,,Ladies und Gentlemen, in Kürze erreichen wir unser Ziel. Bitte begeben Sie sich auf Ihre Sitzplätze und schnallen Sie sich an. Vergewissern Sie sich, dass Ihre Tische hochgeklappt, die Sonnenblenden hochgeschoben sind und Ihr Handgepäck ordnungsgemäß verstaut ist. Das Wetter in-„
Ich schaltete ab, denn plötzlich begann mein Herz, wie wild zu pochen. Meine Hände wurden ganz schwitzig und meine Atmung unregelmäßig. Ich war total nervös, nach einem Jahr wieder nach Hause zurückzukehren. Was, wenn sich alle verändert hatten? Was, wenn ich mich verändert hatte? Konnte ich überhaupt noch normales Englisch reden, nachdem ich mich ein Jahr lang fast ausschließlich auf Italienisch unterhalten hatte?
Ich versuchte, mich zu beruhigen, indem ich einen großen Schluck Wasser nahm und aus dem Fenster schaute. Die Gebäude wurden immer größer und kamen uns immer näher. In wenigen Minuten würden wir landen. Meine Gedanken rasten hin und her und ich schloss die Augen und versuchte, tief ein- und auszuatmen, um nicht zu hyperventilieren.
„Alles in Ordnung?", fragte mein Sitznachbar.
Ich nickte und lächelte ihn an.
Etwa sieben oder acht Minuten später landeten wir. Der gleiche Tumult wie immer ging los. Die Leute sprangen von ihren Sitzen und öffneten die Klappen für die Stauräume, während die Stewardessen wie wild versuchten, alle wieder auf ihre Plätze zu bekommen. Ich schaute aus dem Fenster und sah, wie bereits die Koffer der Passagiere aus dem Laderaum geholt wurden. Ich schaute auf mein Handy, 17:35 Uhr. Ich war hundemüde. Es war zwar eine angenehme Zeit, aber in Italien war es mitten in der Nacht und der Jetlag machte sich bereits sehr bemerkbar. Während des Fluges hatte ich zwar versucht zu schlafen, aber es hatte nicht geklappt.
Endlich war die Kabine halbwegs leer, sodass ich auch aufstand, meinen Trolley nahm und mich zum Ausgang begab. Ich lief durch die Röhre in den Flughafen hinein und durch die Sicherheitskontrolle. Sie kontrollierten meinen Ausweis und als sie sahen, dass ich US-Bürgerin war, traten sie mir direkt viel freundlicher gegenüber. Innerlich verdrehte ich die Augen darüber. Manchmal bildeten sich die Amerikaner auch ein wenig zu viel ein. Von der ersten Sicherheitskontrolle ging es dann zu einer zweiten, wo ich noch einige Fragen beantworten musste. Schließlich konnte ich endlich meinen Koffer abholen und aus dem Gate rauslaufen.
Die Türen öffneten sich und es standen jede Menge Leute draußen. Ich schweifte mit dem Blick über die Menschenmenge, als ich ein bekanntes Gesicht erblickte.
„Hey!", rief ich als ich meinem Bruder in die Arme fiel. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mich hier abholen würde.
„Überraschung!", sagte er und drückte mich, „Ich habe dich so vermisst, kleine Schwester."
„Ich dich auch.", antwortete ich und küsste seine Wange.
Obwohl unsere durchaus schwere Kindheit durch unsere äußerst strengen und konservativen Eltern eine Qual für uns war, hatte sie uns schon im frühsten Kindesalter zusammengeschweißt. Robert hob mich hoch und drehte sich mit mir, sodass ich laut auflachen musste. Als er mich wieder absetzte und ich mich von ihm löste, erblickte ich sofort den blonden, lockigen Schopf, der mir so gefehlt hatte in den letzten 342 Tagen. Ich lief sofort zu Rebecca und umarmte sie. Sie drückte mich ganz fest und sofort fingen die Tränen an zu kullern. Rebecca schniefte und ich schniefte. Es war rührend.
***
Rebecca legte die Schlüssel auf den Tisch im Flur und lief direkt ins offene Wohnzimmer. Robert und ich folgten ihr. Ich konnte bereits den großen Banner in der Küche sehen, auf dem „Willkommen zurück" stand. Auf der Kücheninsel stand eine kleine Torte mit Wunderkerzen, die sie schnell anzündete, um dann mit der Torte zu mir zu kommen. Ich bedankte mich bei ihr und bei meinem Bruder und wartete, bis die Kerzen aus waren.
Wir wollten gerade die Torte anschneiden, als ich von hinten eine mir bekannte Stimme hörte.
„Sophie! Willkommen zurück! Ich bin ja so froh, dich wiederzusehen!"
Ich drehte mich um und grinste Will an. Er kam auf mich zu, nahm mich in den Arm und drehte mich herum wie es Rob am Flughafen getan hatte. Will setzte mich wieder ab, strich mir übers Haar und küsste meine Schläfe.
„Dad, wieso bist du schon so früh da?", fragte Rebecca.
„Ich habe mich beeilt, damit ich diesen italienischen Einwanderer hier begrüßen kann.", sagte Will, zeigte mit dem Daumen auf mich und wuschelte mir durchs Haar.
Will begrüßte Rob und Rebecca und holte ein Messer, um die Torte anzuschneiden. Wir setzten uns an den Tisch und Rebecca forderte mich auf, ihr alles zu erzählen.
„Was soll ich dir erzählen? Wir haben fast jeden Tag geskypt oder telefoniert. Du bist auf dem aktuellsten Stand.", sagte ich.
„Naja, die letzten fünfzehn Stunden oder so hab ich jetzt nicht so viel von dir gehört.", erwiderte sie auffordernd.
„Glaub mir, bis auf den heißen Typen, der im Flugzeug neben mir saß, hast du nichts verpasst."
„Ein heißer Typ? Erzähl mir alles!", sagte sie aufgeregt.
„Oh, bitte nicht!", wendeten Will und Rob gleichzeitig ein.
Ich verdrehte die Augen und erzählte ihr, dass ich auf dem Flug hierhin einen wirklich schnuckeligen und auch netten Typen getroffen hatte, mit dem ich mich den Großteil des Fluges über unterhalten hatte. Dabei blieb es jedoch auch. Ich wusste nur, dass er Alex hieß, 21 Jahre alt war und seinen nach Rom ausgewanderten Vater in den Sommerferien besucht hatte. Wir hatten keine Nummern ausgetauscht und würden uns wahrscheinlich nie wieder sehen. Rebecca war entsetzt, dass ich nicht nach seiner Nummer gefragt hatte. „Soph, du musst mal die Initiative ergreifen. Du kannst nicht darauf warten, dass dein Märchenprinz irgendwann vor deiner Tür steht und dich bittet, ihn zu heiraten und dann mit dir gemütlich in den Sonnenuntergang reitet."
Ich verdrehte die Augen. „Wie läuft es denn bei dir und Danny?", versuchte ich das Thema zu wechseln.
Rebecca merkte es sofort, aber gab nach. „Momentan kriselt es echt. Ich glaube, dieses Mal werden wir uns nicht so schnell versöhnen."
Ich hob fragend eine Augenbraue. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es bei den beiden endgültig aus war. Sie stritten sich ständig, versöhnten sich und stritten dann wieder. So waren Rebecca und Daniel halt.
„Will noch jemand Nachschlag?", fragte Will in die Runde.
„Nein, danke. Die Torte ist echt mächtig. Ich bin ziemlich voll.", antwortete ich. Die beiden anderen stimmten mir zu.