Part 3

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Lucy

Völlig perplex starrte ich Henry an.
>Was?! <
>Ich weiß, dass es sich verrückt anhört, aber das wäre DIE Lösung! <
>Nur damit ich das richtig verstehe, du willst, dass wir ein Paar werden, um unseren Freunden etwas vor zu machen? <
>Ja... , ich meine nein! Jedenfalls nicht so, wie du das ausgedrückt hast, sondern, dass wenn ich dir helfen würde aus dir raus zukommen und zu zeigen wer du wirklich bist, du im Gegenzug so tust, als wärst du meine Freundin. Ich meine, wenn wir ein Paar "vorspielen" würden, müssten wir sowieso Zeit miteinander verbringen und ich könnte dir während dessen helfen, das Mädchen zu sein, was du wirklich bist. Dann würden wir beide keine Probleme mehr haben. Außerdem würden wir unsere Freunde gar nicht anlügen, sondern ihnen nur etwas verheimlichen. <
Okay, das war... verrückt.
Andererseits, endlich verstand ich, warum dieser Typ überhaupt mit mir sprach.
ER war verrückt und bemerkte wahrscheinlich gar nicht, was er da für einen Unsinn erzählte.
Wie wollte er aus mir die Person machen, die ich wirklich war? Ich selber wusste es ja noch nicht mal, da konnte ein Typ mit dem ich mich ein paar Minuten unterhalten hatte, noch lange nicht wissen was für ein Mensch ich war. Und auch wenn er es wissen würde, wie wollte er mich zu diesem Menschen machen?
Das alles war einfach verrückt und wenn ich mich nicht gleich von ihm entfernte, würde ich auch noch verrückt werden.
>Henry, ich glaube, das war eine ganz blöde Idee dir von meinen Problemen zu erzählen. Und wenn ich über alles nochmal nachdenke, so schlimm ist es gar nicht. Ich meine, ich habe es die letzten Jahre auch ausgehalten und wie du siehst lebe ich noch, so schlimm kann es also überhaupt nicht gewesen sein. <
Ich machte eine Pause. Wie sagte man einem gutaussehenden selbstbewussten Typen, dass man lieber Abstand von ihm halten würde? Und warum musste dieser Typ überhaupt so gut aussehen und mir so sympathisch rüber kommen, obwohl er gleichzeitig so verrückt war, mir vorzuschlagen, zusammen zu sein?
Also probierte ich mit dem erst besten, das mir einfiel, um von ihm weg zukommen.
>Ohh..., es tut mir wirklich sehr leid Henry,aber...ich habe ganz vergessen, dass ich... dass ich noch ganz dringend wohin muss. <
Schnell sprang ich von der Bank auf, nahm meinen Rucksack und lief los. Ich wusste zwar nicht wohin, aber alles war besser, als sich weiter mit diesem Typen zu unterhalten. Diesem verrückten Typen.
Wer kam bitte auf die Idee, einer Person, die man erst wenige Minuten kannte, vorzuschlagen, dessen und seine eigenen Freunde so zu hinter gehen und ihnen vor zuspielen, man wäre ein Paar? Das war mit Abstand die absurdeste Idee, die ich jemals gehört hatte.

Henry

Sollte ich ihr hinterher laufen oder nicht? Schließlich wollte sie anscheinend nicht mehr mit mir reden, sonst hätte sie nicht so eine schlechte Ausrede gehabt, um zu verschwinden.
Blöderweise konnte ich es ihr noch nicht mal übel nehmen, zu verschwinden. Sie musste wirklich glauben, ich wäre ein Verrückter, der aus irgendeiner Klapse ausgebrochen war. Zwar hatte ich ein paar Probleme, aber soweit war es nun doch noch nicht gekommen.
Und dann, warum auch immer packte ich meine eigenen Sachen, lief in die Richtung in die sie verschwunden war und suchte nach ihrem rot-blonden Kopf.
Als ich ihn entdeckte und beobachtete wie sie sich auf eine Bank setzte musste ich grinsen.
Hatte ich es mir doch geahnt. Von wegen sie musste dringend noch wohin. Sie wollte einfach nur weg von mir.
>Ich hab gedacht du müsstest dringend irgendwo hin. <
Langsam drehte sie ihren Kopf und sah zu mir nach oben. Ich konnte sofort erkennen, wie unangenehm es ihr war, dass ich sie, woanders sitzend, entdeckt hatte.
Sie öffnete ihren Mund, um etwas zu erwidern und ich machte mich schon auf eine Drohung gefasst, dass wenn ich sie nicht gleich in Ruhe ließe, sie mich wegen Belästigung anzeigen würde.
Doch dann, wie in Zeitlupe schloss sie ihn wieder und biss sich auf ihre Lippen. Nur diese kleine Geste ließ in mir schleckliche Erinnerungen hoch kommen, doch ich zwang mich dazu meinen Blick nicht von ihr abzulassen.
>Darf ich mich setzen? <
Meine Stimme klang belegt und schnell schluckte ich den Kloß in meinem Hals runter und versuchte nicht mehr auf ihre Lippen zu achten.
>Wir leben in einem freien Land. Du kannst tun und lassen, was du
willst. <
Und das war das Einzige, was sie sagte. Kein, was bist du für ein kranker Typ und läufst mir hinter her oder könntest du mich bitte in Ruhe lassen. Sogar, wenn sie ihre Sachen genommen hätte und wieder weggegangen wäre, hätte ich es verstanden. Aber nein. Jetzt saßen wir hier auf einer Bank, mitten in der Stadt und beobachteten die vorbei laufenden Leute.
Warum war ich ihr überhaupt hinterher gelaufen und warum hatte ich mir nicht überlegt, was ich zu ihr sagen könnte, bevor ich los gelaufen war?
Toll, Henry. Dieses Mädchen hat wahrscheinlich einen komplett falschen Eindruck von dir und dir fällt nichts besseres ein, als ihr hinterher zu laufen, dich neben sie zu setzen und sie einfach nur von der Seite anzustarren.
Warum war es mir überhaupt so wichtig, was sie von mir dachte und was noch viel wichtiger wahr, warum konnte ich meinen Blick nicht von ihr abwenden. Wenn sie mein Typ gewesen wäre hätte ich es ja noch verstanden, auch wenn ich prinzipiell keinem Mädchen hinter her lief. Eher liefen mir die Mädchen hinter her. Aber trotzdem. Warum fühlte ich mich so zu ihr hingezogen?
Was machte ich hier gerade?
Letztendlich entschloss ich mich, dass es schon mal ein guter Anfang wäre, mich wenigstens bei ihr für meine verrückte Idee zu entschuldigen.
Was ich mir dabei gedacht hatte, war mir immer noch ein Rätsel. Heute war einfach nicht mein Tag und meine Gedanken spielten völlig verrückt.
>Ich wollte mich bei dir entschuldigen. <
Endlich sah sie mich wieder an und ihr Blick war nicht wütend, ängstlich oder genervt, sondern ihre hellblauen Augen schauten mich hoffnungsvoll, fast schon flehend an, diese komische Situation wieder zu normalisieren.
>Es war eine echt schreckliche Idee dir vorzuschlagen, so zu tun, als wären wir zusammen. Du musst mich wirklich für verrückt und armselig halten. Wer schlägt auch einer Person, die man nicht kennt vor, ein Paar zu werden? Das ist wirklich verrückt und ich kann voll und ganz verstehen, warum du gegangen bist.<
Ihr Blick veränderte sich, wurde wärmer, mitfühlender und obwohl ich es hasste, wenn jemand Mitleid mit mir hatte, konnte ich ihr einfach nicht böse sein.
Nur wenige Sekunden später lachte sie lauthals los, wie vorhin an der Bushaltestelle und genau wie vor wenigen Minuten hörte sie abrupt damit auf, als ihr bewusst wurde, dass die Leute um uns herum zu uns schauten.
>Um ehrlich zu sein, ja ich habe dich für verrückt gehalten, aber nachdem du dich entschuldigt und dabei so von dir selbst verstört aussahst... <
Und wieder musste sie lachen, dieses Mal versuchte sie es aber zu unterdrücken, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Jedoch sah das so komisch aus, dass ich einfach mit ihr zusammen lachen musste und plötzlich war es ihr völlig egal, was die anderen Leute über sie dachten,denn ihr lachen wurde wieder lauter.
Nachdem wir uns beruhigt hatten, musste ich unbedingt noch etwas los werden.
>Noch eine Sache, das nächste Mal, wenn ein Verrückter mit dir spricht und du eine Ausrede suchst, um von ihm weggehen zu können, ohne ihn verletzen zu wollen, komm nicht mit 'ich muss noch ganz dringend wohin', dass glaubt dir sowieso niemand,
vertrau mir. <
>Ok, ich vertrau dir. Aber zu meiner Verteidigung, mich hat noch nie jemand angesprochen und ich musste mir auch noch nie irgendeine Ausrede ausdenken. <
Und so redeten und lachten wir noch eine Weile weiter, bis sie sich verabschiedete, um ihren Bus noch zu kriegen.
>Es war schön dich kennen gelernt zu haben,Henry, auch wenn es etwas verrückt war. <
>Es hat mich auch sehr gefreut,aber  bitte erzähl keinem davon und versuch es wenigstens zu vergessen. Das ruiniert sonst noch mein Image. <
Endlich,ein Hauch meiner Arroganz war wieder zurück.
Doch wer hätte es gedacht, lächelte sie mich auch darauf nur an und sagte  >Mach den guten Eindruck den ich von dir habe nicht schon wieder kaputt. <
>Keine Sorge, ich werde ihn so oder so kaputt machen, da kommt es gar nicht drauf an, wann es soweit ist. <
Sarkastisch schüttelte sie ihren Kopf.
>Auf Wiedersehen, Henry. <
Und damit drehte sie sich um und verschwand.
Plötzlich wurde mir etwas bewusst und ich schaute auf mein Handy.
Scheiße, 4 verpasste Anrufe von Alex und 3 von Mum. Das würde wieder ein langer Abend werden.
Aber auch wenn der Tag wahrscheinlich noch schlimmer werden würde und es noch eine Weile dauerte bis der nächste Bus nach Hause fuhr, war meine Laune erheblich gestiegen.
Und auch, wenn Lucy vorhin so klang, als würde sie bezweifeln, dass wir uns jemals wiedersehen würden , wusste ich, dass sie falsch lag,denn ich würde alles erdenkliche tun, um dies zu verhindern.

Zwischen Lüge und Wahrheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt