Kapitel 7

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Ist ja nicht so, als hätte ich mein ganzes Leben noch vor mir.

Wenn ich mich teleportieren kann, muss ich mir entweder die Umgebung bis aufs kleinste Detail vorstellen oder die Koordinaten haben. So ist es auf jeden Fall in Filmen. Das einzige Problem ist, dass ich in der Realität, sofern man es Realität nennen kann, bin. Und bekanntlich funktioniert das Beamen nicht. Aber der Wissenschaft nach existieren auch keine Geister. Ich bin ein Geist. Da ich Angst davor habe, dass etwas schief läuft, stelle ich mich hinter den Krankenwagen, schließe meine Augen und versuche meine Gedanken für ein paar Minuten aus meinem Kopf zu verbannen.

Mein Körper schwankt ein klein wenig nach rechts und nach links, aber ich falle nicht um. Als ich meine Augen wieder öffne, sehe ich, dass die gerade untergehende Sonne den Himmel einen sanften Orange zu Rot Farbverlauf schenkt, ihn in warme Farben färbt und somit das Krankenhaus dunkler und geheimnisvoller wirken lässt. Tief atme ich ein und dann wieder aus. Ich brauche einen zweiten Versuch. Ein zweites Mal fühlen sich meine Lider schwer an und ich lasse sie fallen. Diesmal versuche ich nicht, nichts zu denken, sondern ich probiere nur an mein Zimmer zu denken.

Ich sehe mein Bett aus Eichenholz, dessen Matratze mit einem schwarzen Laken überspannt wurde, die kleinen, dunklen Laden unter meinem Bett, in denen ich immer meine Schulsachen oder Brettspiele aufbewahre, das ebenfalls aus Eichenholz bestehende Regal, welches Schutz für meine Bücher bietet, den zweitürigen Schrank, aus dem ich mir heute Morgen meine Kleidung, die ich jetzt immer noch trage, herausgeholt habe und meinen schwarzen Schreibtisch, auf den jetzt einige Zeichnungen von mir herumliegen - so wie sie es immer tuen. Noch nie war ich ein ordentlicher Mensch. Mein Zimmer besteht andererseits aus geordnetem Chaos.

Neugierig auf das Ergebnis meines Experiments öffne ich meine Augen und schaue mich um. Hinter mir verweilt der Krankenwagen und mein totes Ich wird soeben von den zwei Sanitätern in das Krankenhaus transportiert. Die schon halb verschwundene Sonne blendet mich und für einen kurzen Moment verengen sich meine Augen zu Schlitzen, damit ich meine Orientierung wiedererlangen kann. Mittlerweile sind die Sanitäter mit meiner Leiche im Krankenhaus, weit und breit sehe ich nur eine schwangere Frau, welche gerade auf den Weg ins Spital ist, um wahrscheinlich ihr Kind zu gebähren und rechts neben ihr, hinter einem Busch, versteckt sich ein kleines Kätzchen, dessen Fellfarbe ich leider nicht zu erkennen vermag.

Meine Konzentration spezialisiert sich wieder auf mich und ein drittes Mal schließe ich meine Augen, um mir mein Zimmer detailreich in Gedanken vorzustellen. Das Bett, die Laden unter dem Bett, das Regal, der Schrank und der überfüllte Schreibtisch, welcher nicht einmal nach dessen Aufbau ordentlich war. Der Schreibtisch ist schon seit er in meinem Zimmer steht überfüllt. Diesmal liegt auch mein schwarzer Teppich, der schon viele Katzenangriffe meines kleinen Kätzchens überlebt hatte, auf den Boden und sieht wie schon immer sehr staubig aus. Auch er musste für mich oft hinhalten, wenn mein Schreibtisch überfüllt war und ich keinen Platz zum Hausaufgaben machen hatte.

Einst hatte ich mit ihm, meinem Mörder, auf ihn gesessen und irgendwelche Diskussionen gestartet oder beendet. Kaum zu glauben wie misstrauisch man gegenüber Menschen sein muss, damit man nicht verletzt oder sogar getötet wird. Sowohl innerlich, als auch äußerlich. Zwar ist das innerliche Zerstören angesagter bei kleineren Psychopathen als er es ist, aber bei Soziopathen wie er kommt es selten auch zum äußerlichen Mord. Für einen Moment schalte ich alle meine Gedanken ab und stelle mir, wie von Anfang an,  mein Zimmer vor. Und alles was noch in ihm vorhanden ist. Nach einigen Sekunden spüre ich ein angespanntes Kribbeln im Bauch, aber ich lasse mich trotzdem nicht beirren. Ein Windstoß öffnet meine Augen wie von selbst und lässt mich dann hier alleine stehen.

Ich, die AuserwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt