich zurück und wandte den Blick das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder zu ihm. Auch sein Burger war inzwischen verschwunden, sowie seine Pommes. Die letzten hielt er gerade zwischen zwei Fingern und zog sie durch den Ketchup, der von dem Burger noch übrig gewesen war.

Paralyzed | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt