Kapitel 25 - Lava und Blitze

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Nach dem ersten Schrecken über den Fund der gigantischen Salzkruste, die den Drachen über Jahrhunderte bedeckt haben musste, hatte Malucius diese Sorge rigoros beiseite geschoben. Das Untier war nicht hier, war es vielleicht schon lange nicht mehr und die Menschen Belletristicas hielten an einem Märchen fest. Fürchteten sich zu Unrecht vor einer unbewohnten Insel, auf welcher Reichtümer vergammelten, mit denen man Königreiche errichten konnte.

Lächelnd nahm der fahle Mann einen kugelförmigen schwarzen Diamanten hoch und bewunderte ihn. Das Licht der Kristalle brach sich darin und die unendliche Dichte der geschliffenen Facetten schluckte es und ließ es im Inneren funkeln, als hielte der Reaper eine Miniaturgalaxie in seinen Händen. Ihm nutzte das sagenhafte Vermögen in diesem Berg nichts, denn für kein Gold der Welt würden die edelmütigen Helden dieses Landes ihn seines Weges ziehen lassen. Wenn er sie also nicht besiegen konnte, würde er sterben. Und der Reaper wusste nicht, ob ihm dies nicht vielleicht sogar ganz recht war. Doch zuvor würde er so viele von ihnen mitnehmen, wie er konnte. Sie sollten leiden wie er es getan hatte, sollten Einsamkeit und Verzweiflung und Stille erdulden und, selbst wenn sie überlebten, sollte ihnen fortan ein Stück fehlen. Sei es Frieden, ein Körperteil oder ein Stück ihrer Seele.

Die Finger um den Edelstein ballend schob er sich diesen in die Tasche seines Gewandes. Den Drachen würde es nicht mehr kümmern, ob ein Teil fehlte.

»Los, folgen wir diesem Pfad«, knurrte er seiner Feenschar zu, die wie Kinder mit dem Gold spielten, jetzt wo sie sicher sein konnten, dass kein Sturm über sie hereinbrechen würde wegen eines riesigen Untiers. Sie hielten sofort in ihrer Handlung inne und verneigten sich.

Malucius blickte sich um und konnte schließlich am Ende des Weges weitere Eingänge in der Höhle ausmachen. Manche hatten die Ausmaße von Dachshöhlen und wieder andere wirkten so groß, dass selbst ein Drache durch diese würde hindurchgehen können.

Und noch immer war keine Spur des vermaledeiten Kleinkindes zu entdecken. Würde der Bengel nicht schon längst irgendwo sitzen und heulen, weil er Hunger oder die Hosen voll hatte, wenn er hier wäre?

Entschlossen betrat der Reaper einen hohen Gang, doch schon nach wenigen hundert Metern prallte er zurück und hielt seine Feen an.

»Hier kommen wir nicht lang.« Die Hitze in dem unterirdischen Korridor war so drastisch angestiegen, dass sie auf der Haut brannte und das Atmen schwer fiel. Vor ihnen flimmerte es, die Luft schien in Bewegung zu sein und der orangefarbene Feuerschein offenbarte, dass sie direkt an einer Magmakammer angekommen waren. Der See aus kochendem Gestein brodelte und blubberte unheilvoll. An diesem würden sie niemals vorbeikommen, ohne vorher in der glühend heißen Luft verendet zu sein.

»Geht zurück, wir nehmen einen anderen Weg. Hier ist der Junge nicht vorbeigekommen. Blutsauger halten diese Temperaturen nicht aus.«

Die Schattenfeen purzelten zurück und eilig verließen sie den Gang. Selbst Malucius spürte die Erleichterung, als er die kühle Goldkammer wieder betrat und in einen deutlich niedrigeren Korridor einbog. Dieser war eng und an manchen Stellen musste der Reaper sich ducken oder gar durch Wegverengungen quetschen, doch die Temperatur blieb gleich und immer wieder wuchsen diese lumineszierenden Kristalle aus dem Gestein, die alles in geisterhaftes Licht tauchten. Der Pfad stieg spürbar an und es erschien Malucius wie eine kleine Ewigkeit, als sich der muffige und irgendwie metallische Duft des Berges plötzlich veränderte. Er wurde frischer und der Mann konnte einen Luftzug spüren, bevor er sehen konnte, dass die Feen, die vorangegangen waren, aus einer Spalte in der Außenhaut des Vulkans herausfielen.

Rötliches Licht drang in den unterirdischen Gang und Malucius hob reflexartig die Hand an die Augen, als er aus diesem heraustrat. Es dämmerte bereits, der Himmel war magentafarbend und die Sonne, die bereits im Westen stand, beleuchtete die weit unterhalb des Pfades gelegenen kargen Wälder. Alles wirkte wie in Feuer getaucht, doch der Wind auf der Haut war wie eine erfrischende Dusche.

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