Aus Maylas Augen konnte Zero lesen, dass sie nicht wusste, was er von ihr wollte. Zero schaute auf den Fisch und dann in ihr Gesicht, immer hin und her und sie begriff. Ihr neuer Freund hatte ihr Frühstück mitgebracht.
Er war bis zum Fluss Euphat, der größten Wasserquelle in der Nähe geflogen und hatte etwas zu Essen geholt. Doch ungebraten konnte sie den Fisch nicht essen, auch wenn ihr Falke wahrscheinlich genau das von ihr erwartete. Sie brauchten ein Feuer. Doch fern ab von jeder Zivilisation, allein im freien Feld hatten sie keine Chance an Feuer zu kommen geschweige denn überhaupt zu überleben. Sie beschloss also darauf hin zur Buche zurückzukehren, denn allzu weit war sie nach ihrem Aufbruch nicht gekommen und dort würde sie wenigstens Holz finden. Während Mayla lief flog Zero langsam neben ihr her und ließ seine Blicke nie von ihr ab, als ob er sich wie ein Bruder um sie kümmern würde. Auf halben Weg zum Baum schwebte der Falke dann plötzlich über sie und setzte sich auf ihre Schulter, während sie weiter in Bewegung war. Trotz der scharfen Krallen des Tieres tat es ihr kein bisschen weh und sie ließ es einfach geschehen bis sie den besagten Baum am Horizont erblickten und ihn schließlich erreichten. Sogleich flog Zero auf die Buche zu, verschwand zwischen dem Laub und den dichten Zweigen der Krone und brach mit seinem Schnabel ein paar trockene Äste ab, die anschließend auf einem kleinen Stück Rinde gestapelt wurden. Das Mädchen hatte sich an eine alte Kunst des Feuermachens erinnert, die sie einst von ihrem Vater gezeigt bekam bevor er sie verließ um in den Vereinigten Staaten eine Arbeit zu finden und etwas Geld für die Familie aufzutreiben.
Einen langen, geraden Stock drehte sie im trockenen Holz immer weiter zwischen ihren beiden Händen, bis ihre Handflächen heiß wurden, etwas Rauch aus der Rinde entwich und schließlich eine kleine Flamme zwischen den Zweigen loderte. Der Falke saß daneben und beobachtete das Ganze gespannt, denn dieses kleine, warme, gelb-rote Licht war ihm vollkommen fremd, so etwas hatte er noch nie gesehen. Ein Windstoß, der durch seine Federn glitt entfacht das Feuer dann ganz, die Funken flogen wie Glühwürmchen am Tag hinauf in den Himmel und es knisterte in Maylas Ohren. Auf einen Stock gespießt briet sie dann endlich ihren Fisch während sich Zero seinen so schmecken ließ. Als der Fisch anfing sich zu bräunen, nahm sie ihn ab und ließ ihn sich zu Gute kommen. Selbst als ihr Geburtshaus noch stand hatte sie noch niemals eine so köstliche Mahlzeit gegessen.
Als das Feuer erloschen und der Mittag angebrochen war machten sie sich wieder auf den Weg, ein weiteres Mal Zero auf der Schulter von Mayla. Unterwegs nach Westen kamen sie an ein paar ebenfalls vom Erdbeben zerstörten kleinen Orten vorbei, die aber von jeder Menschenseele verlassen wurden, die nach der Katastrophe noch atmete. Ein paar hundert Meter weiter erspähten ihre Augen ein altes Bahngleis, das schon lange keinen Zug mehr gesehen hatte und doch war es die einzige Möglichkeit irgendwie in die Stadt zu gelangen, um dort etwas zu essen oder Arbeit zu finden und ein neues Leben zu beginnen, wenn die Städte nicht selbst Opfer der bebenden Erde geworden waren. Sie beschlossen also dem Gleis eine Weile zu folgen und gaben die Hoffnung auf ein Wunder nicht auf. Doch weit kamen sie nicht. Fern hinter ihnen, an dem Punkt, wo ihr Blickfeld zu Ende war erschien eine alte Dampflock, die mit qietschenden Rädern mit nicht viel mehr als Schrittgeschwindigkeit auf sie zu rollte. In Freude und Glück badend verließen sie das Gleis und warteten auf die Ankunft des Zuges, der anscheinend den Auftrag hatte, Rohstoffe und Medikamente von einer Notfallstation in die vom Beben betroffenen Städte zu bringen. Das Alter der Bahngleise war nicht zu überhören und sie hatten auch keine Probleme während der Fahrt auf eine der Kupplungen des Güterzuges zu klettern, an der die Waggons miteinander verbunden waren. Die Wände des grünen Kohlewaggons, der sich neben ihnen befand hatte wellenförmige Ausbuchtungen, die ziemlich scharfkantig und verrostet waren aber gut zum Hochklettern aussahen. Zero war mittlerweile schon hinauf geflogen und hatte sich auf den Rand des Wagens gesetzt. Neugierig und aufmerksam beobachtete er jetzt das junge Mädchen, das nun einen Fuß nach dem anderen an die kalte Eisenwand drückte, um nicht abzurutschen. Die scharfen Kanten spürte sie selbst durch ihre Schuhe hindurch, sie schmerzten in den Füßen und doch war Mayla fest entschlossen. Sie klammerte sich an die Ecke des Waggons und ließ nicht los. Auf halbem Weg, dem Ziel so unglaublich nahe schwindeten jedoch plötzlich ihre Kräfte und verschwanden, wie der Nebel an einem sonnigen Tag und sie war total erschöpft. Sie rief nach ihrem Freund. Da erhob sich der Falke in die Luft und glitt mit drei großen Flügelschlägen zu ihr hin, fasste mit seinem Schnabel ihr hellgrünes Kleid und zog sie mit all seiner Kraft an ihrem Nacken nach oben, sodass ihr Gewicht sich erleichterte, sie aus eigener Kraft den Rand des Wagens erreichte und geradewegs hinunterfiel, hinein in die schwarze Kohle, die der Regen feucht gemacht hatte. Ihr grau verschmiertes Gesicht blickte nun lächelnd in das von Zero, der nun einen schrillen Laut von sich gab als würde er etwas sagen wie >Bitte sehr!<.
Die beiden Freunde begaben sich nun an den Rand und schauten darüber hinweg in den hell erleuchteten Horizont, auf den sie zurollten. Der Falke ließ sich wieder auf dem Rand nieder, während er von Mayla liebevoll gestreichelt wurde und Beide blickten sich an und fragten sich, wohin er sie wohl bringen würde, ihr "Zug der Hoffnung"...
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Wie ein Vogel im Sturm
AdventureEine Katastrophe, ein beendetes Leben, ein Mädchen, Mayla! Mit einem Falken an der Seite stürtzt sie sich in ein abernteuerreiches, gefährliches, spannendes und trauriges Abenteuer, das ihr ganzes Leben verändern wird! Keine Ahnung was die Zukunft b...