Part 4

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Henry

*Ich bin in 10 Minuten zu Hause. Beruhige sie so lange. Schaffst
du das? *
*Ich hoffe es...,bis gleich. *

Schnell packte ich mein Handy wieder in meinen Rucksack und als der Bus hielt, stieg ich sofort aus und beeilte mich nach Hause zu kommen. Alex würde Mum nicht mehr lange beruhigen können und ich wollte ihn nicht lange mit ihr allein lassen.
Er hatte mir zwar nicht erzählt, was genau passiert war, aber wenn es schon so weit gekommen war, dass er mich anrief und bat, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, musste es schon weit genug sein.
Trotzdem hoffte ich, ich würde mich irren, doch der kleine Funke Hoffnung, der in mir auf dem nach Hause Weg aufgekeimt war, wurde sofort wieder zu nichte gemacht, als ich das Auto meiner Tante, Mums Schwester vor unserem Haus stehen sah
Als ich die Haustür aufschloss und ich das leise Schluchzen meiner Mum aus dem Wohnzimmer und das tröstende Gemurmel meiner Tante hörte, wusste ich es.
Er hatte wieder angerufen.
Wut breitete sich in mir aus. Wie oft hatte ich ihm schon klar gemacht,er solle damit aufhören,sich nicht mehr in unser Leben einmischen und uns einfach in Ruhe lassen.
Alex kam mir aus der Küche entgegen. Er sah mich erschöpft an und nur ein Blick von ihm reichte, um meine Vermutung zu bestätigen.
>Dieses... <
>Hör auf Henry. Es hat dich keinen Zweck... <
Sogar Alex Stimme klang fertig und obwohl er geflüstert hatte, hörte ich Mum meinen Namen rufen.
>Henry? Henry bist du es? <
Zusammen mit Alex ging ich ins Wohnzimmer. Dort saßen meine Mum und meine Tante auf unserem Sofa.
Meine Tante hatte tröstend ihren Arm um meine Mum gelegt und streichelte sie beruhigend.
Mums Augen waren gerötet und angeschwollen und ich konnte noch die Spuren ihrer Tränen sehen, die sie noch bis vor wenigen Minuten wegen einer ganz bestimmten Person, die ich am liebsten nie wieder sehen würde, vergossen hatte.
Sie sah wirklich schlecht aus, aber diesen Anblick kannte ich nur zu gut, er hatte sich in mein Gedächtnis eingebrannt und würde wahrscheinlich nie wieder verschwinden. Egal, wie sich die Situation weiter entwickeln würde. Obwohl jetzt noch keine Besserung in Sicht war. Die letzten Wochen waren sogar schlimmer geworden,als es zuvor schon war.
>Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Er hat mir wieder gedroht und ich dachte schon er würde dir... <
Erneut brach sie in Tränen aus.
Langsam kam ich auf sie zu und kniete mich vor sie auf den Boden.
Ich nahm ihre zittrigen Hände in meine und sah ihr in die Augen.
>Mir geht es gut Mum. Es ist nichts passiert. <
>Wo warst du denn solange? Alex sagte, du wolltest gleich nach der Schule wieder nach Hause kommen. <
>Ich hab noch jemanden in der Stadt getroffen und... Es tut mir leid, Mum. Das nächste Mal komme ich gleich nach Hause. <
>Nein Henry. Es brauch dir nicht leid tun. Mir tut es leid, dass ich immer vergesse, dass ihr auch noch ein Leben habt. Das nächste Mal sagst du einfach Bescheid, ok? <
Ich konnte nur stumm nicken. Mum machte sich sogar Sorgen um mich, wenn es ihr schlecht ging und es selbst schwer genug hatte.
>Hoffen wir einfach, dass es ein nächstes Mal nicht geben wird. <
Mum schaute zu meiner Tante und musste ungläubig lachen.
>Ich glaube, so schnell wird das nicht passieren... Aber lasst uns nicht noch weiter darüber reden. <
Mum ließ meine Hände los, damit ich aufstehen konnte und auch sie stand vom Sofa auf und lief in die Küche.
>Ihr Jungs habt doch bestimmt Hunger. Ich hab vorhin extra Mittagessen gekocht, damit ihr mal etwas anständiges zu essen bekommt und wir uns auch mal zusammen an einen Tisch setzen und reden
können. <
Zusammen folgten wir ihr in die Küche.
>Es ist zwar schon etwas kalt geworden,nachdem ich es vorhin noch mal aufgewärmt habe, aber ich denke mal, dass wir es trotzdem essen können. Möchtest du auch etwas essen Mo? <
>Wenn ich schon einmal hier bin. <
Als unsere Tante Mo uns zu zwinkerte und Mum zu lachen begann, wusste ich, dass alles wieder in Ordnung war.
Gott sei Dank. Es hätte auch schlimmer kommen können, so wie die letzten Male, als Mum zusammen gebrochen war und wir Stunden gebraucht hatten, um sie zu beruhigen.
Nachdem Mum uns allen einen Teller voll mit ihrem selbst gekochten vegetarischen Auflauf gegeben hatte, saßen wir an unserem runden Tisch im Esszimmer und genossen unser Essen.
Der Raum wurde von dem für mich ekelhaften Geruch von gebratenen Hähnchen erfüllt,was mir heute allerdings nichts ausmachte. Ich genoss das Beisammen sein meiner Familie, obwohl ein totes Tier vor mir auf dem Tisch lag.
Sonst wäre ich wahrscheinlich sofort abgehauen, denn für mich als Vegetarier war es schwer, überhaupt Fleisch sehen zu können ohne, dass es mir schlecht wurde.
Aber heute war, auch wenn der Tag schlecht angefangen hatte und Höhen und Tiefen beinhaltete, doch noch schön geworden und ich konnte darüber hinwegsehen.
Alex, Mum und Tante Mo unterhielten sich angeregt, doch ich hörte ihnen nicht wirklich zu.
Meine Gedanken waren ganz wo anders. Oder besser bei jemanden anders,bis mich Mum wieder in die richtige Welt zurück holte.
>Und du Henry? Hattest du einen schönen Tag? <
Kurz dachte ich darüber nach, was ich ihr erzählen sollte und was nicht und entschied mich dazu, Lucy nicht zu erwähnen.
>Naja, um ehrlich zu sein, war er bis vor wenigen Stunden wirklich scheiße, aber nach und nach wurde er wieder besser. <
Mum beobachtete mich neugierig und auch Tante Mo und Alex sahen mich interessiert an.
>Hat es was mit deiner Begegnung in der Stadt zu tun? <
Obwohl ich wusste, dass meine Mum mich fragen würde, warum mein Tag nach und nach besser geworden war, hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie es gleich in Verbindung mit Lucy beziehungsweise meiner Begegnung mit ihr in der Stadt verbinden würde und ich verschluckte mich vor Überraschung und bekam einen Hustenanfall, was ihr Interesse natürlich noch mehr weckte.
>Ich kenne dich nur zu gut mein Schatz. Also möchtest du uns von der geheimnisvollen Begegnung erzählen? <
Sie lächelte mich an und auch wenn ich mich in einer etwas peinlichen Situation befand, musste ich zurück lächeln.
>Du kennst mich zwar gut, aber nein es liegt nicht daran. Jedenfalls nicht nur. Ich bin auch glücklich darüber, dass es dir wieder besser geht und ich einen schönen Abend mit meiner Familie verbringen kann. <
Ihr Lächeln wurde noch größer und völlig gerührt antwortete sie mir.
>Ich finde es auch wirklich schön, dass wir nach langer Zeit mal wieder zusammen an einem Tisch sitzen, nur eure Großeltern fehlen noch, dann wäre alles perfekt. <

Nach unserem gemeinsamen Mittag- eigentlich schon Abendessen, gingen Alex und ich zusammen hoch in unsere Zimmer, wobei wir uns noch kurz unterhielten.
>Ich bin stolz auf dich, kleiner Bruder. Du hast genau das Richtige getan, als du Tante Mo angerufen hast,als du mich nicht erreichen konntest. <
>Ich hatte einen guten Lehrer, was solche Situationen betrifft. Außerdem kannst du sowieso nicht immer da sein, um uns zu helfen und zu beschützen , auch wenn ich weiß, dass du es gerne wärst.Du hast immer noch ein eigenes Leben. <
Ja, das wäre ich wirklich gerne. Doch dabei hatte ich mich selbst schon so oft vergessen, dass es auch für mich immer schwerer wurde auch mal an mich selbst zu denken. Ich hoffte, dass diese Zeit bald vorbei war und es oder besser er endlich aufhörte.
>Also, da wir jetzt unter uns sind, wen hast du in der Stadt getroffen?<
>Warum interessiert euch das alle so? Ich habe doch nur gesagt, dass ich jemanden begegnet bin, daran ist doch nichts besonders. <
>Naja, wenn du ganze 2 Stunden später als sonst kommst und wir dich 1000 mal angerufen haben und du nicht antwortest, musste das schon eine besondere Person gewesen sein, dass du alles um dich herum
vergisst. <
Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
>Ich hatte einfach eine nette Begegnung. Das ist alles. <
>Mit einem Mädchen? <
Alex Augen glitzerten belustigt, als ich stöhnte. Warum dachte er gleich so weit? Es hätte doch auch sein können, dass ich einen alten Freund oder so getroffen haben hatte.
>Gut, ich gebe zu es war ein Mädchen. Aber, es war nicht so, wie du es dir vielleicht ausmalst. <
>Und wie war es dann? <
>Keine Ahnung, anders. Eher so, als würde ich sie schon lange kennen und als wäre es das Normalste der Welt mit ihr zu reden und
zu lachen . <
>Also eher so wie... Freunde? <
Alex Stimme klang überrascht und er sah mich verwirrt an.
>Ja, eher so wie Freunde, die sich nur noch nicht so lange kennen, aber trotzdem... Ach, keine Ahnung. <
Was redete ich da überhaupt?
Ich und ein Mädchen befreundet? Das war fast unmöglich. Außerdem hatten Lucy und ich uns nur ein bisschen unterhalten. Nichts besonderes also, naja abgesehen von meiner verrückten Idee.
>Naja, Wunder sollen ja immer noch passieren. <
Damit verabschiedete er sich und ging in sein Zimmer. Ich tat es ihm gleich, doch als ich wenige Minuten später versuchte einzuschlafen, konnte ich nicht.
Ich machte mir wieder mal viel zu viele Gedanken.
Um Mum, Alex, meinem Dad oder wie ich ihn nach alle dem sah, und Lucy.
Warum schwirrte mir dieses Mädchen immer noch im Kopf rum? Warum hatte ich dieses verrückt machende Bedürfnis sie unbedingt wieder sehen zu müssen?
Fragen über Fragen, die mich erst viele Stunden später, nachdem ich mich in meinem Bett hin und her gewälzt hatte, in Frieden ließen und ich endlich einschlief.

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