Als Jolly erwachte, fand sie sich an einem weißen, menschenleeren Strand wieder. Wo ist Al? Fuhr es ihr durch ihren schmerzenden Kopf. Aber nein, dachte sie, das ist bestimmt wieder nur so ein verrückter Traum. Doch dann entdeckte sie einige Meter weiter ihre Puppe. Bei ihrer ersten Vision hatte sie nichts aus der wahren Welt mitgenommen. Sie hatte zwar ein Kleid angehabt, aber es war so gewesen, als wäre es aus Wasser gemacht und so etwas konnte doch unmöglich zu Hause in ihrem Kleiderschrank gehangen haben. Und da lag nun ihre Emma und obwohl ihr kleiner Porzellanleib mit dem Kleidchen nur so von Wasser triefte als Jolly sie hochhob, schien sie vollkommen unbeschädigt. Erst jetzt bemerkte Jolly, dass auch sie vollkommen durchweicht war. Alles fühlte sich unglaublich wirklich an. Die Nässe, der Sand unter ihren Füßen. Auch wurde Jolly schlagartig bewusst, wie erschöpft sie war. Es kam ihr vor, als wäre sie gerade einen kompletten Marathon gelaufen. Außerdem war es unglaublich heiß und die Sonne drückte auf Jollys Körper. Die müde Jolly schaute sich kurz um, entdeckte nicht weit entfernt eine Schatten werfende Palme, schleppte sich mit letzter Kraft zu ihr und schlief dort angekommen auf der Stelle ein. Vielleicht komme ich so ja doch wieder nach Hause... , war ihr letzter Gedanke.
„Jolly! Jolly!", rief jemand und riss Jolanda unsanft aus dem Schlaf. Langsam öffnete Jolly die Augen und blickte verschlafen in das besorgte Gesicht ihres Bruders. „Oh Al, ich hatte schon wieder so einen seltsamen Traum. Ich war an einem weißen Strand und..." Weiter kam sie mit ihrem Bericht nicht denn Allan unterbrach sie. „Das war kein Traum Jolly.", sagte er ernst. „Schau dich doch einmal um!" Jolly stutzte, denn mit dieser Nachricht hatte sie nicht gerechnet. Sie starrte ihrem Bruder zuerst ungläubig ins Gesicht, bis sie sich dann überwand und über seine Schulter blickte. Tatsächlich. Vor ihren Augen erstreckte sich immer noch der lange, blütenweiße Strand. Sie spürte, wie der feine Sand an ihren Fingern rieb. Als sie an sich herunter blickte, merkte sie, dass ihre Kleidung inzwischen getrocknet war und sie immer noch im Sand unter der Palme saß. „Oh Al!", rief sie erneut aus und fiel ihrem Bruder um den Hals. „Wenigstens bist du da!" Tränen sammelten sich in ihren Augen. „Was wäre passiert wenn du mich nicht gefunden hättest? Ich...ich..." Weiter kam sie nicht.
Al löste sich unsanft aus ihrer Umarmung. „Jolly, wo sind wir?", fragte er eindringlich. Er blickte ihr direkt in die Augen. „Ich weiß es nicht" antwortete das Mädchen bestürzt. Eine Weile saßen die beiden Kinder schweigend im Schatten der Palme, dann fragte Jolly: „Wo warst du vorhin? Ich war doch allein." „Schau mal hinter dich" sagte Al und zeigte hinter Jolly. Sie drehte sich um und sah am Horizont hinter dem Strand einen grünen Streifen. „Das ist ein Wald" sagte er. „Ich war in ihm als ich aufgewacht bin. Das war gestern." Gestern, dachte Jolly entgeistert. Wie lang habe ich den dann geschlafen? , rätselte sie. Al fuhr fort: „Eine ganze Weile bin ich einfach ziellos umher gestreift. Dieser Urwald ist wirklich wunderschön! Überall sind Pflanzen und kleine Tiere gewesen. Ich habe Blumen gesehen, die waren größer als ich! Ihre Blüten sind rot und orange und lila gewesen! Sie waren so löchrig wie Schwämme und als ich sie berührt habe, ist blauer Staub aus all ihren Poren gekommen. Dann gab es da Blätter, aus denen kleine Frösche gehüpft kamen, wenn man sie aufklappte! Auf dem Boden waren überall kleine Pflänzchen in allen Farben und Formen. Einige hatten kleine Früchte und andere sahen nur so aus wie Sprösslinge.", Al berichtete mit einem Leuchten in den Augen.
„Als ich grade vor einer durchsichtigen Blume stand, kam ein Tier vorbei gehoppelt, das sah aus, wie ein Kaninchen! Ein Kaninchen an sich wäre ja nichts Besonderes, aber es hatte wuscheliges, grünes Fell und kleine Hörnchen. Es hatte überhaupt keine Angst vor mir, ist kurz stehengeblieben und hat mich schief angesehen. Dann hatte es begonnen, aufgeregt zu fiepen, hat hinter sich geblickt und ist im Gebüsch verschwunden. Seltsam, nicht?"
Jolly machte nur „Mh" denn sie stellte sich grade lebhaft vor, wie ein kleines, grünes Kaninchen ihren Bruder an piepste. Das war einfach viel zu unglaublich. Al hatte wirklich eine blühende Fantasie, aber damit war sie sich schon im nächsten Moment nicht mehr sicher. Wer wusste was hier alles möglich sein konnte, an einem Ort, zu dem sie mit einem magischen Brief gekommen waren. Aber das schien ihr im Augenblick nicht so wichtig zu sein, wie Als Erzählung.
„Weiter", sagte sie deswegen nur, gespannt auf das, was kommen würde. „Erst hab ich mich gewundert", fuhr er mit vor Aufregung zitternder Stimme fort, „warum es so überstürzt weggehüpft ist, aber es hat nicht lange gedauert, da habe ich den Grund kennengelernt." Er stockte und schaute Jolly an, als wisse er nicht recht, ob er weiterreden sollte oder nicht. Seine Schwester hatte das Gefühl, sie würde vor Spannung platzen, wenn Al nicht sofort weiterredete und gleichzeitig fragte sie sich, ob sie denn überhaupt wissen wollte, was Al so schaudern ließ, doch noch bevor Jolly einen Entschluss fassen konnte, berichtete ihr Bruder weiter: „Am Anfang hab ich nur ein Rascheln gehört, dann ist ein Tier, das irgendwie einer Taube mit vier Pfoten ähnelte, glucksend an mir vorbeigelaufe und dann war alles ganz still. Erst da ist mir bewusst geworden, wie laut es vorher in diesem Wald gewesen war. Die Luft war erfüllt gewesen vom Kreischen, Rascheln, Gurren und allen anderen, vorstellbaren, tierischen Geräuschen. Doch ich habe nicht einmal das Zirpen einer Grille gehört. Falls es die hier überhaupt gibt", bemerkte er. „Es war, als würde sich Alles vor einer großen Gefahr verstecken, von der ich keine Ahnung hatte. Auf einmal brach aus der Stille, nicht weit von mir, ein Quieken hervor gefolgt von einem ohrenbetäubenden Brüllen. Auf einmal kam wieder Leben in den Wald. Alles flog, hüpfte, lief weg von der Stelle auf die ich jetzt zuging. Durch eine Lücke zwischen ein paar blau gefiederten Blättern, hab ich ein Tier auf dem Boden liegen gesehen. Es schien tot zu sein. Es muss etwa so groß wie ein Schaf gewesen sein, hatte aber mit einem solchen keinerlei Ähnlichkeiten. Ich war wie gebannt von diesem ekelerregenden Anblick, aber dann hab ich ein Knistern gehört und mir wurde wieder bewusst, dass hier irgendetwas Gefährliches lauern musste. Und schon trat dieses Untier in mein Blickfeld: es war groß, so groß wie ein Pferd vielleicht, wenn nicht sogar noch größer. Seine Pranken waren breit und kräftig und zwischen den scharfen Krallen waren lederne, bläuliche Schwimmhäute. Sein Körper war kräftig und sah aus, wie der eines Tigers, nur das die Streifen längs verliefen und blau und schwarz waren. Sein Schwanz war breit wie ein Biberschwanz, er sah aber eher aus wie eine Delfinflosse. Aus den Seiten seines Leibes ragten kleinere und größere Stachel heraus, die sehr scharf aussahen. So wie gefährliche Messer. An seinem anderen Ende ragte ein langer, aber muskulöser Hals aus seinem Rumpf. Er war befleckt. Ich glaub es waren weiße Tupfen auf schwarzem Grund. Dieses Ungetüm sah ja so schon beängstigend aus, aber das aller schlimmste war der Kopf: er war wie, wie...", hier stockte Al. Er blickte um sich, als hoffe er, in ihrer Umgebung die passenden Worte zu finden. Jolly dachte schon, es hätte ihm die Sprache verschlagen, doch dann fuhr er schließlich fort: „Sein Kopf war einfach unglaublich. Als ich hingeblickt habe, konnte ich auf einmal gar nichts mehr erkennen. Das hat mich total verwirrt! Es waren Farben und Formen, die es gar nicht gibt und auch nicht geben kann! Es war ganz und gar unmöglich. Und denk ja nicht darüber nach, wie er aussieht!", mahnte er, „Es übersteigt völlig deine Vorstellungskraft und nach einer Weile denkst du, du wirst verrückt." Allan schaute seine Schwester ernst an. Wahrscheinlich fragt er sich, ob ich seinen Rat wirklich befolgen werde, dachte Jolanda belustigt und kicherte in sich hinein. Doch dann wurde sie wieder neugierig: „Und wie geht es jetzt weiter? Hat es dich gesehen? Was hast du noch gesehen? Wie hast du mich gefunden?" Nun war es an Al zu lachen. „Ganz ruhig Schwesterherz! Alles der Reihe nach.", schmunzelte er. „Also, als ich nun schon eine Weile so dagelegen hab und meinen Blick nicht abwenden konnte und mich sogar etwas müde streckte, wurde es meinem blau gefiederten Busch, der eigentlich gar keiner war, anscheinend zu bunt und ungefährlich genug, da das Untier grade in sein Festmahl vertieft war, und lief weg. Wie ich feststellen musste waren die „Blätter" nicht nur für mich Tarnung gewesen. Eigentlich waren es nämlich die Schwanzfedern eines mittelgroßen, verschreckten Vogels, der nun so leise und schnell wie möglich, davon wackelte. Zu schade, denn nun hatte ich keine Gesellschaft mehr!", sagte Al mit unüberhörbar ironischem Unterton. „Ein weiter Nachteil bestand darin, dass ich nun keine Deckung mehr hatte", er verzog sein Gesicht. „Ich musste mich bei der Flucht meiner Tarnung wohl etwas zu viel bewegt haben, denn das Monster wandte jetzt langsam seinen furchtbaren Kopf in meine Richtung und ich bekam zwei abscheuliche Augen zu Gesicht." Al starrte auf irgendeinen Punkt, der weit hinter Jolly lag. „Sie waren gelb und schienen böse zu leuchten. Ich hatte es grade noch geschafft, mich hinter den nächstbesten Busch zu werfen, davon gibt es dadrin schließlich genug. So hat es einfach nur an mir vorbei gestarrt und sich dann wieder seiner Mahlzeit zugewandt. Ich lag eine Weile wie vom Donner gerührt, bis ich endlich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte und, immer noch zitternd, beschloss zu flüchten. Irgendwann habe ich dann den Waldrand gesehen und dann habe ich dich gefunden." Jolly schwieg. Im Moment spürte sie nichts, außer ungeheuerlicher Angst und dem Wissen das irgendwo, nicht weit entfernt, das pure Grauen lauern musste. Sie blickte Al mit verstörtem Blick an und er schien sich sogleich zu fragen, ob es wirklich richtig gewesen war, seiner Schwester all dies zu erzählen. Schließlich fand Jolly ihre Stimme wieder und fragte leise flüsternd ihren Bruder: „Was sollen wir jetzt tun?" „Ich weiß es nicht" gab er ratlos zurück. Nach einer langen Zeit des Schweigens, brach Jolly erneut die Stille, die vorher nur vom sanften Rauschen der Wellen zerschnitten worden war. „Lass uns doch erst einmal den Rest der Insel erkunden. Es muss doch mehr als diesen Urwald und den Strand geben!" „Da wäre ich mir nicht so sicher" erwiderte Allan etwas bestürzt, „Und woher willst du wissen, dass wir auf einer Insel sind?" fügte er fragend hinzu. „Das habe ich so im Gefühl!", sagte Jolly bestimmt.
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Bermuda *on hold*
Fantasi• Jolly trieb durch ein Meer. Sie spürte wie das angenehm warme Wasser ihren Körper umspülte. Sie schwamm unter der Oberfläche und doch konnte sie atmen. Sie war gänzlich entspannt und lauschte mit geschlossenen Augen den Fischen. • Jolly, das Mädch...